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Grundherrschaft

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Die Bedeutung der Grundherrschaft für die mittelalterliche Gesellschaft ist evident. Die Grundherrschaft bildete damals die wirtschaftliche Basis für die weltlichen und geistlichen Führungsschichten, für Herrschaft, Verwaltung und Kultur. Sie erfaßte im Laufe ihrer Entwicklung die Hauptmasse der ländlichen Bevölkerung [↗ Ländliche Räume], breitete sich über die Hauptländer des abendländischen Raumes aus und prägte das soziale, wirtschaftliche und politische Leben der mittelalterlichen Gesellschaft in starkem Maße. Obwohl der Terminus „Grundherrschaft“ schon seit der Mitte des 19. Jahrhunderts in den Geschichtswerken fest etabliert ist, stellt die genaue Definition desselben immer noch ein schwieriges Problem dar, weil es hier um einen Forschungsbegriff geht, der in den Quellen des Früh- und Hochmittelalters nicht vorkommt. In den lateinischen Quellen des Mittelalters erscheint dieser Begriff aber häufig unter Bezeichnungen wie potestas, dominatio oder dominium. Unter Grundherrschaft muß nach F. Lütge eine Grundform mittelalterlicher Herrschaft verstanden werden, nämlich „Herrschaft über Menschen, die auf einem bestimmten Grund und Boden … ansässig sind und die darum von der Herrschaft erfaßt werden“. Der Grundherr verleiht Land an Bauern zur Bewirtschaftung, wodurch das grundherrlich-bäuerliche Rechtsverhältnis begründet wird. Für die Nutzung des überlassenen Landes schulden die Bauern ihren Grundherren Leistungen in Form von Abgaben und Diensten. Während die bürgerliche Geschichtsforschung im grundherrlichbäuerlichen Verhältnis partiell vertragsähnliche Elemente entdeckte und die Schutz-Treue-Beziehung betonte, interpretierte die marxistische Forschung diese Beziehung als Ausbeutungsverhältnis und verwies auf die zahlreichen Konflikte und Aufstände, die immer erneut zwischen Feudalherren und Bauern entstanden.

Trotz mancher Bedenken kann aus praktischen Gründen nicht auf die weitere Verwendung des historischen Ordnungsbegriffs „Grundherrschaft“ verzichtet werden. Es ist aber notwendig, den Inhalt dieses Begriffs eindeutig zu klären und den damit bezeichneten Tatbestand genau abzugrenzen. Sicherlich ist Grundherrschaft nicht mit Grundeigentum gleichzusetzen; es handelt sich dabei um eine Herrschaftsbeziehung, wie die Grundablösung des 19. Jahrhunderts beweist, als Grundherren zu bloßen Grundeigentümern wurden. Bei der im germanischen Rechtsbereich erwachsenen Grundherrschaft war das Recht am Boden gespalten: Es bestand eine Form von Doppeleigentum, bei dem der Grundherr über das Obereigentum, das dominium directum, und der Bauer über das Untereigentum, das dominium utile, verfügte. Neben den rechtlichen und ökonomischen Aspekten muß vor allem der soziale Gesamtcharakter der Grundherrschaft gesehen werden, der in dem Herrschaftsverhältnis von Grundherren und Bauern seinen Kern besitzt [↗ Bauerntum; ↗ Ländliche Räume].

Im Laufe des Mittelalters wandelten sich die Strukturen der Grundherrschaft in einem beträchtlichen Maße. Welches waren die treibenden Faktoren bei diesem Wandlungsprozeß? Wichtige Triebkräfte der Veränderung im Grundherrschaftsbereich waren die Bevölkerungsentwicklung und die mit ihr wechselseitig gekoppelten langfristigen Konjunkturbewegungen der Agrarwirtschaft. Einen zweiten Hauptfaktor stellt die Entwicklung der Marktbeziehungen und der gesellschaftlichen Arbeitsteilung dar, die seit dem Hochmittelalter im Ausbau des Städtewesens und der nichtagrarischen Sektoren der Wirtschaft hervortrat. Ein dritter Faktor des Wandels der Grundherrschaft ist in der Veränderung der Herrschaftskultur zu sehen, da die mittelalterliche Grundherrschaft eng mit den übrigen Herrschaftselementen verbunden ist, insbesondere mit der Leib-, Gerichts- und Landesherrschaft [↗ Landesherrschaft]. Seit dem Hochmittelalter waren es vor allem der Prozeß der Territorialisierung und der Ausbau der landesherrlichen Gewalt, die die Struktur der Grundherrschaft stark beeinflußten. Schließlich wirkte sich der Wandel im Herren-Bauern-Verhältnis nachhaltig auf die Gestalt und Entwicklung der Grundherrschaft aus. Das soziale Beziehungsgeflecht zwischen Grundherren und abhängigen Bauern war reich an Spannungen und Konflikten und erfuhr im Laufe des Mittelalters grundlegende Veränderungen, die eng mit der unterschiedlichen Machtposition von Grundherren und Bauern in den einzelnen Epochen zusammenhingen.

