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(1) Das Klageinteresse

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Seit 1988 kann jede natürliche oder juristische Person,[151] die ein Interesse nachweist,[152] unmittelbar eine Nichtigkeitsklage vor dem Gerichtshof einreichen. Somit wurde die sogenannte „Popularklage“ ganz bewusst ausgeschlossen. Ohne sich in Details der komplexen und umfangreichen Rechtsprechung des Gerichtshofes in diesem Bereich zu verlieren,[153] seien hier lediglich die Hauptcharakteristika des Klageinteresses aufgezeigt.

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Die antragstellende Partei, die den Nachweis über das Vorliegen des Klageinteresses zu führen hat, muss beweisen, dass dieses sich vom Allgemeininteresse unterscheidet.[154] Zudem muss sie darlegen, inwiefern sie selbst von dem Gesetz betroffen ist.[155] Im Allgemeinen verwirft der Gerichtshof ein zu hypothetisches Interesse.[156] Es reicht also nicht, dass die antragstellende Partei lediglich nachweist, dass die Bestimmung auf sie anwendbar ist. Sie muss konkret aufzeigen, dass sich die Bestimmung für sie nachteilig auswirkt oder dass sie ihr einen Schaden verursachen könnte. Zudem verlangt der Gerichtshof, dass das Interesse (bereits bzw. noch) gegenwärtig sein muss. Er erkennt jedoch an, dass es sich nicht um ein sofort durchzusetzendes Interesse handeln muss.[157] Der Gerichtshof scheint das Klageinteresse in Abhängigkeit von der behaupteten Rechtsverletzung unterschiedlich auszulegen. Es wird offensichtlich umso leichter angenommen, je grundlegender das zu schützende Recht ist.[158]

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Im Übrigen bezieht sich der Gesetzgeber, indem er den Ausdruck „jegliche Person“ verwendet, sowohl auf natürliche als auch auf juristische Personen des Privatrechts und des öffentlichen Rechts. Auch der Gerichtshof verwendet diese Formulierung und gesteht insbesondere Gemeinden,[159] Berufsvereinigungen[160] oder auch gemeinnützigen Einrichtungen[161] ein Klagerecht zu.

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Nach Art. 2 Nr. 1, 3 SGVerfGH kann eine Nichtigkeitsklage auch von sogenannten institutionellen Klägern eingereicht werden. Als staatliche Stellen genießen sie ein besonderes Privileg: Sie müssen kein Klageinteresse nachweisen. Allerdings kommt nur den explizit aufgeführten Institutionen diese Ausnahme zugute. Gemäß Art. 2 Nr. 1 SGVerfGH gelten als institutionelle Kläger zunächst die Organe der Exekutive. Hierbei handelt es sich um den föderalen Ministerrat, die wallonische Regierung, die flämische Regierung, die Regierung der Französischen Gemeinschaft, die Regierung der Flämischen Gemeinschaft, die Regierung der Deutschsprachigen Gemeinschaft und die Regierung von Brüssel-Hauptstadt. Hinzu kommen das Vereinigte Kollegium der Gemeinsamen Gemeinschaftskommission von Brüssel-Hauptstadt und das Kollegium der Französischen Gemeinschaftskommission.[162] Neben den exekutiven Organen können gemäß Art. 2 Nr. 3 SGVerfGH die gesetzgebenden Organe über ihren Präsidenten ebenfalls eine Nichtigkeitsklage einreichen. Als gesetzgebende Organe kommen die föderalen, gemeinschaftlichen oder regionalen gesetzgebenden Versammlungen in Betracht.[163] Da dieser Artikel sich ohne Unterscheidung oder Beschränkung auf alle gesetzgebenden Versammlungen bezieht, hielt es der Gerichtshof für angebracht, auch die Versammlung der Französischen Gemeinschaftskommission einzubeziehen, wenn sie die Kompetenzen ausübt, die ihr in Anwendung von Art. 138 der Verfassung (der sogenannten „Saint-Quentin-Klausel“) von der Französischen Gemeinschaft übertragen wurden.[164] Gleiches scheint auch in Bezug auf die Gemeinsame Gemeinschaftskommission angenommen zu werden.[165] Es sei allerdings darauf hingewiesen, dass eine Nichtigkeitsklage durch ein gesetzgebendes Organ nur eingereicht werden kann, wenn dies von einer Zweidrittelmehrheit der Mitglieder der jeweiligen Versammlung beschlossen wurde.

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