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Bistümer

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Althochdeutsch biscetuom (abgeleitet aus biscoftuom), mittelhochdeutsch bistuom, bezeichnet der Begriff den Tätigkeitsbereich eines Bischofs – allerdings setzte sich das Wort „Bistum“ erst in der Neuzeit durch. Vorher waren infolge der Präponderanz des Latein zwei latinisierte griechische Ausdrücke üblich: dioecesis und parochia (dioíkesis = Verwaltung, paroikía = Nachbarschaft, Gemeinde in der Fremde); von diesen verengte sich der zweite Begriff später auf den Teilbereich einer Diözese, auf die Pfarrei. Hinwiederum war seit der Spätantike eine Diözese Teil einer größeren Einheit, der (Kirchen-)Provinz (griechisch: eparchía), an deren Spitze der Metropolit (später: Erzbischof) stand. Auf den ersten Blick verwirrend, sind „Diözese“ und „Provinz“ zwar aus der seit Kaiser Diokletian üblichen Verwaltungseinteilung des Römischen Reiches übernommen, aber in der Gewichtung umgedreht; denn im weltlichen Bereich hatte eine Diözese eine größere Verwaltungseinheit gebildet, zu der mehrere Provinzen gehörten.

Obwohl das Christentum in den ersten Jahrhunderten vornehmlich eine auf die Städte konzentrierte Religion gewesen war und schon das Konzil von Nicäa (325) die Gliederung in Diözesen und Eparchien als existent vorausgesetzt hatte, darf keinesfalls davon ausgegangen werden, daß schon im 4. Jahrhundert im Römischen Reich jede Stadt nebst ihrem Distrikt eine von einem Bischof geleitete Diözese gewesen sei. Selbst in zentralen Gebieten, wie etwa in Italien, nahm im 5. Jahrhundert die Zahl der Diözesen noch zu. Andererseits war in Randgebieten, wie etwa Britannien und in den nordalpinen Reichsprovinzen, die Durchsetzung des Christentums noch so gering, daß längst nicht jeder Ort mit römischem Stadtrecht einen Bischof besessen haben dürfte. Und weil gerade in den meisten dieser Regionen seit dem 5. Jahrhundert infolge der Völkerwanderung neue Herrschaftsbereiche entstanden, deren Christianisierung erst seit dem 6. bis 8. Jahrhundert intensiviert worden ist, lassen sich dort Bischöfe mit Sitz in einer (oft eher dörflichen) „Stadt“ erst seit dem 7. oder 8. Jahrhundert feststellen. Ein weiteres kommt hinzu: Vor der Taufe des Frankenkönigs Chlodwig (496, 498, 508?) hatten sich alle germanischen Herrscher, sofern sie Christen waren, zur arianischen Glaubensrichtung bekannt mit daher arianischer Kirchenhierarchie; das dürfte längere Zeit die Weiterexistenz oder gar Neugründung „katholischer“ Diözesen in diesen Regionen zumindest erschwert haben. In Nordafrika, aber auch anderswo, hatte es vor den Germanenreichen noch weitere Probleme gegeben, so etwa das der Chorbischöfe (chóra = Land). Weil diese von meist kleineren Orten aus Christen betreuten, waren sie oft der Aufsicht der städtischen Episkopen entzogen und wurden daher von diesen bekämpft. Andere Probleme schuf die Existenz von Bischöfen von parallelen Kirchenorganisationen (etwa der Donatisten in Nordafrika oder von als häretisch verurteilten Glaubensrichtungen in Ägypten und Asien). Weitere Konkurrenzen erwuchsen den „katholischen“ Bistümern in der Spätantike wie auch im Mittelalter aus kirchlichen Schismen.

Was war nun ein Bischof? Wie für Rom schon beim Papsttum kurz beschrieben, hatte im 2. und frühen 3. Jahrhundert der „monarchische Episkopat“ die Leitung einer Gemeinde durch ein Kolleg von Presbytern abgelöst. Dabei war die Rechtfertigung der neuen Position des Episkopen anfangs unterschiedlich: Während die einen, zum Beispiel Ignatios von Antiochien, sich als direkt von Gott eingesetzt betrachteten, sahen sich andere, so etwa Cyprian von Karthago, als Nachfolger der Apostel Jesu. Obsiegen sollte die zweite Art der Legitimation. Daher wurde bei Konflikten zwischen Gemeinden immer häufiger die eigene und richtige Lehre mit der apostolischen Sukzession in der betreffenden Gemeinde abgesichert. Daraufhin setzte sich die Anschauung durch, die Bischöfe seien die Nachfolger der Apostel – eine Lehrtradition, die später (seit dem Spätmittelalter) zwar häufig zurückgedrängt worden ist, aber seit dem Vaticanum II wieder betont wird. Allerdings wurde das monarchische System selbst höchstens von Außenseitern angezweifelt; die ursprüngliche kollegiale Verfassung der Gemeinden erlebte nur außerhalb der katholischen Kirche einen neuen Frühling (etwa bei den Presbyterianern), von der Bedeutung anderer Gemeindemitglieder ganz zu schweigen.