Die Entwicklung der mittelalterlichen Grundherrschaft läßt sich, wenn man von regionalen Sonderformen absieht, insgesamt in vier Perioden einteilen: 1. die Zeit der Entstehung und Entfaltung der Grundherrschaft vom 6. bis 9. Jahrhundert, 2. die Epoche der Ausbreitung und Konsolidierung der Grundherrschaft vom 9. bis 12. Jahrhundert, 3. die Aufbruchsphase vom 12. bis 14. Jahrhundert und 4. die Spätphase des 14. und 15. Jahrhunderts. Für die Anfangsphase der frühmittelalterlichen Grundherrschaft stellt sich vor allem die Frage nach der Herkunft dieser Herrschaftsform. Aus welchen Wurzeln entstand im Frühmittelalter die Grundherrschaft? Das mittelalterliche Grundherrschaftssystem beruht im wesentlichen auf zwei Grundlagen: auf der spätantiken Agrarverfassung mit ihren spezifischen Formen bäuerlicher Abhängigkeit und auf germanischen Herrschaftselementen. Der von einigen Historikern vertretenen Auffassung, die mittelalterliche Grundherrschaft sei ein Erbe der Antike, ist entgegenzuhalten, daß nur ein Anknüpfen an spätantike Agrarformen, die noch keine Grundherrschaft im eigentlichen Sinne darstellten, zu konstatieren ist. Römische und germanische Elemente bäuerlicher Abhängigkeit wurden insbesondere im Frankenreich miteinander verschmolzen, intensiviert und in Grundherrschaftsverhältnisse eigener Prägung verwandelt.

Ihre spezifische Prägung erfuhr die frühmittelalterliche Grundherrschaft in der Villikationsoder Fronhofsverfassung, auch zweigeteiltes Grundherrschaftssystem („domaine bipartite“) genannt [↗ Landwirtschaft]. Dieses klassische Grundherrschaftssystem war dadurch gekennzeichnet, daß in seinem Mittelpunkt der eigenbebaute Fronhof (curtis) mit dem dazugehörigen Salland (terra salica) stand, das durch die Arbeit des unfreien Hofgesindes und mit Hilfe der abhängigen Hufenbauern (huobae, mansi) bewirtschaftet wurde. Als Hufe (mansus) wird die Normalausstattung einer vom Fronhof abhängigen, aber selbständigen Bauernstelle mit Hofstatt, Ackerland und Nutzungsrechten an der Allmende bezeichnet. Zum Fronhofsverband gehörte demnach sowohl das herrschaftliche Salland als auch das bäuerliche Hufenland – ein zweigeteiltes Bewirtschaftungssystem, in dem beide Seiten durch Pflichten und Rechte eng miteinander verbunden waren. Die Villikationen der großen Grundherrschaften waren häufig so gegliedert, daß einem Oberhof Haupt- und Nebenhöfe unterstanden, die ihrerseits wieder Zentren von Fronhofswirtschaften mit abhängigen Bauernstellen bildeten. Handwerk und Handel waren gleichfalls in den Wirtschaftskreis der Grundherrschaft einbezogen, wenngleich nicht in dem Ausmaß, wie die ältere Forschung annahm. In den frühmittelalterlichen Grundherrschaften gab es daher Backhäuser, Braustätten, Webhütten und Kalkbrennereien sowie eine spezialisierte Handwerkerschaft.

