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2.Einreisevisum

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a) Visumerfordernis als Einreisevoraussetzung.

Fall 1: Der chilenische Staatsangehörige K möchte sich für die Dauer von zwei Monaten für

a) einen Urlaub,

b) zwecks Aufnahme einer Erwerbstätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Macht es einen Unterschied, ob er als Kellner arbeiten will oder bei der Fa. Siemens eine zweimonatige Tätigkeit zur konzerninternen Weiterbildung ausüben möchte?

Ist für seine Einreise ein Visum erforderlich?

Fall 2: K, ein Staatsangehöriger Kameruns, der zu geschäftlichen Zwecken mit einer italienischen Aufenthaltserlaubnis nach Italien reisen will, möchte seinen Flug zum Zweck der Durchreise nach Italien in Frankfurt unterbrechen. Ihm wird von der Bundespolizei am Flughafen die Einreise verweigert. Zu Recht?

Fall 3: Die Japanerin J reist in die Bundesrepublik Deutschland ein, ohne zuvor ein Visum eingeholt zu haben. Nach zwei Monaten möchte sie ein Universitätsstudium aufnehmen und beantragt daher eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Ausbildung. Die Ausländerbehörde lehnt den Antrag der J ab mit der Begründung, J sei illegal nach Deutschland eingereist. Zu Recht?

Fall 4: Der russische Staatsangehörige R möchte einen Urlaub von vier Wochen in Deutschland verbringen und anschließend für vier weitere Wochen nach Frankreich reisen. Muss er zwei separate Visa für die Einreise nach Deutschland und nach Frankreich beantragen?

Fall 5: Eine marokkanische Staatsangehörige beantragt bei dem deutschen Konsulat ein Visum zum Zweck des Besuchs ihrer im Jahre 2005 und 2007 geborenen Kinder, die seit 2008 bei ihrem geschiedenen Ehemann in Deutschland leben. Im Verfahren gab sie zunächst an, aus touristischen Gründen nach Deutschland einreisen zu wollen, später erklärte sie, ihre Kinder besuchen zu wollen. Der Antrag auf Visumerteilung wurde abgelehnt, da die Antragstellerin keine konkrete und glaubwürdige Rückkehrperspektive dargelegt habe.

90§ 4 AufenthG statuiert den Grundsatz, dass Ausländer für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet eines Aufenthaltstitels bedürfen1. Ausnahmen können sich aufgrund des Rechts der Europäischen Union, aufgrund einer Rechtsverordnung2 oder aufgrund des Assoziationsabkommens EWG/Türkei vom 12.9.1963 ergeben, wenn sich daraus ein Aufenthaltsrecht ableiten lässt3. Das Erfordernis des Aufenthaltstitels für Einreise und Aufenthalt wird als ein für die Steuerung der Zuwanderung wesentliches Element angesehen. Das AufenthG kennt aufgrund der unionsrechtlichen Vorgaben verschiedene Arten von Aufenthaltstiteln, die an die Stelle einer ursprünglich vorgesehenen Vereinfachung des Systems von Aufenthaltsrechten getreten sind. Dies sind das Visum (§ 6 AufenthG), die Aufenthaltserlaubnis (§ 7 AufenthG), die Blaue Karte (§ 18b Abs. 2 AufenthG), die ICT-Karte (§ 19), die Mobiler ICT–Karte (§ 19b) die Niederlassungserlaubnis (§ 9) und die Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU (§ 9a)4.

91Das Visum als eigenständiger Aufenthaltstitel wird stets vor der Einreise von den deutschen Vertretungen im Ausland5 erteilt. Außerdem ist es gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG Voraussetzung für die Erteilung einer Aufenthalts- oder Niederlassungserlaubnis bzw. für die Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU, welche nach der Einreise erfolgt. Der Kreis derjenigen Drittstaatsangehörigen, die ein Visum zur Einreise in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union benötigen, ist abschließend durch die EU-Visumsverordnung festgelegt6. Diese Verordnung enthält zugleich die Liste der Drittstaaten, deren Staatsangehörige von der Visumpflicht bei Aufenthalten, die insgesamt 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen nicht überschreiten, befreit sind.

