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Handwerker

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Die Bewertung von Status und Rang des Handwerks in der mittelalterlichen Gesellschaft unterlag einem bemerkenswerten Wandlungsprozeß und wies unterschiedliche Akzentuierungen auf [↗ Handwerk]. Das kirchliche Modell von den drei Ständen der oratores (Klerus), bellatores (Rittertum/Adel) und laboratores (Gewerbetreibende in Stadt und Land), wie es von Adalbero von Laon im 11. Jahrhundert formuliert worden ist, zeigte bei allen Modifikationen der Folgezeit eine große Beharrlichkeit und Wirksamkeit [↗ Gesellschaft]. Mit Honorius Augustodunensis kam seit dem Beginn des 12. Jahrhunderts erneut eine Diskussion der artes mechanicae [↗ Theorie der Technik] auf, welche von Hugo von St. Viktor (um 1130) in seinem Didascalicon aufgegriffen und fortgeführt wurde. Dominicus Gundissalinus (um 1150) wertete das Handwerk durch die Anbindung an die hellenistische Tradition der mechanikaì téchnai, also der mechanischen Künste und Innovationen, auf, bewirkte vorerst jedoch keine grundlegenden Veränderungen in der Bewertung. Vielmehr blieb die negative Einschätzung des Handwerks als manuelle Tätigkeit (factio), der zudem noch ein nachgeordneter, serviler Charakter zugeschrieben wurde, im wesentlichen erhalten (Albertus Magnus, Thomas von Aquin). Erst mit der Renaissance erfuhr dieses Bild eine weitgehende Korrektur im Sinne der Hochschätzung und Vermittlung theoretischer und mathematischtechnischer Fähigkeiten (Leon Battista Alberti, Leonardo da Vinci, Michelangelo Buonarroti – Albrecht Dürer, Georgius Agricola).

Für die praktische Hochschätzung spezialisierter handwerklicher Tätigkeiten in der klösterlich-kirchlichen Welt gibt es seit dem 11. Jahrhundert neben der Bewunderung kunstvoller Erzeugnisse oder den anschaulichen Schilderungen in der Vita Bernwards von Hildesheim (Thangmar) als erste herausragende Leistung das Werk des Theophilus Presbyter, der mit seiner Schrift Schedula diversarum artium vor allem eine Einweisung in die Techniken der verschiedenen Kunsthandwerke vorlegte. An seine Seite zu stellen sind für den Bereich von Architektur und Kirchenbau die als Musterbuch zu bezeichnenden Skizzenblätter des Villard de Honnecourt von ca. 1220/30 [↗ Bautechnik].

Neuerungen werden in dieser Zeit auch im Zisterzienserorden sichtbar, der durch Spezialisierung und Innovation im technisch-handwerklichen Bereich, insbesondere vermittelt durch die Laienbrüder, auf sich aufmerksam machte. Dieses Auseinanderklaffen zwischen der allgemeineren Einordnung des Handwerks und der tatsächlich eingetretenen gesellschaftlichen Bedeutung wird anschaulich ablesbar an der Beobachtung Ottos von Freising in seinen Gesta Friderici, daß in den selbstbewußten italienischen Stadtkommunen die Handwerker eine einflußreiche und anerkannte, bis hin zur Ritterwürde führende Position erlangt hätten, während die übrigen Völker jene verachten und „von den ehrenvolleren und freieren Beschäftigungen tamquam pestem ausschließen“ würden. Allerdings erfolgte mit der Etablierung und Verfestigung einer städtischen Führungsschicht vielfach wiederum eine Abwertung der Handwerker, die nicht selten innerstädtische Konflikte heraufbeschwor und bald eine Umgestaltung der Gesellschafts- und Verfassungsstruktur zugunsten der Zünfte bedingte (vgl. Fritsche Closener zu Straßburg 1332/34) [↗ Stadtregiment]. Die gesellschaftliche Anerkennung und politische Mitwirkung der Zünfte in der spätmittelalterlichen Stadt führte zu recht unterschiedlichen Ergebnissen und reichte von der voll ausgeprägten Zunftverfassung über begrenzte Mitbestimmungsrechte bis hin zum rein patrizischen Ratsregiment ohne direkte Einflußnahme der Handwerker.

Mit der Auflösung älterer grundherrschaftlicher Strukturen („Villikation“) und freier bäuerlicher Siedlung entstand seit dem 12. Jahrhundert auch klarer erkennbar ein selbständiges Dorfhandwerk, das vor allem die Gewerbe des Müllers, Bäckers und Schmieds umfaßte, zu denen oft noch die des Metzgers/Fleischers, Zimmermanns, Wagners/Stell- und Radmachers sowie des Schuhmachers, Schneiders, Böttchers/ Küfers und Hafners/Töpfers hinzukamen. Da es meist nur je einen Vertreter dieser Berufe im Dorf gab, wurden diese Handwerksbezeichnungen zu den gebräuchlichsten Familiennamen. Im Zuge des Aufbaus von Gewerberevieren und der Ausbreitung des Verlagswesens erfolgte auch eine Expansion des städtischen Gewerbes und vor allem des Kapitals auf das Land, besonders im Tuch- und später im Metallgewerbe. Stärker wirkte in der Regel jedoch die städtische Abgrenzungspolitik über das Instrument der Bannmeile und der Nichtanerkennung bzw. der Diffamierung handwerklicher Ausbildung auf dem Land, was seit dem Ende des Mittelalters das Problem der Pfuscher, Störer und Bönhasen am Rande der Städte aufkommen ließ bzw. verstärkte.

KNUT SCHULZ

Enzyklopädie des Mittelalters

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