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ОглавлениеCampanula L. Glockenblume
Campanula persicifolia L. Pfirsichblättrige Glockenblume, Matthiolus/Bauhin 1598
Campanula medium L. Marien-Glockenblume, Dodonaeus 1583
Sowohl der deutsche als auch der wissenschaftliche Name (lat. campanula, »Glöckchen«) nehmen Bezug auf die bei den meisten Arten glockenförmige Gestalt der Blüten. Heute gehören Glokkenblumen zum Bestand der meisten Gärten in Deutschland. Einige von ihnen kommen auch in Mitteleuropa wildwachsend vor. Wegen ihrer auffälligen und großen Blüten hat man ihre Stammformen vermutlich schon im Mittelalter als Zierpflanzen in die Gärten geholt. Aber obwohl sie in der Mitte des 16. Jhs. hier und da als Gartenpflanzen in Erscheinung traten, blieben sie dort noch lange Zeit selten und waren in manchen Gebieten auch weiterhin nur als Wildpflanzen bekannt. Erst seit dem 19. bzw. 20. Jh. spielten sie dann – meist nach züchterischer Verbesserung – als Gartenzierpflanzen eine größere Rolle.
Die auf trockenen Wiesen und in Halbtrockenrasen wachsende und über große Teile Eurasiens verbreitete Knäuel-Glockenblume (C. glomerata L.) wurde 1561 als Gartenpflanze genannt, aber offenbar fast nur in Botanischen Gärten und Liebhaber-Gärten gezogen. Erst Mitte des 19. Jhs. tritt sie als Gartenpflanze stärker in Erscheinung, und zwar in einer von dem Kopenhagener Botaniker Jens Wilken Hornemann 1815 als var. speciosa beschriebenen besonders großblütigen Form. Die 1867 erschienene Garten=Flora für Norddeutschland von Friedrich C. Laban nennt außer dieser noch weitere 4 »Varietäten«, und zwar aggregata Willd., betonicaefolia Gilib., eliptica Kit. und farinosa Bes. Eine eigentliche Züchtung setzte Ende des 19. Jhs. ein. Um 1900 kam z.B. die Sorte ‘Superba’ auf den Markt. Neben mehreren höheren Sorten mit violetten und weißen Blüten gibt es nunmehr auch einige zwergige Sorten, so die bereits im 17. Jh. in den Niederlanden erwähnte cv. ‘Pusilla’, die als Steingartenpflanzen Verwendung finden.
Die Pfirsichblättrige Glockenblume (C. persicifolia L.), von Europa bis Zentralsibirien in trockenen Wäldern, in Waldsäumen und Halbtrockenrasen vorkommend, taucht zuerst 1554 in Belgien als Gartenpflanze auf, wird aber in Konrad Gessners Horti Germaniae 1561 für Deutschland noch nicht erwähnt. Später war sie auch in deutschen Gärten vorhanden, und im fürstbischöflichen Garten von Eichstätt gab es 1613 neben der blauen eine weiße Form. Beide finden sich unter dem Bauhinschen Namen Rapunculus persicifolius magno flore wenig später auch im Herbar Burser, und zwar aus Gärten in Basel. Auch im herzoglich braunschweigischen Garten zu Hessem waren zwischen 1607 und 1630 die blaue und die weiße Farbform der Pfirsichblättrigen Glockenblume vorhanden. Aber auch in der 2. Hälfte des 17. Jhs. und der 1. Hälfte des 18. Jhs. scheint sie als Gartenblume noch recht selten gewesen zu sein, da manche Gartenbücher und Floren dieser Zeit die Art entweder überhaupt nicht oder lediglich als Wildpflanze verzeichnen. Erst in der 2. Hälfte des 18. Jhs. wurde die Pfirsichblättrige Glockenblume in den Gärten häufiger gepflanzt, insbesondere die zuerst von Tournefort in Paris 1700 beschriebenen gefüllten Formen in Blau und in Weiß. 1736 waren diese im Garten des Herrn von Ziethen in Trebnitz bei Seelow vorhanden. 1773 empfiehlt Gleditsch die einfache und die gefüllte Form der »Waldglocke mit Pfirsichlaub« als Zierpflanze und schreibt, sie »wechseln in der Blumenfarbe und dem Grade der Füllung in den Blumen. Sie ... geben den Gärten ein gutes Ansehen.« Eine besonders großblütige Form wird als Varietät macrantha 1855 genannt. Zwar zählte Carl Bolle um 1900 die weißen und blauen, einfachen und gefüllten Pfirsichblättrigen Glockenblumen bereits zu den altmodischen Blumen, doch brachte die jetzt einsetzende Züchtung einen neuen Aufschwung. In Deutschland entwickelte vor allem der Staudenzüchter Georg Arends in Ronsdorf neue Sorten, und zwar 1901 ‘Die Fee’, 1911 ‘Coerulea Coronata’ (mit blumenblattartig gestalteten Kelchblättern), 1913 spätblühende Hybriden. In Frankreich brachte die Firma Victor Lemoine in Nancy nach 1918 eine größere Zahl von Sorten in den Handel. Heute gehören die groß- und vielblütigen Gartenformen der Pfirsichblättrigen Glockenblume in Deutschland nahezu überall zu den häufigeren Zierstauden.