92Auch Angehörige der Staaten, die nach der EU-Visumsverordnung vom Erfordernis eines Visums für Kurzaufenthalte befreit sind, benötigen für die Einreise und den Kurzaufenthalt dann einen Aufenthaltstitel, sofern sie im Bundesgebiet eine Erwerbstätigkeit ausüben (vgl. § 17 Abs. 1 AufenthV) oder einen längerfristigen Aufenthalt beabsichtigen. Diese Vorschrift findet allerdings keine Anwendung, soweit der Ausländer im Bundesgebiet bis zu drei Monaten innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten lediglich Tätigkeiten selbstständig oder unselbstständig ausübt, die nach § 30 Nr. 2 und 3 BeschV nicht als Beschäftigung gelten oder entsprechende selbstständige Tätigkeiten ausübt. Privilegiert sind u. a. wissenschaftliche Tätigkeiten, Beschäftigungen aus karitativen Gründen, Ferienbeschäftigung von Studierenden, konzerninterne Weiterbildung, für Werkleistungen entsandte Angestellte. Besondere Privilegien gelten nach § 41 AufenthV auch für Staatsangehörige bestimmter Staaten wie Israel, Aus­tralien, Japan, Kanada, Korea, Neuseeland, des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland und der USA. Sie können auch für einen Aufenthalt, der kein Kurzaufenthalt ist, grundsätzlich visumfrei in das Bundesgebiet einreisen und einen erforderlichen Aufenthaltstitel erst im Bundesgebiet einholen. Ausnahmen gelten ferner für Drittstaatsangehörige, die Inhaber eines Aufenthaltstitels oder eines ­Visums für einen langfristigen Aufenthalt in einem anderen EU-Mitgliedstaat sind, für den Zweck der Durchreise.

93Zu unterscheiden sind drei Arten von Visa. Zum einen gibt es das Schengen-Visum nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 AufenthG für die Durchreise oder einen Aufenthalt von bis zu 90 Tagen sowie das Flughafentransitvisum für die Durchreise durch die internationalen Transitzonen der Flughäfen. Zum anderen gibt es das nationale Visum gemäß § 6 Abs. 3 AufenthG für Aufenthalte von mehr als 90 Tagen, das nach den für die Erteilung eines Aufenthaltstitels geltenden Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes erteilt wird. Das nationale Visum wird grundsätzlich vor der Einreise erteilt. Die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs betrauten Behörden können in besonderen Fällen an der Grenze Ausnahmevisa und Paßersatzpapiere zum Zweck der Einreise ausstellen.

94b) Das nationale Visum. Das für längerfristige Aufenthalte erforderliche nationale Visum berechtigt im Grundsatz nur zur Einreise nach und zum Aufenthalt in Deutschland. Da das nationale Visum materiellrechtlich der Aufenthalts- bzw. Niederlassungserlaubnis oder Blauen Karte oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG entspricht, richtet sich dessen Erteilung nach den für die Erteilung dieser Aufenthaltstitel geltenden Vorschriften (vgl. § 6 Abs. 3 Satz 2 AufenthG)1. Dieses Visum bedarf gem. § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthV im Allgemeinen der vorherigen Zustimmung der Ausländerbehörde. Eine Vorabzustimmung durch die Ausländerbehörde kann insbesondere im Fall eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels, eines öffentlichen Interesses, in den Fällen der §§ 18, 19, 19a, 19b, 19d oder 21 des Aufenthaltsgesetzes, in denen aufgrund von Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 eine Zustimmung der Ausländerbehörde vorgesehen ist, oder in dringenden Fällen der Visumerteilung vor der Beantragung des Visums bei der Auslandsvertretung erteilt werden.

95Im Fall des durch das Fachkräfteeinwanderungsgesetzes neu eingeführten Fachkräftevermittlungsverfahrens nach § 81a AufenthG vergibt die Auslandsvertretung einen Termin zur Visumantragstellung innerhalb von drei Wochen nach Vorlage der Vorabzustimmung der Ausländerbehörde durch die Fachkraft. Die Bescheidung des Visumantrags erfolgt in der Regel innerhalb von drei Wochen ab Stellung des vollständigen Visumantrags.

Befreiungen vom Zustimmungserfordernis der Ausländerbehörden sind unter anderem vorgesehen, wenn die oberste Landesbehörde der Visumerteilung zugestimmt hat, bei Spätaussiedlern, die einen Aufnahmebescheid nach dem BVFG erhalten haben sowie bei Forschern, Wissenschaftlern, die für eine wissenschaftliche Tätigkeit von deutschen Wissenschaftsorganisationen vermittelt werden, Stipendiaten und Studenten2.

In bestimmten Fällen gilt die Zustimmung als erteilt, wenn nicht die Ausländerbehörde der Erteilung des Visums binnen einer bestimmten Frist nach Übermittlung der Daten des Visumantrages an sie widerspricht oder die Ausländerbehörde im Einzelfall innerhalb dieses Zeitraums der Auslandsvertretung mitgeteilt hat, dass die Prüfung nicht innerhalb dieser Frist abgeschlossen wird3.