Das größenmäßige Verhältnis von Salland und Bauernland, das von Grundherrschaft zu Grundherrschaft verschieden war und den Grad der bäuerlichen Dienstverpflichtung weitgehend bestimmte, ist ein Angelpunkt für die soziale Lage der Hufenbauern und verdient bei der Analyse einzelner Grundherrschaften höchste Beachtung. Der größte Teil des Landes war auch im Frühmittelalter an die Bauern ausgeliehen, die zusammen mit dem unfreien Hofgesinde den Verband der Hofgenossenschaft (familia) bildeten und deren Rechte und Pflichten durch das Hofrecht geregelt wurden. Neben diesen mehr oder minder straff organisierten Fronhofsverbänden mit herrschaftlicher Eigenwirtschaft gab es auch zahlreiche Grundherrschaftskomplexe, bei denen die Herrenhöfe als reine Hebestellen für die bäuerlichen Abgaben fungierten. Dieser Grundherrschaftstyp tauchte vor allem bei weitgestreuten Grundherrschaften auf, da die Grundherren dicht massierten Güterbesitz zumeist villikationsmäßig organisierten, Streubesitzungen aber gegen Zinsleistungen verliehen. Herrschaftliche Fronhofswirtschaft und bäuerliche Zinsgüter bestanden demnach in der frühmittelalterlichen Grundherrschaft nebeneinander, sogar innerhalb derselben Grundherrschaft. Die Gutswirtschaft bildete neben der Villikationsverfassung und der Rentengrundherrschaft eine dritte Form der Organisation des Grundbesitzes im Frühmittelalter. Hierbei handelte es sich um Herrenhöfe, die ausschließlich mit hofeigenen Gesindekräften bewirtschaftet wurden. Derartige Herrenhöfe befanden sich besonders bei den Grundbesitzungen von Adelsgeschlechtern. Hinsichtlich der Herrschaftsträger sind im Frühmittelalter neben der eben genannten Grundherrschaft des Adels vor allem die geistliche und königliche Grundherrschaft zu erwähnen, wobei die Grundherrschaft des Königs aufgrund ihres Umfangs und ihrer politischen Bedeutung bis weit in das Hochmittelalter hinein eine herausragende Stellung einnahm.

Die Entstehung des klassischen Villikationssystems vollzog sich nach A. Verhulst während des späten 6. Jahrhunderts in den fruchtbaren Ebenen Nordfrankreichs und besonders auf den königlichen Domänen. Ob sich dieses System von dort aus allmählich nach allen Richtungen ausbreitete, ist weitgehend ungeklärt. Die spezifische Ausprägung der Grundherrschaft hing in den einzelnen Teilen des Frankenreiches vor allem von den unterschiedlichen regionalen Voraussetzungen ab, wobei insbesondere die Unterschiede zwischen Gebieten mit starker römischer Tradition und außerrömischen Regionen zu beachten sind. In den rechtsrheinischen Gebieten, die außerhalb der römischen Reichsgrenzen und des Limes geblieben waren, fand die Landnahme germanischer Stämme nach eigenen Formen der Siedlung und Agrarverfassung statt. Große Teile der rechtsrheinischen Stammesgebiete kamen daher erst im Zuge der fränkischen Großreichsbildung mit dem antiken Kulturerbe näher in Berührung.

Die Epoche der Ausbreitung und Verfestigung der Grundherrschaft vom 9. bis 12. Jahrhundert brachte die Formen zur vollen Entfaltung, die in der vorhergehenden Periode grundgelegt worden waren. In Wechselbeziehung zum Machtzuwachs des karolingischen Königtums und der Ausbreitung des Lehnswesens vergrößerten sich die Grundherrschaften des Königs, der Kirchen und der weltlichen Magnaten. Es stellt sich dabei die Frage, wie dicht in den einzelnen Regionen des Frankenreiches die Fronhofsverfassung vorhanden war und in welchem Ausmaß die abhängige Bauernschaft davon berührt wurde. Im ostfränkischen Raum rechts des Rheins war das Villikationssystem offenbar weniger stark ausgeprägt als in den fränkischen Kernlanden zwischen Loire und Rhein. Während des 10. und 11. Jahrhunderts erfuhren die Rechtsqualität und die innere Struktur der Grundherrschaft in vielen Gebieten einen bedeutsamen Wandlungsprozeß, als sich grundherrliche Bannbezirke entwickelten („seigneurie banale“). Ein Teil der Bannrechte diente der Ertragssteigerung grundherrlicher Monopolbetriebe, wie Mühlen, Backöfen und Schenkstuben [↗ Energiegewinnung – Wasser und Wind, Holz]. Am wichtigsten aber war der Gerichtsbann, der bei der Bannbezirksbildung den Ausschlag gab und die Bauern vor das Gericht des Grundherrn zwang. Mehr und mehr Bauern gerieten so auch im 10. und 11. Jahrhundert in die Abhängigkeit der sich ausbreitenden Grundherrschaften, bis schließlich die meisten davon erfaßt waren.

