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Frauenapologien

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Frauen seien nicht eitler als Männer, mahnt D. Owen Hughes und verweist auf die amtlichen Nachlaßinventare aus dem Rom der Renaissancezeit. Warum also, fragt die Autorin, wurde den Frauen trotzdem die Last der Mode aufgebürdet? Die Frage beschäftigt nicht erst die heutige Forschung; sie trieb auch manch einen Zeitgenossen um. Längst nicht alle Autoren nahmen die misogynen Auswürfe und Glossen ihrer Kollegen kommentarlos hin. Systematisch ausgewertet sind die älteren Schriften zu Frauengunsten allerdings noch nicht. Die Forschung setzt gewöhnlich mit Giovanni Boccaccios Katalog berühmter Frauen ein, obschon es gemäß Einleitung nicht seine Absicht war, die Frauen zu loben. Berühmtsein ist bis heute ja keine Frage der moralischen Qualitäten.

Einer der ältesten frauenapologetischen Traktate in deutscher Sprache ist die 16. Translatze des Eßlinger Stadtschreibers Niklas von Wyle. Wyle widmete sein Frauenlob (16. Translatze) der Landhofmeisterin Ursula von Absberg. Ursulas Gemahl habe er, erklärt er im Vorwort, eine Schrift geliehen, darinne etwas steet z vnlobe wyplichs geschlechtes. Darüber habe sich Ursula sehr geärgert und ihn gebeten, ihr einige Schriften zu schicken, die als vil die männer schelten tüg als vil die vorig schrifte die wyber. Ursulas Begehren wollte und konnte er nicht nachkommen. Denn solche Schriften gab es einfach nicht. Sie habe aber recht, räumt er ein; rechne man alles Arge und Böse zusammen, das vom Beginn der Menschheit bis zum heutigen Tag begangen worden sei, dann überträfe das männliche Geschlecht das weibliche bei weitem. Ja, für Wyle stand fest, daß allwegen gemainlich die frwen gaistlicher vnd andechtiger sint dann die manne.

Das argumentative Grundgerüst zu Wyles Frauenlob hatte vermutlich der Florentiner Gräzist Franciscus Philelphus entworfen (über den Verfasser ist sich die Forschung nicht einig). 1453, kurz nach dem Fall von Konstantinopel, hatte die Stadt Bologna auf Einwirken des Kardinals Johannes Bessarion ein Luxusgesetz erlassen, das sich speziell gegen den Kleideraufwand der Bologneserinnen richtete. Philelphus’ Schrift bzw. Rede wendet sich an den Urheber des Mandates, an Bessarion persönlich. Es spricht Nicolosa Sanuda, Senatorengattin von Bologna. Kleiderschmuck gereiche, so Philephus bzw. Nicolosa, nicht nur den Ehemännern zur Ehre; er stehe auch den Frauen zu. Zweifach ungerecht sei es, den Frauen vorzuenthalten, was den Männern erlaubt sei. Überdies berge die Geschichte, gemeint ist die alte Geschichte, genügend Anschauungsmaterial dafür, daß Frauen wohlbekleidet und heldenmütig und dennoch schamvoll und tugendhaft sein könnten. Philelphus’ Widersacher, Matthäus Bossus von Verona, antwortet mit einem Plädoyer für Demut und Bescheidenheit, das er, anders als seine „Vorrednerin“, mit weiblichem Personal aus der christlichen Antike bevölkert, allen voran den „Schülerinnen“ des Hieronymus.

Frauenapologetisches Schrifttum wird gewöhnlich mit dem Namen Christine de Pizan bzw. ihrer Stadt der Frauen assoziiert. Pizan fragte sich (S. 36), „welches der Grund, die Ursache dafür sein könnte, daß so viele und so verschiedene Männer, ganz gleich welchen Bildungsgrades, dazu neigten und immer noch neigen, in ihren Reden, Traktaten und Schriften derartig viele teuflische Scheußlichkeiten über Frauen und deren Lebensumstände zu verbreiten“. Sie forschte dann allerdings nicht nach den Ursachen, sondern sammelte fleißig Gegenbeispiele und Gegenstimmen. Darin unterscheidet sich ihr Werk auch grundsätzlich von Boccaccio. In Anlehnung an Augustinus’ Gottesstadt verlieh sie dem Endprodukt den verheißungsvollen Titel Le livre de la cité des dames.

Zusammen mit Jean Gerson, dem Kirchenreformer und zeitweiligen Kanzler der Pariser Universität, gilt Christine de Pizan als Begründerin der „Querelles des dames“. Die „Querelle“, wie die Literaten den Streit um den Rosenroman seit Mitte des 15. Jahrhunderts zu bezeichnen pflegen, hatte weitere Kreise gezogen, als gemeinhin vermutet. Gerson übertrug die Argumente im übrigen auch auf die bildende Kunst. Debattiert wurde das Problem auch nicht nur in Traktatform, sondern auch bzw. vor allem in der Dichtung, in Deutschland ebenso engagiert wie in Frankreich und Italien. Davon zeugt unter anderem das 1471 vollendete Liederbuch der Klara Hätzlerlin. Programmatisch plazierte Klara das Gedicht mit dem Titel Das nyemands frawen vbel red als Prolog zum zweiten Teil ihres Liederbuches, ein Auftragswerk für den Augsburger Kaufmann Jörg Roggenburg. Andere Kopisten reihten dasselbe Gedicht unter die Liebesgedichte ein. Das Besondere sei, meint B. Wachinger, daß es „nicht nur innerhalb der Normen und Topoi der Minnetradition“ stehe [↗ Minne], sondern sich auch auf geistliche Traditionen beziehe. Es beginnt mit dem Schöpfungsbericht: Was gott zu fräden ye erdacht, das hatt er wunneclich volpracht an rainen fäligen weiben. Nur dem, der die Frauen ehre, verhießen Christus und Maria Gnade und Hilfe. Nach Wachinger seien frauenfreundliche Äußerungen dieser Art in der meisterlichen Sangspruchdichtung weitverbreitet. Hier aber werde klar, daß es sich um Liebe einschließlich der Liebeserhörung handle [↗ Liebe, Freundschaft]. Selbst die Sünde der Juden werde damit in Verbindung gebracht, daß sie als claffer einer Frau Böses nachgesagt hätten. Mit dem Wunsch, Gott geb den frawen alles gelück, endet das bemerkenswerte Lehrstück.

GABRIELA SIGNORI

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