96Die Zustimmung der Ausländerbehörde ist lediglich eine verwaltungsinterne Form der Beteiligung. Die Zustimmung einer Ausländerbehörde zur Visumerteilung entbindet die Auslandsvertretungen in keinem Fall von der Prüfung, ob Versagungsgründe vorliegen. Liegen zwingende oder Regelversagungsgründe vor, muss der Visumantrag in der Regel abgelehnt werden. Bei Anträgen auf Visa für längerfristige Aufenthalte, in denen die Auslandsvertretung die Visumerteilung nicht für gerechtfertigt hält, weil die Voraussetzungen für eine Visumerteilung nicht vorliegen, ist die Beteiligung der Ausländerbehörde nicht zwingend geboten, da § 31 AufenthV lediglich die Erteilung des Visums von der Zustimmung der Ausländerbehörde abhängig macht, nicht aber die Visumversagung. Ungeachtet dessen kann die Auslandsvertretung nach ihrem eigenen Ermessen die Ausländerbehörden beteiligen, sofern anzunehmen ist, dass die Ausländerbehörde wesentliche Gesichtspunkte aus ihrer spezifischen Kenntnis der Gegebenheiten im Inland beitragen kann.

97Für Visumanträge zum Zweck der Ausbildung und Weiterbildung ist bei Ermessensentscheidungen dem öffentlichen Interesse an der Förderung des Studien- und Wissenschaftsstandorts Deutschland gebührend Rechnung zu tragen. Dieses Interesse schlägt sich u. a. in Verfahrensvereinfachungen, Befreiung vom Erfordernis der Zustimmung der Ausländerbehörde für die in § 34 AufenthV genannten Gastwissenschaftler und Stipendiaten und Schweigefristverfahren für Studenten ­nieder, ist jedoch auch bei der Ermessensausübung und bei der Gestaltung der organisatorischen Abläufe zu berücksichtigen. Nach Inkrafttreten des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes am 1.3.2020 gilt das Beschleunigungs- und Erleichterungsgebot auch für die Gewinnung von Fachkräften nach den §§ 18 ff. und dem Fachkräfteverfahren nach § 81a AufenthG4.

98Das nationale Visum ist nur für das Hoheitsgebiet des ausstellenden Schengen-Staates gültig. Liegen die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 a, c, d und e Schenger Grenzkodex (SGK) vor, gilt das nationale Visum jedoch nach Art. 21 SDÜ als einheitliches Visum für einen kurzfristigen Aufenthalt. Handelt es sich um einen Drittstaatsangehörigen, der einen Aufenthaltstitel in einem EU-Mitgliedstaat besitzt, für den das SDÜ nicht oder noch nicht in vollem Umfang anwendbar ist, so besteht grundsätzlich kein Recht auf visumfreie Einreise und Aufenthalt für einen Zeitraum von bis zu drei Monaten.

99Für jeden Visumantragsteller werden bei der ersten Antragseinreichung biometrische Daten nach Art. 13 Visakodex (VK) erhoben. Die Daten umfassen ein Lichtbild und 10 Fingerabdrücke, die in nachfolgende Visa-Folgeanträge kopiert werden können (Art. 13 Abs. 2 VK), sofern keine begründeten Zweifel an der Identität des Antragstellers bestehen. Das Lichtbild wird in das Visainformationssystem (VIS) eingegeben (Art. 9 Abs. 5 VIS-Verordnung (EG) Nr. 767/2008). Angehörige bestimmter Personengruppen (z. B. Kinder, Personen, bei denen eine Abnahme von Fingerabdrücken physisch unmöglich ist, Staats- und Regierungschefs usw.) sind von der Pflicht zur Abgabe von Fingerabdrücken befreit5.

100Grundsätzlich gilt, dass alle Drittstaatsangehörigen, die einen langfristigen Aufenthalt im Bundesgebiet anstreben, einen Aufenthaltstitel, der zum langfristigen Aufenthalt berechtigt, vor der Einreise im Bundesgebiet in einem Verfahren über die Erteilung eines Visums bei den deutschen Auslandsvertretungen beantragen müssen. Auch das Bestehen eines Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis rechtfertigt noch nicht die visumfreie Einreise eines Drittstaatsangehörigen, der Angehöriger eines Staates ist, der nach der EU VisumVO grundsätzlich als Positivstaater vom Erfordernis eines Visums zum Zweck eines kurzfristigen Aufenthalts vom Visumerfordernis befreit ist. Die Ausnahmen, die von diesem Grundsatz bestehen, sind im Aufenthaltsgesetz und in §§ 39–41 AufenthV niedergelegt.

