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PERE UBUThe Modern Dance [Blank Records, 1978] Jana Sotzko

Es ist 1975: Die zerstörerische Energie von Clevelands Protopunks Rocket From The Tombs richtet sich nach nur einem Jahr endgültig nach innen und führt zur Auflösung der Band. Das auf ein paar Live-Aufnahmen und Demos beschränkte musikalische Vermächtnis wird auf die Nachfolgebands Dead Boys und Pere Ubu aufgeteilt. Letztere bildet sich um die RFTT-Mitglieder David Thomas und Peter Laughner und verfolgt seither in wechselnder Besetzung (mit David Thomas als einziger Konstante) eine Mission: »Another album. Another tour. Another album. Another tour. Another album. Another tour« und so weiter. Die Ästhetik des für immer Unaufgelösten und Getriebenen lässt sich leicht auf Pere Ubus Musik übertragen, für die Umschreibungen wie Art-Punk oder Avantgarde-Rock nur bedingt taugen. Ohne Hooklines, nicht wirklich tanz- und mitsingbar, sperrig und selbstreferentiell kommen die Songs daher. Die Gruppe verweigerte sich so konsequent jedem Hauch von Gefälligkeit, dass sie heute zwar als Klassiker gilt, aber zugleich auch ein ewiges Nischendasein führt. Zu sperrig, zu schlecht gelaunt, zu unsexy: Pere Ubu verkörpern wie kaum eine andere Band ihrer Generation eine ungeschönte, autoaggressive Seite von Punk, die sich eher als Lebenseinstellung und weniger als musikalischer Stil manifestiert. Das heißt allerdings auch, dass David Thomas nach 40 Jahren auf der Bühne seine Texte auf einem Stuhl sitzend und von Blättern ablesend vortragen muss, weil der Körper keine andere Form der Performance mehr zulässt. Dass einem dafür keiner eine Kredibilitäts-Medaille umhängt − auch egal! »Everything I’ve done has been a failure«, sagt Thomas selbst. »RFTT was always doomed. Everything from Cleveland was doomed. RFTT is totally inconsequential and irrelevant. Pere Ubu is totally inconsequential and irrelevant.« Das bringt den aggressiven Pessimismus Pere Ubus zwar aber auf den Punkt, ist aber natürlich maßlos über- bzw. untertrieben. Vor allem die einflussreichen ersten Alben The Modern Dance und Dub Housing (beide 1978) klingen heute noch aufregend und unverwechselbar. Die ersten Sekunden des Debüts The Modern Dance sind die hochfrequent fiepende Einführung in eine Ästhetik der Widerborstigkeit. Im Verlauf der zehn Songs auf dem Album schälen sich dann die charakteristischen Elemente der Band heraus. Das klassische Rock-Instrumentarium Gitarre, Bass und Schlagzeug wird um Synthesizer, Theremin, Samples und allerlei andere Klangquellen erweitert. Herausstechendes Merkmal ist David Thomas’ Gesang, der zugleich zittrig-hoch und murmelnd klingen kann und die enigmatischen Texte den wuchtigen, sehr basslastigen Kompositionen geradezu ausliefert. So wimmert und keift Thomas sich durch zehn Kapitel eines in sich geschlossenen Kunstwerks. Sein Gesang erscheint physisch und geradezu intim, dennoch bleiben die vielen lyrischen Ichs stets distanziert und unergründlich. Beißender Sarkasmus und dadaistische Lautmalereien gehören zu den Stilmitteln in Thomas’ Narrativen, die sie von der verabscheuten gefühligen Disposition vieler Poptexte abgrenzen: »I find the singer-songwriter confessional crap truly irritating. What do I care what you think about something? I don’t care about your [spits] feelings. I want ideas. I want to see how things look.« Pere Ubu waren so auch textlich von Anfang an ästhetisch näher am absurden Theater des namensgebenden Stücks König Ubu (Alfred Jarry, 1896 uraufgeführt) als bei gängigeren Rock- und Punkmusik-Themen von Realpolitik bis Liebe. Der Song »Sentimental Journey« ist beispielhaft für diese Verweigerung von Lesbarkeit: »Window [Mumble.] Out. Nice, nice, nice. Someone says to me. [Mumble.] Unh-hunh. Nope. Nope. Unh-hunh. Yeah.« In Verbindung (und Reibung) mit Thomas’ expressiver Stimme, seiner granteligen Attitüde und der rohen Dynamik der Instrumente werden die Texte zu einem gleichwertigen Element der Live-Performance. Auch bei ihren Konzerten sind Pere Ubu eine unvorhersehbare und konfrontative Angelegenheit. In Berlin spielt die Band gefühlt immer im Quasimodo, einer traditionsreichen Jazz- und Rock-Bar in Charlottenburg, in der ich seit 2008 genau dreimal war: wenn Pere Ubu dort auftraten. Auch das gehört vielleicht zur Beständigkeit der Unangepasstheit − man kann dieser eigenwilligen Band jedenfalls nicht vorwerfen, sie würde ihre Sache nicht durchziehen. Another album. Another tour. Another album. Another tour. Another album. Another tour.

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