Die in Mitteleuropa seltene und auf Schluchtwälder und Hochstaudenfluren der Gebirge beschränkte Breitblättrige Glockenblume (C. latifolia L.) wird für Belgien bereits 1576 als Gartenpflanze erwähnt, trat als solche in Deutschland aber erst im 18. Jh. in Erscheinung. Seit 1720 ist auch die cv. ’Alba’ mit weißen Blüten bekannt. Beide Formen wuchsen z.B. 1736 unter dem Bauhinschen Namen Campanula maxima, foliis latissimis im Garten des Herrn von Ziethen in Trebnitz bei Seelow und 1746 im Krauseschen Garten in Berlin. Gleditsch schreibt 1773, die Art werde »ihrer großen weißen oder blauen Blumen und des 4–5 Fuß hohen Stengels halber gerne unterhalten«. Im 19. Jh. war sie dann eine verbreitete Zierpflanze und hier und da auch in Gärten verwildert. Zu der einheimischen Stammform trat ab 1820 die aus dem Kaukasus stammende var. macrantha Sims mit noch größeren und dunkleren Blüten, die 1824 im Garten des Apothekers Johann Nikolaus Buek d. J. (1779–1856) in Frankfurt/Oder vorhanden war. Um 1900 zählte Carl Bolle die Breitblättrige Glockenblume zu den altmodischen Blumen, und in der Tat scheint sie heute in den Gärten nicht mehr so häufig zu sein wie im 19. Jh.
Fast überall in Deutschland kommt in reicheren Laubwäldern und Waldsäumen auf frischen Standorten die Nesselblättrige Glockenblume (C. trachelium L.) vor. Auch sie wurde schon im 16. Jh. als Zierpflanze in die Gärten geholt. Der Hortus Eystettensis von 1613 bildet sie unter dem Namen Cervicaria hortensis bereits in einer blauen und einer weißen Farbform ab. Auch Elsholtz erwähnt beide Farbformen unter der Bezeichnung Campanula vulgariter foliis urticae vel major et asperior C. B., »Glöcklein mit Nessel= blättern« als Gartenblumen und vermerkt dazu: »das blaue aber wächset in den nechsten Wäldern auch wild«. 1648 gibt Johann Royer in seiner Beschreibung des ganzen Fürstl. Braunschweigischen Gartens zu Hessem an, er habe im benachbarten Fallstein »einmal eine Cervicariam gefunden mit gantz gefüllten Blumen/die ich in den Fürstl. Lustgarten verpflantzt/da sie hernach noch schöner und grösser geblühet«. Mitte des 18. Jhs. kannte man nicht nur blau und weiß blühende Formen, sondern auch eine mit fleischfarbenen Blüten und von allen dreien auch gefülltblütige, also insgesamt 6 Formen. Auch im 19. Jh. war die Nesselblättrige Glockenblume als Zierpflanze nicht selten, wurde aber um 1900 bereits zu den altmodischen Blumen gerechnet und ist heute nur noch hier und da in Bauerngärten anzutreffen. Die Art wurde früher auch als Heilpflanze verwendet. Ein aus der Pflanze bereiteter Absud diente als Gurgelmittel bei Halskrankheiten. Hierauf gehen sowohl der Artname trachelium (zu gr. tráchelos, »Hals«) als auch die alten Namen Cervicaria (zu lat. cervix, »Genick, Hals«) und Halskraut zurück.
