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2. Strafrahmenwahl – besonders schwere Fälle, § 370 Abs. 3

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§ 370 Abs. 3 S. 1 sieht einen erhöhten Strafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe für besonders schwere Fälle vor. Die Verhängung einer Geldstrafe ist nicht vorgesehen. Es kann daher auch keine Ersatz-Geldstrafe anstelle der Freiheitsstrafe verhängt werden (§ 47 Abs. 2 S. 1 StGB). Hingegen kann eine Geldstrafe nach § 41 StGB zusätzlich zur Freiheitsstrafe verhängt werden, wenn der Täter sich persönlich bereichert hat oder versucht hat, sich zu bereichern und die Verhängung unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse angebracht erscheint. Bei § 370 Abs. 3 handelt es sich um eine Strafzumessungsvorschrift. Das Vorliegen ist daher für jeden tatbeteiligten (Mittäter oder Teilnehmer) gesondert zu prüfen.[750]

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Ein besonders schwerer Fall wird von der Rspr. angenommen, wenn „er sich nach dem Gewicht von Unrecht und Schuld vom Durchschnitt vorkommender Fälle so abhebt, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten ist“.[751] In § 370 Abs. 3 S. 2 benennt das Gesetz besonders schwere Fälle in der Form von Regelbeispielen. Liegen die Voraussetzungen der benannten Regelbeispiele vor, besteht eine Vermutung dafür, dass der Fall als besonders schwer anzusehen ist.[752] Folglich kann, sofern keine Anhaltspunkte für ein Abweichen vorliegen, ohne zusätzliche Prüfung der erhöhte Strafrahmen angewendet werden.[753] Die indizielle Bedeutung kann durch andere Strafzumessungsfaktoren – bspw. durch das Vorliegen eines vertypten Strafmilderungsgrunds – kompensiert werden.[754] Diese müssen so schwer wiegen, dass die Anwendung des erschwerten Strafrahmens unangemessen erscheint.[755] Nach der Rspr. des BGH sind etwa berufsbezogene Folgen, wie die Beendigung des Beamtenverhältnisses als Nebenfolge der Tatbegehung, gem. § 46 Abs. 1 S. 2 StGB bereits bei der Entscheidung über das Vorliegen eines minder schweren Falles zu berücksichtigen, nicht erst bei der Strafzumessung innerhalb des Strafrahmens.[756]

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Der Katalog des § 370 Abs. 3 S. 2 ist nicht abschließend. Liegt ein Fall vor, der einem der genannten Regelbeispiele im Hinblick auf das Gewicht von Unrecht und Schuld vergleichbar ist, so rechtfertigt dieser regelmäßig als sogenannter unbenannter besonders schwerer Fall ebenfalls die Anwendung des erhöhten Strafrahmens.

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Bei einem Versuch richtet sich die Strafe nach dem nach §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 370 Abs. 3 S. 1, wenn der Täter sowohl zur Verwirklichung des Tatbestandes als auch des Regelbeispiels unmittelbar angesetzt hat (s. Rn. 348 f.).[757]

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Der Vorsatz des Täters muss die Verwirklichung des Regelbeispiels umfassen.

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Die Verjährungsfrist verlängert sich beim Vorliegen eines besonders schweren Falles gem. § 376 Abs. 1 mit Wirkung ab dem 25.12.2008 für alle zu diesem Zeitpunkt noch nicht verjährten Taten auf zehn Jahre (s. dazu Kommentierung bei § 376 Rn. 8 ff. und Rn. 20 ff.).

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Mit Wirkung zum 1.1.2008 sind mehrere Änderungen der Vorschrift in Kraft getreten (s. dazu Rn. 8 ff.), die somit erst für Taten gelten, die ab diesem Datum begangen wurden (§ 2 Abs. 1 StGB). So wurde das bis dahin geltende Merkmal „aus grobem Eigennutz“ bei der Steuerhinterziehung in großem Ausmaß gestrichen (§ 370 Abs. 3 Nr. 1). Die bandenmäßige Hinterziehung von Umsatz- und Verbrauchssteuern gem. § 370 Abs. 3 Nr. 5, wurde komplett neu eingefügt und § 370a a.F., der die gewerbsmäßige oder bandenmäßige Hinterziehung in großem Ausmaß als Verbrechen vorsah, gestrichen. Nach dem Meistbegünstigungsprinzip des § 2 Abs. 3 StGB gilt die alte Fassung des Gesetzes für Taten, die zum 1.1.2008 bereits beendet waren nur dann noch, wenn sie gegenüber der aktuellen Fassung das mildere Gesetz darstellen. Entscheidend für die Beurteilung ist, welches Gesetz im konkreten Einzelfall für den Täter eine günstigere Rechtslage ergibt.[758]

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§ 370 Abs. 3 Nr. 1 a.F. bildet für Hinterziehungen großen Ausmaßes regelmäßig die günstigere Rechtslage, sofern der Täter nicht aus grobem Eigennutz gehandelt hat. Für vor dem 1.1.2008 beendete Taten ist daher § 370 Abs. 3 Nr. 1 a.F. weiterhin anwendbar.

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Im Falle der bandenmäßigen Hinterziehung von Umsatz- und Verbrauchsteuern gem. § 370 Abs. 3 Nr. 5 n.F. griff nach alter Rechtslage die Qualifikation des § 370a, der gegenüber der aktuellen Rechtslage weiter gefasst war und eine höhere Mindeststrafe von einem Jahr vorsah. Allerdings galt § 370a im Hinblick auf Art. 103 GG als verfassungswidrig, da das „große Ausmaß“ als Verbrechenstatbestand nicht ausreichend bestimmt war.[759] § 370a AO war daher auch nach alter Rechtslage nicht anzuwenden, mit der Folge, dass eine Bestrafung wegen bandenmäßiger Begehung nur als einfache Steuerhinterziehung erfolgt wäre. Unter Berücksichtigung dessen war die alte Rechtslage gegenüber der heutigen vorteilhaft und wäre daher weiterhin anzuwenden.[760] Rspr. gibt es dazu allerdings, soweit ersichtlich, nicht.

Mit Wirkung ab dem 27. Juni 2017[761] gilt die fortgesetzte Steuerhinterziehung durch verdeckte Geschäftsbeziehungen zu einer beherrschten Drittstaat-Gesellschaft i.S.d. § 138 Abs. 3 als neues Regelbeispiel eines besonders schweren Falles (§ 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 6).

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