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THE JAMAll Mod Cons [Polydor, 1978] Olaf Karnik

»All Mod Cons« oder »All Mods Con«? − eine nichtige Frage, die 1978/79 kurz die Musikpresse beschäftigte. Inhaltlich läuft es aufs Gleiche hinaus: dass Mods einem was vormachen bzw. alles Mod-Schwindel. Was bei mir als Teenager, der gerade die Sex Pistols und die anschließende Tabula rasa verdaut hatte, rüberkam, war: »All Mods con Punk«. Von Mods hatte ich im Zusammenhang mit The Who schon gehört, außerdem kam gerade Quadrophenia ins Kino. Mods waren cool. In welchem Verhältnis sie tatsächlich zum Punk standen, spielte keine Rolle. Sie waren eine dissidente Subkultur, die ihr eigenes Ding machte und Haltung zeigte − gut so. Und natürlich sahen die drei von The Jam auf dem LP-Cover genau so aus, wie man sich von Punk angefixte Mods vorstellte: stylische Klamotten und smarter Haircut, aber ein entschlossener, rotzfrecher Blick in die Kamera: irgendein Problem?

Nein. Willkommen im Club der geilen Musik! Anderthalb Jahre zuvor bestand die noch aus einem diffusen Menü aus Bowie und Springsteen, ELO, Eagles und Wings, Kraftwerk, Klaus Schulze und Pink Floyd sowie diversen Sixties-Acts (damals waren die 1960er-Jahre noch keine zehn Jahre vorbei, auch wenn es einem wie eine ferne Epoche vorkam!), nun fast ausschließlich aus Punk, New Wave, Reggae, Can und dem Berlin Sound von Bowie und Iggy. Das Tolle an The Jam war, dass sie einen wieder mit einer Ära versöhnten, deren endgültiges Ende noch kurz vorher von Punk besiegelt worden war. Jetzt durften also wieder The Who, die Small Faces, vor allem aber die Kinks auf den Plattenteller. »David Watts«, das zuerst gar nicht als Kinks-Cover erkannt wurde, weil es so gut zu den anderen Weller-Songs des Albums passte, deutete dann auch in eine andere Richtung als bis dato beliebte Kinks-Klopper wie »You Really Got Me«, »Lola« oder »Death of a Clown«.

Stichwort: Englishness. Darin standen The Jam den Kinks um nichts nach − explizit im »hidden« Album-Track »English Rose«, implizit in all den Working- Class-Milieu-Studien und verächtlichen Middle-Class-Bashings, die sich in Songs wie »Mr. Clean«, »Billy Hunt« oder »The Place I Love« finden. Bei aller international-klassenkämpferischen Attitüde von The Jam gab es immer eine Identifikation mit britischer (Multi-)Kultur, zu der afternoon tea und Pop, Solidarität und sozialer Realismus, Curry Chicken und booze, Pop und Modernismus für alle zählten. Wenn The Jam also den Union Jack als Symbol aktualisierten, dann im Sinne der Mods und im Kontext von old labour, sprich: in einer Zeit, als es »so was wie Gesellschaft« tatsächlich noch gab. Es sollte nur ein Jahr dauern, bis sich Maggie Thatcher daran machte, sie sukzessive abzuschaffen und durch Neoliberalismus und Individualismus zu ersetzen. Jedenfalls standen The Jam in ihrer besten Zeit, zwischen 1978 und 1981, wie kaum eine andere Band für »das Gute«: Sie hatten tolle Songs und Working-Class-Ethos, standen für Politik statt Zerstörung und verkörperten gesunde Härte mit Seele. The Jam waren common sense. Meine ersten London-Besuche 1979/80 waren dann vor allem auch Jam-Zeiten. Man befand sich in direkter Zeitgenossenschaft mit all den Charts-Toppern der Band. Ernsthafte Konkurrenz bekamen sie nur durch die zudem noch multi-ethnisch besetzten Specials mit ihrem für junge Ohren völlig neuem Two Tone Ska.

Obwohl All Mod Cons einen Haufen guter Songs enthält − neben dem utopischen »The Place I Love« vor allem das Massenkultur-kritische »In the Crowd« samt psychedelischen »Rückwärts-Gitarren« am Ende − waren The Jam natürlich vor allem eine Singles-Band. Eine ihrer besten − »Down in the Tube Station at Midnight« − findet sich hier als letztes Stück. Rhythmisierte Zug-Geräusche prägen die Struktur und Dramaturgie des Songs, der einen seltenen Moment im Postpunk markiert: die epische Prog-Haftigkeit britischer Pop- und Rockmusik der mittleren 1970er-Jahre feiert hier noch mal ein kleines Revival.

All Mod Cons war nicht nur der Startschuss für den kommerziellen Höhenflug von The Jam. Das Album deutete auch musikalische Öffnung und den Willen zur stetigen Weiterentwicklung an − sei es auch als halber Streifzug durch die popmusikalische Vergangenheit. So führte der Weg von The Jam vom Who- und Kinks- Epigonismus über leicht proggige, neo-psychedelische Pfade und Mittsechziger-Beatles-Referenzen bis zum Proto-Soul der finalen Phase. Folgerichtig orientierte sich ein zum »Capuccino Kid« mutierter Paul Weller mit seinem neuen Projekt The Style Council in den 1980er-Jahren an noch mehr Soul, Funk, Style und Slickness.

Unbehelligt vom Endzeit-Schock des Punk ging es bei The Jam tatsächlich weiter. Nachhaltig wirkte dabei vor allem der Rekurs auf Soul, der in Deutschland bis dato verpönt war. Auch wenn hier und heute in erster Linie Dexy’s Midnight Runners als Vorreiter des großen Soul-Revivals in den 1980er-Jahren angesehen werden, waren es The Jam, die die Flamme entzündet haben. Nicht nur, weil schon auf dem Innencover von All Mod Cons eine alte Tamla Motown-Single das Tableau der Mod-Devotionalien ziert …

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