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III.Versammlungsgesetze und Verfassung
Оглавление179Versammlungen unter freiem Himmel unterliegen einem einfachen Gesetzesvorbehalt, Art. 8 Abs. 2 GG. Zulässig sind Beschränkungen durch ein formelles oder materielles Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes.461 Für gesetzliche Beschränkungen der Versammlungsfreiheit ist die Wechselwirkungslehre zu beachten462: Gesetze, die die Versammlungsfreiheit einschränken oder konkretisieren, sind ihrerseits im Lichte des Grundrechts und seiner hohen Bedeutung auszulegen. Der Gesetzgeber darf zudem die Versammlungsfreiheit nur zum Schutz mindestens gleichwertiger anderer Rechtsgüter beschränken.463 Obendrein ist meist auch die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) betroffen, weswegen sich versammlungsrechtliche Einschränkungen i. d. R. auch an den in Art. 5 Abs. 2 GG normierten Schrankenregelungen messen lassen müssen.464 Der Gesetzesvorbehalt des Art. 8 Abs. 2 GG wird (vor allem) durch die jeweiligen Versammlungsgesetze ausgefüllt.465 Soweit diese auch Versammlungen in geschlossenen Räumen erfassen, müssen etwaige Eingriffe den Anforderungen an Begrenzungen vorbehaltloser Grundrechte genügen.466
180Die Versammlungsgesetze sind zugleich Ausführungsgesetze zu Art. 8 Abs. 1 GG. Sie konkretisieren die Versammlungsfreiheit auf der Ebene des einfachen Gesetzes und gestalten sie aus.467
181Über den Gewährleistungsbereich von Art. 8 GG hinaus sind die Versammlungsgesetze auch auf nicht durch Art. 8 GG geschützte (also insbesondere unfriedliche und bewaffnete) Versammlungen anwendbar468. Zudem machen sie zwischen Deutschen und Ausländern keinen Unterschied, womit sie auch in ihrem personellen Anwendungsbereich weiter greifen als Art. 8 GG. Beide Erweiterungen des versammlungsgesetzlichen Geltungsbereiches im Vergleich zum verfassungsrechtlichen Gewährleistungsbereich der Versammlungsfreiheit beruhen auf den gleichen Grundgedanken. Sie hängen erstens mit praktischen Aspekten der hier vom Gesetzgeber vorrangig berücksichtigten Sicherheitsproblematik zusammen. Zweitens korrespondieren sie mit dem Phänomen der kollektiven Ausübung des individuellen Grundrechtes. In der konkreten Versammlungs-Situation ähnlich schwierig wie die Unterscheidung zwischen Deutschen und Ausländern ist eine Differenzierung zwischen friedlichen und unfriedlichen Versammlungsteilnehmern. Grundsätzlich verlangt zwar das Bundesverfassungsgericht bereits im Brokdorf-Beschluss das Bemühen um eine entsprechende Differenzierung469. Dieses Postulat des BVerfG zielt aber nicht darauf ab, für unfriedliche Versammlungsteilnehmer die Geltung des Versammlungsgesetzes auszuschließen. Vielmehr geht es darum, den friedlichen Versammlungsteilnehmern soweit wie möglich die faktische Ausübung ihrer Versammlungsfreiheit zu gewährleisten, auch wenn wegen unfriedlicher Teilnehmer behördliche Maßnahmen getroffen werden. Maßnahmen gegen unfriedliche Teilnehmer dienen aber (ebenso wie Maßnahmen gegen zwar friedliche, dennoch aber Gefahren verursachende Teilnehmer) im Grundsatz der Lösung versammlungsspezifischer Sicherheitsprobleme, womit eine Anwendung versammlungsrechtlicher Vorschriften passend erscheint.470
182Insgesamt ist das Versammlungsrecht stark durch die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung geprägt. Sehr häufig kommt es auf dem Gebiet des Versammlungsrechts zu verfassungsgerichtlichen Entscheidungen, zudem mit weit überdurchschnittlicher Erfolgsquote zugunsten der Antragsteller.471 Sowohl die Gesetzesanwender beim Umgang mit den Versammlungsgesetzen (und anderen relevanten Normen) als auch der Gesetzgeber haben sich hieran zu orientieren.