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b) Haftung aus § 64 S. 1 GmbHG

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Während die Haftung aus Insolvenzverschleppung (§§ 823 Abs. 2 BGB, 15a Abs. 1 InsO) einen Anspruch der Gläubiger begründet, löst die Vorschrift des § 64 S. 1 GmbHG eine Haftung des Geschäftsführers gegenüber der Gesellschaft (GmbH) aus. Nach § 64 S. 1 GmbHG ist es dem Geschäftsführer verboten, Zahlungen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit (Überschuldung) zu leisten. Eine identische Regelung gibt es für den Vorstand einer Aktiengesellschaft (§ 92 Abs. 2 S. 1 AktG) und für den Aufsichtsrat, wenn dieser pflichtwidrige Auszahlungen des Vorstands nicht verhindert (§§ 116, 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG).[103] Nach Ansicht des BGH gilt § 64 GmbHG aufgrund seines insolvenzrechtlichen Bezugs rechtformübergreifend, also auch für den director einer englischen Limited.[104] Der BGH hat diese (sehr umstrittene) Frage dem EuGH vorgelegt.

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Ziel der Vorschriften des § 64 S. 1 GmbHG ist es, Masseverkürzungen „kurz vor knapp“ zu verhindern. Steht die Zahlungsunfähigkeit (Überschuldung) der GmbH fest, muss der Geschäftsführer das Geld zusammenhalten. Andernfalls muss er jede verbotene Zahlung aus eigener Tasche an die Masse zurückzahlen. Denn in der Insolvenz der GmbH muss der Insolvenzverwalter den Anspruch aus § 64 S. 1 GmbH geltend machen. Die Haftung aus § 64 S. 1 GmbHG (bzw. § 92 AktG) beginnt mit Eintritt der Insolvenzreife und nicht erst nach dem Drei-Wochen-Zeitraum des § 15a Abs. 1 InsO.[105] Auch wenn sich der Geschäftsführer noch bis zu drei Wochen um eine Sanierung bemühen darf, ohne sich strafbar zu machen (§ 15a Abs. 4 InsO), gilt das Zahlungsverbot des § 64 S. 1 GmbHG sofort. Ausgenommen sind nur Zahlungen, die einen sofortigen Zusammenbruch der GmbH verhindern und die auch ein „sorgfältiger und gewissenhafter Geschäftsmann“ vorgenommen hätte (§ 64 S. 2 GmbHG). Die Beweislast liegt beim Geschäftsführer.

Beispiele

Simon veranlasst 14 Tage nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit (= die Liquiditätsvorschau lässt erkennen, dass die MyTV GmbH in den nächsten 3 Wochen nicht 90 % aller Forderungen bezahlen kann) eine Zahlung an die Werbeagentur seines Stiefbruders Stefan in Höhe von 100 000 €. Zwei Tage später erfüllt er noch rückständige Zahlungen an den Lieblingslieferanten Leander in Höhe von 50 000 €. Am selben Tag führt Simon einen Dispositionskredit der Hausbank in Höhe von 200 000 € zurück. All das sind verbotene Zahlungen. Auch Zahlungen der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung fallen unter das Verbot.[106] Dagegen handelt es sich um „akzeptierte Zahlungen“ (§ 64 S. 2 GmbHG), wenn Simon die Kosten für Telefon, Strom und Löhne der Mitarbeiter begleicht.

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Umstritten war die Frage, welche Folgen es hat, wenn der Geschäftsführer noch die Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitnehmer begleicht. An sich sind das keine „Rettungshandlungen“ im Sinne des § 64 S. 2 GmbHG. Würde Simon die Beiträge aber nicht bezahlen, würde er sich nach § 266a StGB strafbar machen. Wegen dieses Konflikts hat der BGH mittlerweile entschieden, dass die Zahlung nicht den Tatbestand des § 64 S. 1 GmbHG erfüllt (Pflichtenkollision zwischen StGB und GmbHG).[107] Der Geschäftsführer handelt bei der Auszahlung „gewissenhaft“. Er darf die (rückständigen) Arbeitnehmerbeiträge zahlen. Eine ähnliche Problematik gibt es bei den Steuern. Zahlt der Geschäftsführer die fälligen Steuern nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit weiter, ist er nicht nach § 64 S. 1 GmbHG regresspflichtig. Das Zahlungsgebot nach § 69 AO hat Vorrang. Selbst rückständige Steuern darf er begleichen.[108]

Hinweis

Der Geschäftsführer sollte in der Liquiditätskrise unbedingt die Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitnehmer und die Steuern begleichen.

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Subjektiv setzt die Haftung aus § 64 S. 1 GmbHG ein Verschulden des Geschäftsführers voraus. Das Verschulden wird vermutet.[109] Den Geschäftsführer trifft die volle Darlegungs- und Beweislast, dass die Insolvenzreife nicht erkennbar war. Ihm bleibt noch im Prozess die Chance, darzulegen, dass die erbrachten Zahlungen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns (§ 64 S. 2 GmbHG) vereinbar waren (Abwendung von erheblichen Nachteilen für die GmbH).[110] Der Anspruch aus § 64 S. 1 GmbHG verjährt nach fünf Jahren (§§ 64 S. 4, 43 Abs. 4 GmbHG).

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