Die Zeit vom 12. bis zum beginnenden 14. Jahrhundert ist unter grundherrlichem Aspekt entscheidend vom Zerfall des alten Villikationssystems geprägt. Seit dem 12. Jahrhundert begannen die Grundherren in vielen west- und mitteleuropäischen Gebieten nach und nach die Villikationen aufzulösen, so daß die alte Fronhofswirtschaft im Laufe des 13. Jahrhunderts im allgemeinen ihr Ende gefunden hat. Der Auflösungsprozeß vollzog sich in den einzelnen Räumen in unterschiedlichen Formen und mit ungleicher Geschwindigkeit und brachte schließlich die neuen Typen der jüngeren Grundherrschaft hervor. Im Innenbereich der Grundherrschaft ergab sich ein tiefgreifender Wandel, als die herrschaftliche Eigenwirtschaft auf den Fronhöfen beträchtlich zurückging. Durch diesen Vorgang wurden die bäuerlichen Frondienste teilweise entbehrlich und deswegen größtenteils in Geldrenten umgewandelt. Der Auflösungsprozeß führte insgesamt dazu, daß die wirtschaftliche Verflechtung von Herrenwirtschaft und Bauernwirtschaft stark verringert und die ökonomische Selbständigkeit der bäuerlichen Betriebe zunehmend vergrößert wurde. Viele bäuerliche Abgaben und Leistungen wurden außerdem genauer fixiert und die Rechte der Bauern am Leihgut verbessert.

Welche Ursachen führten zu dieser Auflösung der Villikationen und zu diesem tiefgreifenden Wandel der Grundherrschaft in der Epoche des Hochmittelalters? Das Villikationssystem entsprach in seiner Anlage vor allem den Bedingungen der frühmittelalterlichen Wirtschaft, die nur eine geringe Marktverflechtung aufwies. Als im frühen Hochmittelalter ein Aufschwung in Handel und Verkehr einsetzte, entfielen diese Rahmenbedingungen [↗ Handel]. Mit dem Aufblühen des Städtewesens beginnt im 11./12. Jahrhundert nicht nur in der allgemeinen Geschichte eine neue Epoche, sondern auch in der Agrarwirtschaft und im ländlichen Raum. Im Hochmittelalter muß nach W. Abel eine Zäsur gesetzt werden, die das Zeitalter der relativ autarken Hauswirtschaft vom Zeitalter der arbeitsteilig gegliederten Verkehrswirtschaft trennt. Durch die aufkommende Geldwirtschaft [↗ Geld] erhielt die Grundherrschaft eine neue Basis: Die Marktbeziehungen erweiterten sich und zwischen Stadt und Land bahnte sich eine Arbeitsteilung an, die jahrhundertelang fortbestand. In diesem Kontext verloren die Fronhöfe ihre frühere Bedeutung für die Versorgung der Haushalte der weltlichen und geistlichen Grundherren, da die Güter des alltäglichen Bedarfs jetzt günstiger von den aufblühenden Märkten und Städten bezogen werden konnten.

