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aa) Gegenüberstellung der liquiden Mittel und der (fälligen) Verbindlichkeiten
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Als erster Schritt ist erforderlich, dass der Geschäftsführer eine Liquiditätsbilanz (Aktiva und Passiva) erstellt,[7] um den Deckungsgrad zu ermitteln (sog. betriebswirtschaftliche Methode).[8] Auf der Aktivseite sind die liquiden Mittel zu einem Stichtag (2.1. oder 6.7. oder 21.9.) den fälligen Verbindlichkeiten gegenüberzustellen. Zu den liquiden Mittel gehören Bargeld in der Kasse, Bankguthaben sowie offene Kreditlinien (z.B. auch geduldeter Überziehungskredit) und sicher eingehende Forderungen. Den liquiden Mitteln sind auf der Passivseite die am Stichtag (2.1. oder 6.7. oder 21.9.) fälligen Verbindlichkeiten (z.B. Löhne, Miete, Energiekosten, Zinszahlungen etc.) gegenüberzustellen. Wann eine Verbindlichkeit fällig ist, wird in § 271 BGB geregelt. Danach ist zunächst die Parteivereinbarung ausschlaggebend; andernfalls ist eine Verbindlichkeit im Zweifel sofort fällig. Gestundete Verbindlichkeiten (Hinausschieben des Fälligkeitstermins) sind nicht fällig und tauchen auf der Passivseite nicht auf. Der BGH hat noch ein weiteres Sahnehäubchen kreiert. Statt „fällige“ Verbindlichkeiten sind nach seiner Ansicht nur „fällige und ernsthaft eingeforderte“ Verbindlichkeiten auf der Passivseite zu berücksichtigen.[9] Damit meint der BGH allerdings nicht, dass jeder Gläubiger (Arbeitnehmer, Lieferant, Stromversorger, Bank etc.) die Bezahlung nochmals extra angemahnt haben muss.[10] Eine zusätzliche Mahn-Handlung ist (neben der Vertragsabrede oder der Rechnung) keinesfalls erforderlich. Es dürfen aber Tatsachen bzw. Anhaltspunkte berücksichtigt werden, aus denen sich ergibt, dass der Gläubiger mit einer späteren oder nachrangigen Befriedigung einverstanden ist, ohne explizit eine Stundung im Rechtssinne erklärt zu haben (z.B. Stillhalteabkommen).[11] In jedem Fall bedarf es einer Dokumentation der Absprache.
Beispiel
Die Ehefrau von Simon – Flora – ist Blumenhändlerin. Sie hat vor vier Jahren die „Flora GmbH“ gegründet. Die Geschäfte laufen nicht sonderlich gut. Am 1.2.2015 erstellt Flora eine Liquiditätsbilanz für die GmbH. Diese weist Aktiva über 38 000 € und Verbindlichkeiten in Höhe von 68 000 € aus (und damit eigentlich eine Unterdeckung von ca. 44 %). Zu den Verbindlichkeiten der GmbH gehört eine Honorarforderung ihrer Steuerberaterin Anne über 28 000 €. Anne hatte mit der Geschäftsführerin Flora vereinbart, dass die Forderung im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten der GmbH beglichen wird. Das ist zwar keine formelle Stundung, lässt aber laut BGH erkennen, dass Anne weder vollstrecken will noch die Insolvenz der „Flora GmbH“ anstrebt. Daher darf die Forderung nicht zur Begründung der Zahlungsunfähigkeit herangezogen werden.[12] Folglich stehen Aktiva von 38 000 € lediglich Passiva von 40 000 € gegenüber. Das entspricht einer Unterdeckung von 5 %. Die GmbH ist nicht zahlungsunfähig.
Ausgangsfall
Die MyTV GmbH stellt am 12.12.2014 folgende Liquiditätsschau auf: