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Kirchliche Organisationsformen

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„Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen.“ – „Für jedes menschliche Geschöpf ist es heilsnotwendig, der römischen Kirche untertan zu sein.“ Beide Zitate – das eine aus der Bibel (Mt 16,18), das andere aus der Konstitution Unam sanctam (1302) Papst Bonifaz’ VIII. – prägen auch heute noch nicht nur das Selbstverständnis der Päpste gegenüber der Gesamtkirche (↗ Papsttum und Kirche), sondern auch die Art und Weise, wie der „Vatikan“ die „römisch-katholische Kirche“ regiert und damit die verschiedenen Organisationen dieser Kirche zu lenken versucht – dies auch trotz der verschiedenartigen Kulturen, die der Weltkirche zu integrieren sind.

Dogmatisch wird diese Zentrierung auf Rom letztlich auf Jesus von Nazareth als den Stifter der christlichen Religion und den Auftraggeber Petri zurückgeführt, der in Rom gewirkt haben soll; doch stößt diese Anschauung auf große Skepsis – sei es bei nichtrömischen Christen, sei es bei Historikern. Ebenso große Skepsis ist angebracht, wenn andere kirchliche Ämter und Organisationsformen auf Jesus zurückgeführt werden. Allerdings gilt Skepsis auch gegenüber denen, die behaupten, das Papsttum habe seine Stellung und damit seinen Einfluß auf die kirchlichen Organisationen vor allem seinem Machtstreben zu verdanken. Kurzum: Die Formen der kirchlichen Organisationen im Mittelalter – aber auch heute – sind Ergebnisse historischer Prozesse, waren (und sind) also dem historischen Wandel unterworfen [↗ Christentum].

Die ersten Anhänger Jesu bildeten eine nur locker strukturierte Schar, deren einziges „Amt“ das des Schatzmeisters (Judas Iskariot) war. Soweit erkennbar, hat Jesus selbst seine baldige Wiederkunft (Parusie) nach Tod und Auferstehung erwartet; daran glaubten auch seine Jünger. Daher schienen klare Organisationsformen anfangs unnötig zu sein. Lediglich die zentrale Gemeinde in Jerusalem wurde wohl von einem Gremium von zwölf Jüngern geleitet. Die Zahl verweist auf die zwölf Stämme Israels. Unterstützt wurden sie von sieben Diakonen. Bis zur Eroberung durch Titus (70 n.Chr.) war Jerusalem Zentrum der Anhänger Jesu, also gut eine Generation lang nach dessen Tod (ca. 30 n. Chr.). Der Verlust Jerusalems förderte die Bedeutung anderer Gemeinden (z.B. Antiochiens und Korinths, vielleicht auch schon Roms). Etwa zeitgleich schwand die Erwartung der unmittelbar bevorstehenden Parusie; die Gemeinden mußten sich „in der Welt“ einrichten. Demzufolge bildeten sich differenziertere Funktionen heraus, deren Aufgaben um so wichtiger wurden, je weniger Glaubensvermittler noch lebten, die Jesus selbst gekannt hatten und daher als glaubwürdige Zeugen der Botschaft galten. In diesen Zusammenhang gehört auch die schriftliche Fixierung der Botschaft Jesu in den Evangelien.

Die Funktionen in diesen frühen Gemeinden lassen sich grob zwei Bereichen zuordnen: den charismatisch Wirkenden und den Mitgliedern der Gemeindeleitung, wobei das jüdische Vorbild nicht unterschätzt werden sollte. Zu den Charismatikern gehörten neben Lehrern vom Heiligen Geist geleitete Stammler oder Propheten, unter denen nicht selten Frauen gewesen zu sein scheinen. Die Leitung der Gemeinde oblag – wohl dem Jerusalemer Typus folgend – den Ältesten (presbýteroi) und (für soziale Fürsorge und Verwaltung) den Dienern (diákonoi). Je mehr sich die Struktur der Gemeinde verfestigte und das Mißtrauen gegenüber den schwer zu kontrollierenden Geistträgern zunahm, desto stärker gewannen die Gemeindeleiter an Gewicht zum Nachteil der Charismatiker. Vor allem die Presbyter waren auch zuständig für den Kontakt zwischen den Gemeinden, wie etwa der sogenannte Clemensbrief (Schreiben der Gemeinde Roms an die von Korinth, um das Jahr 96) zeigt.

Wenige Jahre nach diesem Brief lassen sich – zuerst in Asien, dann auch im Westen – erste Spuren einer Hierarchisierung der Gemeindefunktionen erkennen. An deren Spitze stand nun ein Aufseher (epískopos = Bischof), der die wohl schon in Kollegien organisierten Presbyter und Diakone leitete. Sie alle galten als durch Gottes Los (kléros) Erwählte und unterschieden sich dadurch von den übrigen Mitgliedern der Gemeinde, aus der sie jedoch durch deren Wahl hervorgegangen waren. Diese allmähliche Verfestigung läßt sich gut an Rom erkennen.

BERNHARD SCHIMMELPFENNIG

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