Neben diesen allgemeinen Gründen gab es auch spezielle Ursachen, die im Hochmittelalter den Zerfall der Villikationen und damit verbunden eine Reduzierung der grundherrschaftlichen Eigenwirtschaft bewirkten. Die Verwaltung der Fronhofsverbände mit ihrer komplizierten Rechts- und Wirtschaftsstruktur war relativ aufwendig und verlangte ein hohes Maß an Organisationsgeschick, um die Tätigkeit der Villikationsverwalter zu überwachen und zugleich ausreichend Überschüsse auf den Fronhöfen zu erwirtschaften. Die Fronhofsverwalter, die Meier und Keller, strebten im Zuge der neuen Aufbruchstendenz nach größerer Selbständigkeit und besserer sozialer Stellung. Sie entstammten der grundherrlichen familia und hatten sich allmählich zu einer Oberschicht innerhalb der Hofgenossenschaft verfestigt. In den Landschaften und Grundherrschaften, in denen das Fronhofsystem verbreitet war, trifft man im 12. und 13. Jahrhundert auf zahlreiche Beispiele für Fronhofsleiter, die zu Ministerialen oder Rittern aufgestiegen sind. Die starke Abneigung der Bauern gegen die Ableistung von Frondiensten war ein weiterer wichtiger Grund für den Zerfall der Fronhofsverfassung, wie die marxistische Forschung zu Recht betont hat.

Der Prozeß der Auflösung der Fronhofsverfassung vollzog sich in den einzelnen Regionen und Grundherrschaften nach unterschiedlichen Methoden, Zeitabläufen und Zielrichtungen. Bei diesen Vorgängen kann man im wesentlichen drei Hauptformen beobachten. Erstens fand ein Prozeß statt, bei dem die grundherrliche Eigenwirtschaft völlig aufgehoben wurde; der Fronhof wurde an einen einzigen Bauern verliehen, der den Hof gegen eine feste Zinsleistung oder zu Teilbaurecht bewirtschaftete. Bei einer zweiten Form wurde das Salland des Fronhofs auf mehrere selbständige Bauernstellen aufgeteilt, ohne daß ein Resthof zurückblieb. Eine dritte Variante bestand darin, daß das Salland des Fronhofs völlig parzelliert wurde. Neben diesen drei Hauptformen gab es in den einzelnen Landschaften West- und Mitteleuropas noch weitere Varianten der Auflösung des Sallandes und der Verpachtung der Höfe durch die Grundherren. Der Resthof blieb stellenweise auch Sitz des Grundherrn, der die Hofwirtschaft dann entweder selbst weiterführte oder durch einen Verwalter betreiben ließ. Für diese Herrenhöfe benutzten die Grundherren sowohl die Hilfe angeworbener Lohnarbeiter als auch in geringem Umfang bäuerliche Frondienste.

Zeitgleich mit der Auflösung der Villikationen bei den alten Grundherrschaften entstanden neue Typen von Grundherrschaften und neue Formen der Landbebauung bei den Reformklöstern, wie vor allem bei den Zisterziensern und Prämonstratensern. Anders als die alten Benediktinerabteien bewirtschafteten die Reformklöster ihre Grundbesitzungen besonders durch Höfe (grangiae, curiae), die sie selbst mit Hilfe von Laienbrüdern und weltlichen Lohnarbeitern betrieben. In England kam es im Hochmittelalter zu einer weiteren Sonderentwicklung im Agrarbereich. Anders als im hochmittelalterlichen Frankreich und Deutschland beobachtet man in England im 12. und 13. Jahrhundert keinen wesentlichen Rückgang der grundherrlichen Eigenwirtschaft und einen damit verbundenen Wandel im Fronhofsystem. Die englischen Grundherren nutzen den hochmittelalterlichen Aufschwung der Agrarwirtschaft dazu, die Domänenwirtschaft fortzuführen und die Überschüsse ihrer Herrenhöfe gewinnbringend auf den Märkten der aufblühenden Städte abzusetzen.

Im Unterschied zur hochmittelalterlichen Periode war die spätmittelalterliche Grundherrschaftsentwicklung entscheidend von einem starken Bevölkerungseinbruch und einem Ende des Landesausbaus geprägt, was nicht ohne Auswirkung auf die Agrarverfassung blieb. In den ostelbischen Gebieten kam es seit dem 15. Jahrhundert zu einer Verstärkung der bäuerlichen Abhängigkeit und zur allmählichen Herausbildung der Gutsherrschaft. In den altdeutschen und westeuropäischen Gebieten traten zwar keine solchen grundlegenden Wandlungen der Agrarstruktur wie im östlichen Mitteleuropa auf; doch waren auch hier wichtige Veränderungen festzustellen. Die Auswirkungen der Agrarkrise führten zum Beispiel im südwestdeutschen Raum zu einer Verstärkung der bäuerlichen Abhängigkeit.

WERNER RÖSENER

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