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V.Der Versammlungsbegriff und die Abgrenzung zu anderen Zusammenkünften 1.Die Versammlung

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205Die Frage, ob eine Versammlung vorliegt, ist maßgeblich einerseits für die Notwendigkeit der Beachtung von Art. 8 GG und andererseits die Anwendungbarkeit der Versammlungsgesetze.

206Auf der verfassungsrechtlichen Ebene ist der Versammlungsbegriff umstritten; vorzugswürdig ist ein weiter Versammlungsbegriff560, doch muss für die Praxis von dem vom Bundesverfassungsgericht vertretenen engen Versammlungsbegriff ausgegangen werden: Versammlungen sind hiernach örtliche Zusammenkünfte mehrerer Personen zwecks gemeinschaftlicher Erörterung und Kundgebung mit dem Ziel der Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung.561

207Dieser (verfassungsrechtliche) Versammlungsbegriff ist nicht etwa selbstverständlich auch bei der Beantwortung der Frage zugrundezulegen, ob eine Versammlung im versammlungsgesetzlichen Sinne vorliegt. Vielmehr differiert die Rechtslage diesbezüglich zwischen den meisten Bundesländern mit eigenen Versammlungsgesetzen auf der einen Seite und denjenigen Bundesländern, in denen noch das Versammlungsgesetz des Bundes gilt (nebst Sachsen-Anhalt), auf der anderen Seite.

208Die Bundesländer mit eigenen Versammlungsgesetzen haben überwiegend Begriffsbestimmungen der Versammlung in ihre Gesetze aufgenommen und sich dabei an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts orientiert (Art. 2 Abs. 1 BayVersG; § 2 NVersG; § 1 Abs. 3 SächsVersG; § 2 Abs 1 VersFG BE; § 2 Abs. 1 VersFG SH); diese Definitionen sind inhaltlich weit gehend identisch; Schleswig-Holstein wartet mit der Besonderheit auf, dass dort erst ab einer Zahl von 3 Personen eine Versammlung im Sinne des VersFG gegeben ist, wogegen andernorts 2 Personen genügen.

209In Sachsen-Anhalt sowie überall, wo das Versammlungsgesetz des Bundes gilt, ist die Versammlung im Gesetz nicht definiert. Die Problematik der Begriffsbestimmung stellt sich daher in ähnlicher Weise wie beim verfassungsrechtlichen Versammlungsbegriff, wobei allerdings Einzelbestimmungen des Versammlungsgesetzes die Interpretation beeinflussen können. Insoweit gibt das Versammlungsgesetz einen wichtigen Hinweis: Es stellt in § 1 Abs. 1 „Versammlungen und Aufzüge“ gleich. Aufzüge sind sich fortbewegende Demonstrationen unter freiem Himmel562. Ob der (gelegentlich als veraltet angesehene563) Begriff des Aufzugs theoretisch als besonderer Unterfall der Versammlung oder als neben dem Versammlungsbegriff stehender Terminus zu verstehen ist, spielt praktisch keine Rolle: Die Unterscheidung zwischen Versammlung und Aufzug hat sich nämlich im Eingriffsinstrumentarium des Versammlungsgesetzes nicht niedergeschlagen; sie wird lediglich in §§ 18 und 19 VersG aufgegriffen. Daher kann ein Aufzug als Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes eingestuft werden564. Einen weiteren Hinweis liefert § 17 VersG, der für „hergebrachte Volksfeste“, Züge von Hochzeitsgesellschaften und verschiedene Veranstaltungen religiöser Natur die Geltung der §§ 14–16 VersG ausschließt. Dieser Ausschluss ist nur deswegen nötig, weil es sich bei solchen Veranstaltungen an sich um Versammlungen im Sinne des Versammlungsgesetzes handelt. Dementsprechend ist Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes jede Zusammenkunft mehrerer Personen zur Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks, wobei der Zweck beliebig ist565. Damit entspricht der Versammlungsbegriff des Versammlungsgesetzes dem verfassungsrechtlichen weiten Versammlungsbegriff566. Die Praxis orientiert sich gleichwohl vielerorts an der vom Bundesverfassungsgericht vorgenommenen Begriffsbestimmung und wendet das Versammlungsgesetz nur an, wenn im Sinne des engen Versammlungsbegriffs eine Versammlung gegeben ist.

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