Auch die Acker-Glockenblume (C. rapunculoides L.) hat man als Gartenblume ausprobiert. So erscheint sie 1613 im Hortus Eystettensis als Cervicaria maior sylvestris, und Bauhin (1623) nannte sie sogar Campanula hortensis, rapunculi radice. Die rapunzelartigen Wurzeln dienten mitunter als Ersatz für die eßbaren Wurzeln der hier und da in Küchengärten gezogenen Rapunzel-Glockenblume (C. rapunculus L.), machten aber durch ihr wucherndes Wachstum die Acker-Glockenblume in den Gärten recht unbeliebt. So heißt es bei Gleditsch 1769: »Man rechnet das Gewächse unter die Unkräuter.« Auch die heutigen Gartenbücher warnen meist vor ihrer Verwendung, insbesondere in Steingärten. Aufgrund ihrer Wuchsfreudigkeit und Anspruchslosigkeit hat sich die Art dennoch vielfach innerhalb der Gartenzäune erhalten, vor allem in Bauerngärten.
Nicht aus Mitteleuropa stammt die zweijährige Marien-Glockenblume (C. medium L.), deren Heimat im nördlichen Mittelmeergebiet von Südostfrankreich bis Mittelitalien liegt. In Frankreich soll diese schöne Pflanze bereits um 1500 kultiviert worden sein. In der Mitte des 16. Jhs. kam sie auch nach Deutschland. 1561 erwähnt sie Konrad Gessner unter den Namen Medion, Medion purpureum und Viola Mariana aus deutschen Gärten, doch war sie damals ziemlich selten. Medium sive Viola Mariana nennt Matthiolus in seinem Dioskurides-Kommentar die Pflanze und gibt an, daß sie ihm von Jacobus Antonius Cortusus (später Praefekt des Botanischen Gartens in Padua) zugesandt worden sei. Die Bezeichnung Viola Mariana und der deutsche Name Marien-Glockenblume lassen erkennen, daß sie zur Gruppe der Marienblumen gehört hat, und der Name Medion (latinisiert Medium) bedeutet »aus der Landschaft Medien (im Nordwesten des Iran) stammend«. Man hielt die Art damals für die von den antiken Schriftstellern Dioskurides und Plinius genannte Pflanze medion. In der 2. Hälfte des 16. Jhs. breitete sich die leicht aus Samen vermehrbare Marien-Glockenblume rasch in Deutschland aus und wird von den damaligen Kräuterbüchern abgebildet und beschrieben. Indessen hat die Art 1594 in den Lausitzer Gärten noch gefehlt. Der 1613 gedruckte Hortus Eystettensis bildet bereits 4 Farbsorten ab: mit weißen, blauen, violetten und zart hellblauen Blüten. In der 2. Hälfte des 17. Jhs. erscheinen dann auch Formen mit einer verdoppelten Blütenkrone, von Elsholtz (1684) als »Gefüllte Marietten« bezeichnet. Im 18. Jh. traten Formen mit roten und rosa Blüten hinzu. Bis zur Gegenwart ist die Marien-Glockenblume mit ihren verschiedenen Formen in Deutschland eine beliebte und häufige Gartenblume geblieben, wobei sie durch Auslese ständig züchterisch verbessert wurde.
