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1. Unterbilanzhaftung

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Das Stammkapital ist bei Kapitalgesellschaften das Mindest-Haftkapital für die Gläubiger. Es muss einmal ordentlich erbracht sein (= Grundsatz der Kapitalerbringung). Ist das Stammkapital einbezahlt, kann man zwar keine Verluste verbieten. Aber das notwendige Stammkapital darf auf keinen Fall an die Gesellschafter zurückfließen (= Grundsatz der Kapitalerhaltung). Nach § 30 Abs. 1 GmbHG ist es dem Geschäftsführer verboten, das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen an die Gesellschafter auszubezahlen. Maßstab ist die bilanzielle Betrachtung.[119] Die Passiva (einschließlich Rückstellungen) sind von den Aktiva abzuziehen. Der verbleibende Betrag muss die Eigenkapitalziffer decken; andernfalls liegt eine Unterbilanz vor.[120] Auszahlungen (Vergünstigungen) an die Gesellschafter, die zu einer Unterbilanz führen oder diese vertiefen, sind durch § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG verboten. Das Verbot erfasst vor allem Geldzahlungen, aber auch andere Leistungen an die Gesellschafter ohne entsprechende Gegenleistung (z.B. überhöhtes Geschäftsführergehalt, Verkauf eines Firmenautos an den Gesellschafter weit unter Wert).[121]

Ausgangsfall

Die MyTV GmbH verkauft ihrer Geschäftsführerin Tanja im Mai 2014 ein Flaschenkühlregal aus der Werkskantine für 2000 € (wahrer Wert 10 000 €), obwohl bereits eine Unterbilanz vorliegt.

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Das Auszahlungsverbot des § 30 Abs. 1 GmbHG kennt drei Ausnahmen (seit MoMiG 2008). So dürfen Darlehen, die ein Gesellschafter der GmbH gewährt hat, in dieser Phase (Unterbilanz) noch zurückgezahlt werden (§ 30 Abs. 1 S. 3 GmbHG). Auch im Fall des Bestehens eines Gewinnabführungs- oder Beherrschungsvertrags ist der Kapitalschutz suspendiert (§ 30 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 GmbHG). Eine dritte Ausnahme existiert für Auszahlungen an den Gesellschafter, wenn zugleich ein vollwertiger Rückgewähranspruch gegen den Gesellschafter besteht (§ 30 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 GmbHG). Das betrifft das sog. Cash-Pooling.

Beispiel

Die Warenhaus-AG hat drei 100 %ige Töchter, die Kaufhaus A-GmbH, die Kaufhaus B-GmbH sowie die Kaufhaus C-GmbH. Die Töchter nehmen am Cash-Pooling teil, d.h. sie führen ihre Gewinne (täglich, monatlich) in Form eines Darlehensvertrags an die Mutter ab, die das Geld zentral verwaltet (das gibt bessere Zinskonditionen etc.). Die Töchter dürfen am Cash-Pooling nach § 30 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 GmbHG teilnehmen, selbst wenn durch die Auszahlungen an die Mutter eine Unterbilanz entsteht. Das ist den Töchtern allerdings nur dann erlaubt, solange die Mutter solvent ist. Denn nur dann besteht ein „vollwertiger“ Rückgewähranspruch. Eine wichtige Grenze ist aber in § 64 S. 3 GmbHG enthalten. Die Auszahlung der Tochter an die Mutter darf nicht zur Zahlungsunfähigkeit der Tochter führen.

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Die Rechtsfolge einer nach § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG verbotenen Auszahlung wird in § 31 GmbHG behandelt. Zahlt der Geschäftsführer gegen das Verbot des § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG etwas aus, besteht nach § 31 Abs. 1 GmbHG eine Rückzahlungspflicht des Gesellschafters an die GmbH. Der Gesellschafter muss also die erhaltene Summe wieder zurückzahlen. Zahlt er die Summe nicht zurück (weil er kein Geld mehr hat), müssen gegebenenfalls die restlichen Gesellschafter statt seiner für die Rückzahlung gerade stehen (§ 31 Abs. 3 GmbHG = sog. Ausfallhaftung).[122] Notfalls haftet daneben auch der Geschäftsführer für die verbotene Auszahlung nach § 43 Abs. 3 GmbHG gesamtschuldnerisch (§ 31 Abs. 6 S. 1 GmbHG) mit seinem Privatvermögen. Für den Geschäftsführer ist das besonders ärgerlich, da er ja das Geld nie bekommen hat, sondern nur ausgezahlt hat. Die Ansprüche gegen den Empfänger-Gesellschafter verjähren in 10 Jahren, die Ansprüche aus Ausfallhaftung in 5 Jahren (§ 31 Abs. 5 S. 1 GmbHG).

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