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II.Das Problem der Steuerung von Zuwanderung und rechtliche Instrumentarien der Zuwanderungskontrolle

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59Die Steuerung der Zuwanderung hat die Diskussion um das Zuwanderungsgesetz erheblich geprägt1. Mit dem Erlass des Zuwanderungsgesetzes ist die Zielsetzung einer Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung verbunden (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AufenthG). Die Vorstellung, vor dem Erlass des Zuwanderungsgesetzes sei die Zuwanderung in die Bundesrepublik Deutschland weitgehend ungesteuert erfolgt, ist allerdings irrig. Bereits die Zuwanderung von „Gastarbeitern“ und ihren Familienangehörigen erfolgte aufgrund rechtlicher Vorgaben und bewusster politischer Entscheidungen, nach dem Ende des Anwerbestopps den Aufenthalt dieser Personen nicht zu beenden, sondern in ein unbefristetes Aufenthaltsrecht bzw. eine Aufenthaltsberechtigung und damit faktisch in einen Einwandererstatus zu überführen.

60Der Begriff der Zuwanderung ist von demjenigen der Einwanderung zu unterscheiden. Während Einwanderung im Aufenthaltsrecht durch das unbefristete Aufenthaltsrecht bzw. den Daueraufenthalt gekennzeichnet ist, erfasst der Begriff der Zuwanderung eine Fülle unterschiedlicher Sachverhalte und Interessenlagen. Sie reichen von der Visumerteilung zum Zweck kurzfristiger Besuchs- oder Tourismusaufenthalte über von vornherein zeitlich befristete Aufenthalte zum Zweck des Studiums, der Erbringung von Dienstleistungen oder der Ausübung saisonaler Beschäftigung bis zum Niederlassungsrecht für besonders qualifizierte Wissenschaftler (§ 18d AufenthG). Ob eine „Einwanderung“ vorliegt, beurteilt sich allerdings häufig erst nach der Einreise. Dies macht einen, wenn auch nicht den ­einzigen grundlegenden Unterschied zur Migrationspolitik klassischer Einwanderungsstaaten, wie z. B. der USA oder Kanada aus. Dementsprechend ist Gegenstand einer rechtlichen Erfassung der Einwanderung in Deutschland in den seltens­ten Fälle eine einzige behördliche Entscheidung, sondern ein aufenthaltsrechtlicher Prozess der Verfestigung, der in erster Linie durch das Aufenthaltsgesetz geregelt wird, aber auch teilweise verfassungs- und völkerrechtlich durch ideologisch-politische Konzepte wie „Verwurzelung“ oder „Kindeswohl“ determiniert ist2.

61Die Zuwanderung von Arbeitskräften nach Deutschland erfolgt nicht ungesteuert, sondern vielmehr aufgrund eines differenzierten Regelungswerks, das sowohl den Aufenthalt zum Zweck der Aus- und Weiterbildung als auch den länger dauernden Aufenthalt hoch qualifizierter Ausländer oder den kurzfristigen Aufenthalt von Saisonarbeitskräften umfasst. Wenn demnach § 1 Abs. 1 Satz 1 AufenthG die Steuerung und Begrenzung von Ausländern als primäres Ziel des neuen AufenthG definiert, ist damit offensichtlich etwas anderes gemeint als die Schaffung eines Regelwerks über die Voraussetzungen, unter denen unterschiedliche Kategorien von Ausländern in die Bundesrepublik einreisen und dort Aufenthalt nehmen können. Zweck ist eine stärker „zielorientierte“ Steuerung insbesondere durch die Verfahren, nach denen ein Aufenthaltstitel zum Zweck der Erwerbstätigkeit erlangt werden kann. Für die maßgeblichen Steuerungsfaktoren lassen sich konkurrierende Perspektiven u. a. der Gefahrenabwehr, zwischenstaatlicher Kooperation, okönomische Gründe, kulturelle Erwägungen und individualrechtliche Aspekte (Menschenrechte, Refoulement-Verbot) unterscheiden3.

62Mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz ist die Steuerung des Zugangs von Drittstaatsangehörigen zum Arbeitsmarkt durch das Prinzip des Vorrangs der Vermittlung inländischer oder gleichgestellter EU-Arbeitskräfte suspendiert, wenn auch nicht völlig als gesetzliche Regelungsoption (vgl. § 39 Abs. 3 Nr. 3 AufenthG) aufgehoben worden. Die Steuerung erfolgt vielmehr durch ein Verfahren der Zustimmung für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis durch die Bundesagentur für Arbeit, die allerdings im Regelfall nur die Gleichheit der Arbeitsbedingungen und das Vorliegen einer der erforderlichen beruflichen Qualifikation angemessenen Beschäftigung, soweit evtl. weiterer gesetzlicher Voraussetzungen für die Berufsausübung, zu überprüfen hat. Die Feinsteuerung erfolgt durch die Beschäftigungsverordnung, die regelt, unter welchen Bedingungen die Zustimmung entbehrlich ist oder sich auf eine Prüfung vergleichbarer Arbeitsbedingungen beschränkt. Im Übrigen setzt die Erteilung eines Aufenthaltstitels zum Zweck der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, soweit nicht in einer Rechtsverordnung etwas anderes bestimmt ist, im Grundsatz die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit voraus, es sei denn, die Zustimmung ist kraft Gesetzes, aufgrund der Beschäftigungsverordnung oder -bestimmung in einer zwischenstaatlichen Vereinbarung nicht erforderlich (§ 39 Abs. 1 Satz 1 AufenthG).

63Neben den Problemen bei der Steuerung der Arbeitskräftezuwanderung stellt sich noch ein weiteres, gravierenderes Problem der Zuwanderungssteuerung derjenigen Ausländer, die zwar über kein Aufenthaltsrecht verfügen, aber dennoch aus vielfachen Gründen nicht in ihren Heimatstaat zurückkehren. Zuwanderungskontrolle bedeutet daher auch eine Kontrolle über die Beendigung des Aufenthalts derjenigen Ausländer, die nicht oder nicht mehr über ein Aufenthaltsrecht verfügen. Unkontrollierte Zuwanderung im eigentlichen Sinne ergibt sich daraus, dass rechtliche Pflichten zur Ausreise nicht ausreichend durchgesetzt werden können und hieraus eine faktische Einwanderung resultiert; sei es, dass aufgrund rechtlicher oder sei es, dass aufgrund faktischer Gründe aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht durchgesetzt werden.

64Das AuslG 1990 versuchte mit mäßigem Erfolg, dem durch das Rechtsinstitut der Duldung einen Riegel vorzuschieben. Die Duldung war als Instrument der vorübergehenden Aussetzung des Vollzugs aufenthaltsbeendender Maßnahmen konzipiert, ohne dass daraus ein Aufenthaltsrecht abgeleitet werden konnte. In der Praxis wurde die Duldung freilich nicht selten als „Quasi-Aufenthaltsrecht“ selbst für Ausländer, die sich schon lange im Bundesgebiet aufhielten, eingesetzt. Obwohl das AufenthG dieser Praxis deutliche Schranken dadurch gesetzt hat, dass der Anwendungsbereich der Duldung einerseits wesentlich beschränkt worden ist, andererseits Vorrichtungen geschaffen worden sind, um die Ausreisepflicht vollziehen zu können, war der Erfolg mäßig. Daher haben die Länder die Möglichkeit erhalten, Ausreiseeinrichtungen für vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer zu schaffen. Der Aufenthalt eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers ist zudem räumlich auf das Gebiet des Landes beschränkt4. Darüber hinaus wurden die Möglichkeiten zur Anordnung von Abschiebungshaft erweitert5. Auch diesem Regelungswerk war nur ein beschiedener Erfolg beschieden. Der Gesetzgeber hat daher mit dem Zweiten Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht v. 15.8.2019 zahlreiche Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes und des Asylgesetzes, die die Unterbringung ausreisepflichtiger Ausländer und deren Mitwirkungspflichten betreffen geändert, um die Ausreisepflicht von Ausländern effektiver durchzusetzen.

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