Читать книгу Damaged Goods - Группа авторов - Страница 33

Оглавление
SIOUXSIE & THE BANSHEESThe Scream [Polydor, 1978] Oliver Tepel

Wann war es vorbei? Während eines öffentlichen Gesprächs anlässlich einer Ausstellung in München meinte Linder Sterling (die dort unter anderem ihre Collage für das Cover der Buzzcocks-Single »Orgasm Addict« zeigte, der Auftakt ihrer High Art Karriere, zig Jahre nach ihren beeindrucken Platten mit Ludus), dass es vorbei war, als das erste Kid »Punk’s not dead« an eine Wand sprühte. War das möglicherweise auch schon 1978, just als Manager Nils Stevenson ebensolche Kids (oder doch den Bandroadie) beauftragte, die Gebäude der Plattenfirmen mit »Sign the Banshees!«-Graffitis zu schmücken?

Die Diskussion lebt noch heute. Irgendwas darf da nicht zuende gehen. Während sich die Hippies noch vor 1968 selbst beerdigten (»Death of Hippie«) und ihre vermeintlich jahrzehntelange finstere Hegemonie 1978 wirklich vorbei war, während House nie wieder so wurde, wie vor Acid 1988, und Disco gar sterben sollte, musste Punk seine Reise in die Zentren und dann bald Kleinstädte der Popwelt unbeschadet überdauern. »Punk ist ja eine Haltung!«, sagt man. Niemand wusste dies besser als die Banshees. Wir sehen Siouxsie Sioux und Steven Severin auf den Photos des Bromley Contingents 1976, jene Typen, die heute immer noch futuristisch und cool erscheinen − weil sie es waren! Die beiden schienen auserkoren, den Punk-Traum auf seine vielleicht ehrlichste Weise zu leben. Dabei war es nach Siouxsies Ansicht bereits vorbei, als Punk, nach dem Bromley-Eklat in der Bill Grundy Show, die Titelseiten der Dailys zierte − Dezember 1976, keine drei Monate nach ihrem ersten Auftritt. Den absolvierten sie am 20. September mit Sid Vicious an den Drums auf der Bühne des ersten Punk-Festivals im Londoner 100 Club und kreierten eine Legende mit einer endlosen, natürlich nur ein Mal geprobten Version von »The Lords Prayer«. Doch während der eine ging, um zu sterben, entdeckten Sioux und Severin in der Freiheit des Moments etwas Rares: Talent. Unter all denen, die im »Das kannst auch Du«-Gestus auszogen, erwiesen sie sich als die Lennon/McCartney der Bewegung. Schon ihre frühen Songs (versammelt auf Once upon a Time − The Singles) bezeugen dies. Der verspielte Pop-Hit »Hongkong Garden«, die tosende Dunkelheit von »The Staircase Mystery«, die kalte Eleganz in »Mirage« und dann »Playground Twist« mit seinem − ja, mit seinem … Jon Savage, der keine Gelegenheit ausließ, die Stranglers wegen ihrer Machismen aus der Punk-Geschichte zu verbannen, belässt es in selbiger (England’s Dreaming) bei Severins Bemerkung: »that line«. Doch »too many Jews for my liking« war etwas anderes als Siouxsies Posing mit Swastika-Armbinde. Keine blinde Provokation um ihrer selbst Willen. Als es zu Diskussionen kam, meinte man gar, die Wogen mit dem Verweis glätten zu können, »Jews« lediglich als Synonym für die Manager der Plattenfirma gebraucht zu haben − ein Paradebeispiel für antisemitisches Denken. Gleichwohl sich seiner selbst nicht bewusst, fern überzeugter Ideologie. Als Skinheads zu den Konzerten kommen, trägt Siouxsie bald den Davidstern. Aber da bleibt eine offene Stelle, Grund genug für Streit, doch keine Hoffnung auf Einlenken, eher auf ein »Fuck off!«, so waren die Banshees. (Dass sie 1983 drei Nächte hintereinander im Kolnoadan Club in Tel Aviv spielten, sollte erwähnt sein.)

Der Titel von Achille Bonito Olivas Buch über den Manierismus, Die Ideologie des Verräters, beschreibt ziemlich gut die Haltung der Band. Der monolithische, von Cymbals befreite Beat und die kühle Angst der Gitarre ihres Debüt-Albums The Scream macht Punk 1978 zum Ding von Gestern. Siouxies Gesangsstil, der bis heute inspiriert, lässt Hans Keller in der Sounds jubeln, dass endlich eine Punk-Sängerin nicht nach Patti Smith klinge. An Album zwei zerbrach die Band, die als zu intellektuell und unprofessionell erachtete Hälfte stieg mitten während einer Tour aus. In der Folge stieß mit Ex-Slits-Drummer Budgie das letzte Kernmitglied dazu. Das dritte Werk Kaleidoscope bringt sie 1980 gar in die Nähe der New Romantics, ebenso aggressive Verräter der reinen Lehre. Aus den Nebelschwaden und tribalistischen Drums der folgenden LP Juju erwächst ein Trademark der aufkommenden Gothic-Bewegung. Ihr bleiben sie zum Verdruss insbesondere der deutschen Presse treu, selbst wenn sie bald eine Jugendstil-Psychedelik entwerfen, in deren dunkelrotem Licht sie auf A Kiss in the Dreamhouse unentwegt die Gestalt verändern. Dann wird der Sound bombastischer, große gotische Hymnen folgen und werden erst 1988, im HipHop-Beat vom Peek-a-Boo aufgelöst. Wer schreibt noch über sie?

Ihnen schien es egal. Die Stiff Upper Lip der Verletzen, der Triumph der Diven, die sich nicht entschuldigen, vielleicht war dies, was von jener Idee des Punk blieb, welche die Verbrüderungsgesten des Working-Class-Punks ebenso ablehnte, wie die intellektuellen Diskurse der Rough Trade-Szene. Es war die Ehrlichkeit des Verräters, der den Verrat üben muss, eine »Wir gegen die«-Haltung, die nicht selten das Bandgefüge selbst attackierte. Aber ihr Erfolg währte länger als der anderer, vom Punk der ersten Tage initiierter Bandprojekte. Doch als sie zeitgleich zur Ankündigung der Sex-Pistols-Reunion ihre Auflösung bekannt gaben, war vom Miteinander wenig übrig und selbst das sollte noch zerfallen.

So blicken Banshees-Fans auf schwarze Rahmen mit zerrissenen Photos und ausgeXten Gesichtern. Wie traurig, wenn nicht mal Freundschaft bleibt. Wann war es vorbei?

Damaged Goods

Подняться наверх