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Lebensstände – Mann und Frau

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Dem Einfluß von Zeit und Kultur vermag sich wenig von Menschen Erdachtes oder von Menschenhand Erschaffenes zu entziehen, auch das Menschsein selbst bzw. das Frau- und Mannsein nicht. Wer immer sich im Verlauf der Jahrhunderte „theoretisch“ mit Fragen beschäftigte, die dieses Sein tangieren, wählte als Ausgangspunkt seiner Überlegungen die Differenz zwischen den Geschlechtern, eher selten die Gemeinsamkeiten zwischen Mann und Frau.

Was ein Mann oder was eine Frau ist, wurde in den unterschiedlichsten Texten und Kontexten diskutiert. Vir, meinte beispielsweise Augustinus, leite sich von virtus ab. Albrecht von Eyb (Von mannen) knüpfte daran an und erklärte, virtus bedeute in diesem Zusammenhang die Fähigkeit, fleischliche Begierde mannhaft zu unterdrücken. Männer sollten sich nicht weibischer zaigen mit wollusten/lindigkait/mit leichtuertigkait/mit vnsttikait/mit tragkait vnd missig geen/die dann die mnner weibisch machen. Mit dem, was die Theoriker beschäftigte, läßt und ließ sich in der Praxis spielen, nicht allein in der Unterhaltungsliteratur („Weiberlisten“), sondern auch im Alltag und vor Gericht. Anders als in der Theorie, die gerne mit Gegensätzen operiert und argumentiert, überwiegen in der Praxis meist auch fließende „Übergänge“. Es gibt weibliche Männer und männliche Frauen, ohne gleich Pantoffelhelden oder Xanthippen zu sein. Sowohl das Mannals auch das Frausein ist das Produkt eines langwierigen Lernprozesses, ein Teil der Sozialisation. Die Möglichkeit, seine „Geschlechtsidentität“ zu wechseln, unter anderem indem man sich die Kleider des anderen Geschlechts überstreift, ist aber gegeben. Dementsprechend praktiziert, debattiert und in Schüben sanktioniert (in Brügge, Dubrovnik, Florenz etc.) wurde auch die gleichgeschlechtliche Liebe, besonders die Homosexualität.

In der jüngeren Literatur ist gelegentlich davon zu lesen, die Geistlichkeit bilde ein „drittes Geschlecht“. Skepsis scheint jedoch geboten, nicht allein wegen der funktionalen Heterogenität eines Standes, dessen Aktivitäten sich nie im Beten erschöpften. Das Problem ist weniger die Zugehörigkeit zum einen oder zum anderen Geschlecht, sondern die „Fleischlichkeit“ bzw. die „Triebe“, zu deren Disziplinierung man ab und an zu sehr drastischen Methoden griff [↗ Klerus].

GABRIELA SIGNORI

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