Eine weitere, jedoch ausdauernde Art aus dem nördlichen Mittelmeergebiet, die Pyramiden-Glockenblume (C. pyramidalis L.), wurde seit Ende des 16. Jhs. in Deutschland ebenfalls als Gartenblume gezogen und zierte, wie Elsholtz schrieb, »den Garten fast den gantzen Sommer über mit [ihren] blauen Blumen, welche wie eine Pyramide häuffig übereinander gesetzet«. Carl Bolle bezeichnete sie um 1900 als »wohl die schönste aller Glokkenblumen«. Ein prächtiges Bild von ihr bringt 1613 der Hortus Eystettensis, und zwar unter dem Namen Pyramidalis Lutetiana. Diese Bezeichnung scheint darauf hinzudeuten, daß die Pflanze einst aus Frankreich nach Eichstätt gekommen ist, vielleicht durch den Lyoneser Botaniker Jacques Dalechamps (1513–1588), der sie offensichtlich schon um 1580 kannte und zu ihrer Verbreitung beitrug. Bis in die Gegenwart wird die Pyramiden-Glokkenblume in Deutschland als Gartenblume aufgeführt, doch ist sie in vielen Teilen Mitteleuropas nicht ausreichend winterhart und kann daher lediglich als Topfpflanze gezogen werden. Bereits Elsholtz zählte die Art zum »Schirm= Gewächß von Blumwerck«, das einer frostfreien Überwinterung bedurfte.
Während es sich bei den bisher genannten Glockenblumen um mittelhohe bis hohe Arten handelt, fanden seit Mitte des vorigen Jhs., als der Steingarten in Mode kam, auch niedrige Arten der höheren Gebirge zunehmendes Interesse. Die beiden häufigsten Arten dieser Gruppe sind heute die Karpaten-Glockenblume und die Dalmatinische Glockenblume. Eine Reihe weiterer Arten wird meist nur von Liebhabern und in Botanischen Gärten kultiviert.
Die Karpaten-Glockenblume (C. carpatica Jacq.) wurde von dem Freiburger Botanik-Professor Franz Joseph Lipp (1734–1775) im damaligen ungarischen Komitat Szepes (Zips) in der Tatra entdeckt und 1770 von Nicolaus Joseph Jacquin (1727–1817) im 1. Band seines Werkes über den Wiener Botanischen Garten erstmals beschrieben und farbig abgebildet. Von Wien aus verbreitete sich die im gesamten Karpatenraum auf Kalkfelsen heimische Art rasch zunächst in andere Botanische Gärten und von dort aus in die allgemeine Gartenkultur. 1817 finden wir sie z.B. im Breiterschen Garten in Leipzig, und 1818 nennt sie auch der mecklenburgische Pfarrer Wredow in seinem Gartenfreund als Zierpflanze. 1843 heißt es dann in der 6. Auflage dieses Werkes: »Sie wuchert sehr und eignet sich vorzüglich zur Einfassung der Beete, indem sie von Mai bis zum September unaufhörlich sehr reichlich blüht.« Seit Mitte des 19. Jhs. ist auch eine weißblühende Form bekannt. 1856 empfiehlt Regel die Art als Pflanze für das Alpinum (Gartenflora, Jg. 5), und 1871 preist sie dieselbe Zeitschrift (Jg. 21) auch für Teppichbeete an. Um 1900 setzte die Züchtung ein. 1901 brachte Georg Arends in Ronsdorf die Sorte ‘Coelestina’ auf den Markt, und später entwickelte vor allem Karl Foerster in Potsdam-Bornim mehrere gute Gartensorten. Heute findet man in den Gärten überwiegend diese und andere Zuchtsorten, während die Wildform fast nur noch in Botanischen Gärten zu sehen ist.
Die Dalmatinische Glockenblume (C. portenschlagiana Roem. et Schult.) wurde 1819 von den Züricher Botanikern Johann Jacob Roemer und Joseph August Schultes erstmals beschrieben und nach dem Wiener Botaniker Franz Edler von Portenschlag-Ledermayer (1772–1822) benannt, der die Art in Dalmatien entdeckt hatte. Um 1836 wurde sie als Gartenpflanze in England eingeführt, und 1856 empfahl sie Eduard Regel in der Gartenflora als Pflanze für das Alpinum. In Deutschland blieb sie jedoch noch lange unbekannt. Erst im 20. Jh. taucht sie in den Katalogen der Staudengärtnereien auf. Dann aber fand die Art aufgrund ihrer Reichblütigkeit und Wüchsigkeit zunehmendes Interesse und ist heute eine geschätzte Pflanze der Steingärten und Trockenmauern.