Als Apostelnachfolger leitete der Bischof seine Gemeinde in allen Bereichen. Zu diesen gehörten die Aufnahme neuer Mitglieder durch die Taufe, die Feier der Liturgie, die Seelsorge, die karitative und administrative Sorge des Hirten für die ihm anvertraute Gemeinde, die Verkündung der rechten Lehre (mit der Kontrolle der in der Liturgie zu lesenden Schriften), die Kontrolle über den Kult (wichtig für die Verehrung lokaler und anderer Glaubenszeugen), der Ausschluß von Sündern aus der Gemeinde, die Gerichtsbarkeit in Fragen von Glauben und Sitte (bei kriminellen Klerikern gab es zeitweise Probleme), die Ordination von Klerikern in der Ortsgemeinde und von Bischöfen der gleichen Kirchenprovinz, die Weihe von Kirchen und deren Inventar (z.B. von Altären) [↗ Sakramente]. Wichtig ist dabei, daß vorerst sämtliche kirchliche Institutionen in einem Bistum, so die seit dem späten 4. Jahrhundert auch im lateinischen Westen sich herausbildenden Klostergemeinschaften, dem jeweiligen Bischof unterstanden. Exemtionen von Klöstern (also deren Befreiung von jeweils spezifizierten Verpflichtungen gegenüber dem Ortsbischof), wie sie in Ansätzen seit dem 7. Jahrhundert erkennbar sind (z.B. Bobbio) und seit dem 10. Jahrhundert (Cluny etc.) immer häufiger wurden, schwächten allmählich die Position der Bischöfe zugunsten der Eximierten und der für sie nun als „Schutzherren“ zuständigen Päpste. Erst recht verringerten seit dem 12. Jahrhundert „international“ strukturierte Klosterverbände (Zisterzienser etc.), noch mehr die dem Papst direkt unterstellten Bettelorden seit dem 13. Jahrhundert die umfassende Leitung von Diözesen durch den Bischof [↗ Religiosentum]. Gleichfalls zu einer Schwächung von dessen geistlicher Leitung führte ein anderes Phänomen: Schon Kaiser des 4. Jahrhunderts hatten die ranghöchsten Geistlichen, also vornehmlich Bischöfe größerer und daher wichtigerer Gemeinden, hohen weltlichen Würdenträgern in Bereichen von Jurisdiktion und Zeremoniell gleichgestellt. Kurz darauf bewirkten die Umbrüche infolge der Völkerwanderung, daß im Römischen Reich ebenso wie in den neuen germanischen Reichen (besonders nach deren Katholisierung) Bischöfe Aufgaben in der weltlichen Administration und Politik übernahmen. Daraufhin waren natürlich auch die Herrscher und Leiter der regionalen oder lokalen Verwaltung an der Besetzung für sie wichtiger Bistümer interessiert; andererseits waren schon seit dem 5./6. Jahrhundert Bischöfe häufig Angehörige in der Region wichtiger Familienverbände oder Geschöpfe des jeweiligen Herrschers. Natürlich sorgten auch andere Privilegierungen (Verleihung von Grafschaftsrechten etc.) und Güterschenkungen [↗ Königsherrschaft] dafür, daß die Besetzung politisch wichtiger und/oder wirtschaftlich prosperierender Bistümer zahlreiche Interessenten tangierte, immer häufiger zu zwiespältigen Wahlen (also zu Schismen) führte und damit Eingriffe durch Päpste als Schlichtungsinstanz bewirkte. Gerade dadurch gewann das Papsttum immer größeren Einfluß auf die Besetzung von Bistümern, bis schließlich seit dem späteren 13. Jahrhundert jeder Bischof (und Abt) die Nomination durch den Papst benötigte und diesem dafür „Servitien“ (ein Drittel des ersten Jahreseinkommens) zahlen mußte.

Anfangs hingegen wurde ein Bischof von seiner Gemeinde im Beisein anderer Bischöfe der Kirchenprovinz gewählt und anschließend von letzteren durch Handauflegung (später auch Salbung) in sein Amt eingesetzt („ordiniert“). Durch Wahl und Weihe galt er als mit seiner Ortskirche verheiratet. Diese Ehe galt als unauflöslich, so daß schon die Synode von Sardica (heute: Sofia, 343) den Wechsel zu einer anderen Diözese verbot und noch 996/97 die sogenannte Leichensynode in Rom den verstorbenen Papst Formosus als Leichnam degradierte und verbrannte, weil er vor Rom schon einer anderen Kirche vorgestanden hatte. Und auch wenn die Realität immer stärker dieser Vorstellung widersprach, wurde dennoch im Kirchenrecht fixiert, daß nur der Papst eine Translation und damit die Auflösung der bislang bestehenden geistlichen Ehe anordnen dürfe. Ebenso wurde im Kirchenrecht allmählich festgelegt, daß ein Bischof durch die Wahl alle administrativen und jurisdiktionellen Rechte erhalte, die sakramentalen hingegen erst durch seine Weihe („Konsekration“). Weil anfangs vor allem im deutschen Reich Bischöfe oft nur electi („Gewählte“) waren und blieben, entstand dort seit dem 13. Jahrhundert das Institut der Weihbischöfe, die statt des als Gewählter nichtberechtigten „Ordinarius“ (= Ortsbischof) Weihehandlungen vollzogen.

