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Pfarreien

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Ursprünglich bezeichnete paroikía den Wirkungsbereich eines Bischofs; dem entsprach noch im 8. Jahrhundert die Unterteilung Bayerns in vier parochiae durch Bonifatius. Doch allmählich schränkte sich die Verwendung des Begriffes auf Teilgemeinden innerhalb einer Diözese ein. Noch unübersichtlicher ist die Bezeichnung des Leiters einer Teilgemeinde, bis im 16. Jahrhundert das Konzil von Trient den Begriff parochus (Pfarrer) vorschrieb. Vielfältig waren auch die Zuordnung derer, die einer Pfarrei angehörten, und die rechtliche Fixierung, wer einen Pfarrer bestimmen durfte. Mehr als Papsttum und Bistum waren die Pfarreien häufig die Orte realen kirchlichen Lebens, aber in sehr verschiedenen Formen. Infolgedessen können im Folgenden nur wenige Faktoren genannt werden.

Die Pfarreien waren unterschiedlichen Ursprunges. Doch generell galt, daß ihre Leiter Funktionen ausübten, die der jeweilige Bischof ihnen zugewiesen hatte, besonders die Aufnahme in die christliche Gemeinschaft durch die Taufe, die Feier der Liturgie und die Seelsorge. Daher waren wohl immer Presbyter mit der Leitung betraut; abhängig von der Größe der Pfarreien konnten der Leitung auch mehrere Presbyter angehören, an deren Spitze ein archipresbyter oder prior presbyterorum stand. Und je nach Größe und Differenzierung der Pfarreien konnten ihnen auch unterschiedlich zahlreiche Inhaber der übrigen, schon genannten Weihegrade angehören (3Papsttum, Bistum).

Die Gliederung von Städten in mehrere Pfarreien hatte sich ursprünglich auf die stärker bevölkerten Großstädte im Mittelmeerraum beschränkt [↗ Mediterraner Raum]. Doch schon im Römischen Reich, erst recht in den neuen germanischen Reichen genügte lange Zeit der Bischof nebst zugeordnetem Klerus für Taufe, Liturgie und Seelsorge. Das läßt sich noch heute an der Architektur von episcopia (Kathedrale, Baptisterium, Pfarrkirche) – etwa in Grado – erkennen. Erst recht traf diese Einschränkung auf die meisten nordalpinen Bischofsstädte vor dem Siedlungsausbau im Hochmittelalter zu.

Daher war die Errichtung von Pfarreien anfangs vor allem auf das zu einer Diözese gehörende Land konzentriert, wo sie – etwa in Asien und Nordafrika – auch die den Bischöfen mißliebigen Chorbischöfe (↗ Bistum) ersetzen sollten. Organisation und Strukturierung der Landpfarreien hingen stark von den regionalen Gegebenheiten ab. So weist zum Beispiel in Italien die noch heute existierende Bezeichnung pieve (von plebs = Volk) auf die Bedeutung bestimmter Kirchen als Zentrum von Taufe und Seelsorge für die zugewiesene Bevölkerung hin; dem entsprechen im nordalpinen Bereich die „Urpfarreien“, deren oft isoliert gelegene Kirchen Zentren für eine oft viele Meilen verstreut lebende Bevölkerung waren. Dort gab es aber auch – vermehrt seit der Karolingerzeit – Kirchen auf dem Eigengut eines Grundherrn (König, Adliger, Bischof, Kloster), der ausschlaggebend war für den Kirchenbau, dessen Ausstattung, die Bestellung des Priesters, dessen Amtsführung, so daß ein Bischof nur dann stärker derartige Kirchen kontrollieren konnte, wenn er selbst der Grundherr war. Wichtig für derartige Pfarreien war ihre wirtschaftliche Grundausstattung (beneficium: auf Weisung Karls des Großen eine Hufe), was zur Folge hatte, daß die darauf basierenden Einkünfte (praebenda = Pfründe) bei der Besetzung nicht selten die Neubesetzung bestimmten, und nicht so sehr die Eignung des Kandidaten. In geschwächter Form überlebte das Eigenkirchenrecht seit dem 12. Jahrhundert im Patronatsrecht. Wieder anders verhielt es sich bei Genossenschaftskirchen (nach der Völkerwanderung und wieder infolge des Siedlungsausbaus seit dem 12. Jahrhundert), bei denen die jeweilige Herde (Dorf- oder Stadtgemeinde) für die Kirche aufkam und deshalb auch ihren Hirten selbst wählte; daher war die Pfarrerwahl in reformierten Kirchen der Neuzeit nicht etwas völlig Neues.

Die verschiedenen Existenzformen des Pfarreiwesens sollten seit dem 12. Jahrhundert kirchenrechtlich vereinheitlicht werden, was jedoch nicht völlig gelang. Spätestens seit dem 4. Laterankonzil (1215) war jeder Christ einer bestimmten Pfarrei zugewiesen: dort sollte er getauft und begraben werden, jährlich einmal im Jahr (meist zu Ostern) beichten und die Kommunion empfangen – im Zusammenhang damit den Kirchenzehnt zahlen – sowie vor einer Ehe das Aufgebot bestellen (die gleichfalls geforderte Eheschließung durch den Pfarrer setzte sich erst im 16. Jahrhundert durch). Für derartige Handlungen waren sogenannte „Stolgebühren“ (für Handlungen, bei denen der Priester eine Stola trug) an den Pfarrer zu zahlen. Daher gab es gravierende Konflikte, als sich viele Gläubige im 13. Jahrhundert lieber von Konventen der neuen Bettelorden betreuen ließen. Bonifaz VIII. bestimmte, daß auch in derartigen Fällen ein Viertel der Gebühren an den Pfarrer entrichtet werden müssen. Ein weiteres Problem bildeten die „Inkorporationen“, durch die Klöster oder Stifte das Pfarreirecht erhielten oder schon bestehende Pfarreien übernahmen. Vom zuständigen Bischof oder direkt vom Papst gegen Entgelt erworben, stießen derartige Maßnahmen auch bei den betroffenen Gläubigen nicht immer auf Gegenliebe, was wiederum deren Hinwendung zu Kirchen der Bettelorden förderte.

BERNHARD SCHIMMELPFENNIG

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