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Bettler

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Die Gestalt des Bettlers weist auf die große Armut hin, die der mittelalterlichen Gesellschaft, einer agrarischen Gesellschaft, inhärent war. Diese strukturelle Armut, welche sich etwa in dem Anwachsen klein- und unterbäuerlicher Schichten, erkennbar seit dem 12./13. Jahrhundert, erweist, wurde immer wieder durch Hungersnöte, Epidemien und Viehseuchen verstärkt [↗ Bauerntum]. Insofern kann der Bettler nur bedingt als eine fest umrissene soziale Figur verstanden werden; betteln ist vielmehr im umfassenden Sinne als ein Hilfesuchen zu verstehen, das in Notzeiten sogar Angehörigen der Mittelschicht auferlegt ist. Im Winter mußten viele Menschen, die ansonsten im Taglohn oder mit Hilfsarbeiten ihr Auskommen fristeten, betteln gehen. Vereinfacht: Betteln ist Zusatzerwerb armer Leute, weswegen im 15. Jahrhundert in manchen Städten Bettler auch besteuert werden konnten.

Bettel heißt im Mittelalter zumeist „um Brot gehen“. Vor allem Naturalien werden von mildtätigen Nachbarn gereicht. Nicht auf den Bettel, sondern auf die große Armut antwortet der Almosengedanke. In vielen Stiftungen findet dieser Gedanke seine Rechtsgestalt, in Stiftungen, aus denen zu bestimmten Terminen den Armen Nahrungsmittel, Textilien oder Schuhe gereicht werden sollten. Die Spannweite dieser Stiftungen verdeutlichen die Seelbäder: Legate, von deren Erträgnissen zu bestimmten Zeiten den Armen kostenloser Eintritt in die städtische Badstube gewährt werden sollte. Die Bezeichnung erklärt, worum es bei diesen Almosenstiftungen letztlich geht, nämlich um das Seelgedächtnis des Stifters; dessen Seelenheil und nicht die Not des Armen steht im Mittelpunkt. Eine Antwort auf das Armutsproblem bilden all diese Stiftungen nicht, wie überhaupt im Mittelalter allein in Island in der Siedlungsgemeinschaft der „hreppr“ eine überzeugende Lösung der Armenversorgung als Gemeindepflicht gefunden worden war.

Obwohl das Seelenheil des Stifters bei den Almosenstiftungen im Mittelpunkt steht, wäre es verfehlt, diese Stiftungen nur als Ausdruck der sogenannten Werkgerechtigkeit zu sehen. Sie repräsentieren vielmehr auch ein Erbarmen, das dem Alltag der Almosengabe zugrunde liegt, ein Erbarmen, das in der kirchlichen Lehre von dem Almosen des Herzens, der menschlichen Hinwendung zum Bedürftigen, enthalten ist. Ohne das alltägliche Erbarmen, die milden Gaben von Tag zu Tag, hätten die Bettler gar nicht überleben können [↗ Nachfolge Christi].

Die religiöse Verdienstlichkeit der Armut, welche die Kirche immer wieder betonte, fand seit dem 13. Jahrhundert in den Bettelorden ihre monastische Gestalt [↗ Religiosentum]. Diese Orden wurden von den weltlichen Bettlern und armen Leuten keineswegs als Konkurrenz auf dem Almosenmarkt verstanden, sondern im Gegenteil als Hilfeleistung. Das Betteln wurde über die Niederlassungen der Mendikanten in den Städten als Bestandteil des religiösen Alltags sanktioniert. Deswegen waren die entsprechenden Klöster auch von Bettlerscharen umlagert.

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