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Frauen – ihre kulturellen Praktiken und Religiosität

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Das Leben einer Frau, egal in welchen Kreisen bzw. Schichten wir uns bewegen, beschränkt sich selbstverständlich weder auf Kleidung, Rechtsfragen noch auf Arbeit und Rentenkäufe. Im Gegenteil: Es gibt kaum einen kulturellen Bereich, in dem Frauen nicht auf die eine oder andere Art mitwirkten. Selbst in Männerklöstern begegnen wir ihnen, wenngleich vorzugsweise als Köchinnen oder Wäscherinnen und nur da, wo es die Regel erlaubt. Ihre kulturellen Aktivitäten als Kopistin, Illuminatorin, Autorin oder Mäzenin auszubreiten, dafür fehlt hier der nötige Platz. Der Frau als Autorin haben sich unter anderen P. Dronke und A. Classen gewidmet, während die französiche und anglo-amerikanische Forschung ihren Blick neuerdings auf die lesende Frau richtet. Von der im 15. Jahrhundert wachsenden „Alphabetisierung“ (der Begriff ist an sich zu modern) von Stadt und Land profitierten schichtenübergreifend beide Geschlechter. In vielen Städten sind Mädchenschulen und Lehrmeisterinnen bezeugt, die das nötige Grundwissen vermittelten. Auch viele observante, vor allem aber nicht-observante Frauenklöster bewahrten bis zum Ausgang des Mittelalters ihre Funktion als Bildungs- und Erziehungsstätten. Noch Luther lobt in seiner Rede An den christlichen Adel deutscher Nation (Kap. 13): „Denn was sind Stifte und Klöster anders gewesen denn christliche Schulen, darinnen man lehrte Schrift und Zucht nach christlicher Weise und Leute auferzog, zu regieren und zu predigen. Wie wir lesen, daß Sankt Agnes in die Schule ging, und noch sehen in etlichen Frauenklöstern wie zu Quedlinburg und dergleichen.“ Allein den observanten Frauenklöstern blieb es untersagt, Mädchen zur Erziehung und Ausbildung bei sich aufzunehmen.

Manch kulturelle Aktivitäten von Frauen sind für das spätmittelalterliche Burgund, England, Frankreich oder Norditalien derzeit noch besser erforscht als für Deutschland oder die Eidgenossenschaft. Das betrifft unter anderem das weibliche Mäzenatentum, klammern wir die „Ausnahmefrau“ Mechthild von der Pfalz einmal aus. Kulturelle Zentren bildeten indessen nicht allein der Hof, sondern auch die Stadt sowie Kloster und Stift, ja, gelegentlich sogar Dorfkirchen, deren Bau im ausgehenden 15. Jahrhundert „boomte“. Überall konnten sich die Frauen einbringen und ihren Lebensraum aktiv mitgestalten. Es kommt bloß darauf an, wie eng oder wie weit man den Begriff „Kultur“ faßt.

Kultur schließlich umfaßt nicht nur das geschriebene Wort, sondern auch Gewirktes und Gesticktes. Weben und Sticken, lehren entsprechende Mariendarstellungen, waren Teil der Mädchenerziehung, im Kloster auch ein Gottesdienst. Teppiche, sogenanntes Heidnischwerk, schmückten Sakral- und Herrscherräume, genauso wie spätmittelalterliche Bürgerhäuser, wenngleich mit unterschiedlichen Themen und Motiven. Produziert wurden die Teppiche sowohl im Kloster als auch in städtischen Werkstätten, u.a. am Oberrhein und in Flandern.

Das Themenfeld „Frau und Religion“ ist hier in verschiedenen Zusammenhängen schon kurz gestreift worden [↗ Religiosentum]. Es reicht von den Diskussionen über die Reinheitsgebote des Leviticus bis zu spätmittelalterlichen Synodalbeschlüssen, die den Frauen in erstaunlicher Regelmäßigkeit untersagen, dem Priester zu ministrieren, von den verschiedenen religiosen und semireligiosen Lebensformen bis hin zur Häresie, darunter „Sekten“, die die Ansicht vertraten, der Heilige Geist sei eine Frau. Die Literatur läßt sich kaum mehr überblicken. Das betrifft in erster Linie die Literatur zur spätmittelalterlichen Frauenmystik, nicht aber die verschiedenen Formen des Religiosen- und Semireligiosentums der Zeit. Anders als in England hat auch das religiöse Engagement der Frauen auf Gemeindeebene in Deutschland bislang wenig Beachtung gefunden. Das gilt generell für das Gemeindeleben, wie Robert Jütte schon 1991 krisitiert hat.

GABRIELA SIGNORI

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