Ebenso wie der Bischof war auch der Klerus nur für die jeweilige Ortskirche ordiniert, für Funktionen außerhalb dieser benötigte er die Erlaubnis durch den zuständigen Hirten [↗ Klerus]. Wie in Rom gliederte er sich, soweit erkennbar, in die fünf niederen (Ostiarier, Lektor, Exorzist, Akolyth, Subdiakon) und die zwei höheren Grade (Diakon, Priester); die Zuordnung des Subdiakons zu den niederen oder höheren Weihegraden unterlag Schwankungen. Und im Unterschied zu Rom mußte zum Beispiel ein Priester in Spanien und Gallien, später in der gesamten lateinischen Kirche (also selbst in Rom), alle anderen sechs Grade vor der Weihe zum Priester nacheinander innegehabt haben. Alle Geistlichen einer Diözese mußten von ihrem Ortsbischof geweiht sein; ihm mußten sie Gehorsam schwören; wie bei den Klöstern gab es jedoch auch hier seit dem 11./12. Jahrhundert Exemtionen zugunsten des päpstlichen Weiherechtes [↗ Ordination].

Wie in Rom dominierten wohl auch in anderen Diözesen die Diakone die nach außen hin besonders wichtige Sozialfürsorge und Güterverwaltung, geleitet vom Archidiakon. Und je größer der Sprengel eines Bischofs war, desto mehr fungierte jener auch als Richter anstelle des Bischofs. Und weil seit der Karolingerzeit (durch die Herrscher, später auch durch den Papst) Bistümer gegründet wurden, die – trotz (oder wegen) relativ geringer Bevölkerung – geographisch ausgedehnter waren als die im früheren Römischen Reich, gab es dort mehrere Archidiakone für die jeweiligen Teilregionen. Die geographische Ausdehnung bewirkte zugleich auch die Landdekanate, in denen jeweils ein Dekan den Bischof in geistlichen Belangen vertrat. Dementsprechend waren Archidiakone und Dekane auf Synoden und bei deren Gericht („Sendgericht“) von besonderem Gewicht.

Wie der Diözesanklerus anfangs dem Bischof zugeordnet war, hing von der Größe und Struktur des jeweiligen Bistums ab; Versuche – wie die des hl. Augustinus in Hippo Regius –, seinen Klerus in monasteria geistlich und liturgisch zu leiten, dürfen nicht verallgemeinert werden. Während bei den Angelsachsen der wichtigere Teil des Diözesanklerus – teils von iroschottischen Einflüssen, teils von der Benediktregel geprägt – in Klöstern zusammenlebte, versuchte zum Beispiel im Karolingerreich Ludwig der Fromme durch eine Synodalbestimmung von 816 (Aachener Regel) zumindest, ein Zusammenleben des Domklerus zu erreichen. Daraus entstanden vor allem im 10./11. Jahrhundert die Domkapitel als Organ des um den Bischof zentrierten Teils des Diözesanklerus, mit dem zusammen sie gemeinsame Einkünfte genossen; in manchen neuen Kirchenprovinzen (z.B. Magdeburg) konnte im 12. Jahrhundert das Zusammenleben durch eine spezielle Form der auf Augustinus zurückgeführten Regel (Magdeburg: Prämonstratenser) verschärft werden [↗ Religiosentum]. Und analog zum Kardinalkolleg beim Papst errangen die Domkapitel das Exklusivrecht, den Bischof zu wählen, bis dieses 1215 vom 4. Laterankonzil als allgemeingültig vorausgesetzt wurde. Teilweise schon zuvor, erst recht im 13. Jahrhundert trennten sich organisatorisch und ökonomisch Bischof und Domkapitel (mensa episcopi – mensa capituli); und je öfter allmählich (aus meist politischen Gründen) Bischöfe außerhalb ihrer Bischofsstadt residieren mußten, desto mehr bestimmte in dieser das Domkapitel das kirchliche Leben. Daher stammten aus seiner Mitte oft auch die traditionellen Archidiakone und Dekane. Bis heute unterstehen die Kathedralen als Gebäude (fabrica) meist dem Domkapitel.

Als Gegengewicht zu diesem „Monopol“ entwickelte sich eine eigene bischöfliche Kurie, deren Mitglieder der Bischof selbst bestimmte: der schon erwähnte Weihbischof sowie der Generalvikar (als Vertreter des Bischofs in von diesem bestimmten Belangen), der vicedominus („Vitzthum“) für die weltliche Verwaltung und besonders der Offizial als Leiter des geistlichen Gerichts. Der seitdem bestehende Dualismus Bischof – Domkapitel überdauerte die Wandlungen seit der Napoleonischen Zeit und die Reformen des 20. Jahrhunderts.

BERNHARD SCHIMMELPFENNIG

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