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III.Verhinderung der unerlaubten Einreise durch Zurückweisung an der Grenze

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Fall 5 a: Der marokkanische Staatsangehörige M will im Jahr 2012 mit einem durch das französische Konsulat ausgestellten Schengen-Visum in die Bundesrepublik Deutschland einreisen. Er ist wegen wiederholter Sexualstraftaten rechtskräftig zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde. Nach Strafverbüßung ist er freiwillig nach Marokko ausgereist. Auf dem Flughafen Frankfurt macht er bei der Einreise aus Marokko geltend, dass er lediglich durch Deutschland reisen wolle, um sich in Paris aufzuhalten. Dürfen die Grenzbeamten dem M die Einreise verweigern?

Fall 6: M bringt gegen die beabsichtigte Zurückschiebung vor,

a) dass er in seinem Heimatland strafrechtlich verfolgt werde, wobei ihm die Todesstrafe drohe,

b) dass er Gefahr laufe, in seinem Heimatland wegen Drogendelikten bestraft zu werden und seine Strafe in einem Gefängnis verbüßen zu müssen, in dem in einem Raum bekanntermaßen mehr als zehn Gefangene untergebracht seien, ohne dass ausreichende sanitäre Bedingungen vorhanden seien.

Sind diese Umstände bei der Entscheidung zu berücksichtigen?

Fall 7: Macht es einen Unterschied, wenn M nach Strafverbüßung nach Marokko abgeschoben worden ist?

128Ein Ausländer, der unerlaubt einreisen will, wird an der Grenze zurückgewiesen (§ 15 Abs. 1 AufenthG). Die Einreise ist nach § 14 Abs. 1 AufenthG unerlaubt, wenn der Ausländer

1. ein erforderliches Ausweisdokument nicht besitzt,

2. den erforderlichen Aufenthaltstitel (z. B. Visum oder Aufenthaltserlaubnis) nicht besitzt,

2a. zwar das erforderliche Visum besitzt, dieses aber durch falsche Angaben, Drohung oder Bestechung erlangt hat und deshalb das Visum zurückgenommen oder annulliert wird,

3. trotz Pass und Aufenthaltstitel gegen ihn ein Einreiseverbot besteht.

129Nach § 15 Abs. 1 i. V. m. § 14 Abs. 1 AufenthG erfolgt in diesem Fall zwingend die Zurückweisung des Ausländers an der Grenze, d. h. die Verweigerung der Einreise durch die Grenzbehörden1. Davon unberührt bleibt die Anwendung besonderer Bestimmungen zum Asylrecht und internationalen Schutz. Lediglich mittelbar ist den Grenzbehörden ein gewisser Ermessensspielraum insoweit eröffnet, als sie dem Ausländer nach § 14 Abs. 2 AufenthG an der Grenze ein Ausnahmevisum oder ein Passersatzpapier ausstellen können, wobei deren Ablehnung gem. § 77 Abs. 2 AufenthG weder einer Begründung noch der Schriftform bedarf. Außerdem sieht Art. 6 Abs. 4 lit. c Schengener Grenzkodex vor, dass Drittstaatsangehörigen die Einreise trotz Nichterfüllung der Voraussetzungen aus humanitären Gründen oder Gründen des nationalen Interesses oder aufgrund internationaler Verpflichtungen gestattet werden kann2. Gemäß § 15 Abs. 3 AufenthG kann unter bestimmten Voraussetzungen eine Zurückweisung auch gegenüber solchen Ausländern ausgesprochen werden, die für einen vorübergehenden Aufenthalt im Bundesgebiet vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit sind.

130Hinsichtlich der Erforderlichkeit eines Aufenthaltstitels ist grundsätzlich von einer objektiven Betrachtungsweise auszugehen, es sei denn, ein geltend gemachter Befreiungstatbestand knüpft an den beabsichtigten Aufenthalt des Ausländers an. Im Grundsatz ist die formelle Berechtigung zum Grenzübertritt maßgeblich. Strittig ist, ob die vorgelegten Dokumente, etwa ein sog. Besucher- oder Touristenvisum mit dem wahren oder vermuteten Aufenthaltszweck korrespondieren müssen.

131Neben dem in § 14 geregelten Fall der unerlaubten Einreise, die zwingend zur Einreiseverweigerung führt, kann (Ermessen) ein Ausländer an der Grenze auch dann zurückgewiesen werden, wenn ein Ausweisungsinteresse besteht (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG), wenn der begründete Verdacht besteht, dass der Aufenthalt des Ausländers nicht dem angegebenen Zweck dient, wenn der Ausländer nur über ein Schengen-Visum verfügt, aber Anhaltspunkte dafür bestehen, dass er im Bundesgebiet einer Erwerbstätigkeit nachkommen will oder wenn er die Voraussetzungen nach Art. 6 des Schengener Grenzkodex nicht erfüllt. In diesen Fällen kommt eine fakultative Zurückweisung (Ermessen) gem. § 15 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG in Betracht.

132Für den Zurückweisungsgrund des Ausweisungsinteresses reicht das bloße Vorliegen eines Ausweisungsinteresses aus. Nicht erforderlich ist, dass der Ausländer ermessensfehlerfrei ausgewiesen werden könnte. Die Zurückweisungsmöglichkeit wegen Vorliegens eines Ausweisungsinteresses besteht grundsätzlich unabhängig davon, ob der Ausländer die Einreisevoraussetzungen nach § 15 Abs. 1 AufenthG erfüllt. Verfügt der Ausländer jedoch über einen gültigen deutschen Aufenthaltstitel, so dürfen sich die Grenzbehörden nicht über die Entscheidung der für seine Erteilung zuständigen Behörden hinwegsetzen. Wurde etwa ein Aufenthaltstitel trotz einer Versagungsmöglichkeit erteilt, so dürfen die Grenzbehörden bei unveränderter Sachlage keine Zurückweisung aussprechen, indem sie sich ihrerseits auf das Vorliegen eines Ausweisungsinteresses berufen. Die Erteilung eines Schengen-Visums beinhaltet jedoch keine für andere EU-Mitgliedstaaten bindende Wirkung derart, dass einem Ausländer unabhängig vom Vorliegen einer Gefahr für die öffentliche Ordnung die Einreise zu gestatten ist. Mit der Erteilung des Schengen-Visums wird lediglich die Erfüllung des in Art. 6 Abs. 1b niedergelegten Erfordernisses des Besitzes eines gültigen Visums nachgewiesen, nicht aber die Erfüllung anderer Voraussetzungen, wie sie u. a. in Art. 6 Abs. 1d (Ausschreibung zur Einreiseverweigerung) oder Art. 6 Abs. 1c (keine Gefahr für die öffentliche Ordnung) aufgeführt sind.

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