101c) Das Schengen-Visum. Die Erteilung des Schengen-Visums richtet sich für Aufenthalte bis zu 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen für alle Schengenstaaten einheitlich nach dem Visakodex vom 13.7.20091. Ein Schengen-Visum kann als einheitliches Visum für das gesamte Gebiet der Mitgliedstaaten, als Visum mit beschränkter Gültigkeit für ein oder mehrere Mitgliedstaaten oder als Visum für den Flughafentransit erteilt werden. Für den Flughafentransit sieht der Visakodex eine Reihe von Befreiungen für Drittstaatsangehörige vor, die im Besitz eines Aufenthaltstitels eines bestimmten Drittstaates oder Schengenstaates, für die Schengen Regeln noch nicht in vollem Umfang gelten, oder die im Besitz eines nationalen Visums eines EU-Mitgliedstaats oder EWR-Staates sind2.

102Für Drittstaatsangehörige, die im Besitz eines von einem Schengenstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind, besteht aufgrund von Art. 21 Abs. 1 und 2 SDÜ ein Aufenhaltsrecht aufgrund dieses Titels für höchstens bis zu drei Monaten in anderen Schengenstaaten, sofern diese alle Voraussetzungen für die Anwendung des Schengen-Besitzstands erfüllen. Der Aufenthaltstitel hat in diesem Fall die Wirkungen eines Schengen-Visums. Erfasst werden nur Einreisen für kurzfristige Aufenthalte, die eine Dauer von 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen nicht überschreiten. Eine Visabefreiung für einen Aufenthalt zu längerfristigen Zwecken oder einem Erwerbsaufenthalt wird dadurch nicht begründet.

103Nach Art. 4 Abs. 1 und Art. 5 Visakodex (VK) sind die diplomatischen oder konsularischen Vertretungen des Vertragsstaates, in dessen Hoheitsgebiet das Hauptreiseziel liegt, oder in Ermangelung eines solchen, die Vertretungen des Vertragsstaates der ersten Einreise für die Erteilung des Sichtvermerks zuständig. In Übereinstimmung mit innerstaatlichen Einreisevorschriften ist Voraussetzung für die Erteilung eines einheitlichen Sichtvermerks, dass ein für alle Vertragsparteien gültiges Reisedokument vorgelegt wird (Art. 12 VK). Nach Art. 21 Abs. 1 VK müssen darüber hinaus die Einreisevoraussetzungen nach Art. 6 Abs. 1 lit. a, c, d und e Schengener Grenzkodex (SGK)3 erfüllt sein. Zur Verringerung des Verwaltungsaufwands und zur Erleichterung des Reiseverkehrs für Vielreisende können auch Visa für die mehrfache Einreise mit langer Gültigkeitsdauer erteilt werden.

104Erfüllt ein Antragsteller die Einreisevoraussetzungen nach Artikel 6 Abs. 1 lit. a und c bis e SGK, so werden Visa für die mehrfache Einreise mit langer Gültigkeitsdauer für die folgenden Zeiträume erteilt, es sei denn, die Gültigkeitsdauer des Visums würde die des Reisedokuments übersteigen: a) für eine Gültigkeitsdauer von einem Jahr, sofern dem Antragsteller in den beiden vorangegangenen Jahren drei Visa erteilt wurden, die er vorschriftsmäßig verwendet hat; b) für eine Gültigkeitsdauer von zwei Jahren, sofern dem Antragsteller in den beiden vorangegangenen Jahren ein Visum für die mehrfache Einreise mit einer Gültigkeitsdauer von einem Jahr erteilt wurde, das er vorschriftsmäßig verwendet hat; c) für eine Gültigkeitsdauer von fünf Jahren, sofern dem Antragsteller in den vorangegangenen drei Jahren ein Visum für die mehrfache Einreise mit einer Gültigkeitsdauer von zwei Jahren erteilt wurde, das er vorschriftsmäßig verwendet hat. Antragstellern, die nachweislich häufig oder regelmäßig reisen müssen, beziehungsweise ihre entsprechende Absicht begründen, kann ein Visum für die mehrfache Einreise mit einer Gültigkeitsdauer bis zu fünf Jahren erteilt werden, sofern sie ihre Integrität und Zuverlässigkeit, insbesondere die vorschriftsmäßige Verwendung ihnen zuvor erteilter Visa, ihre wirtschaftliche Situation im Herkunftsland und ihre ehrliche Absicht, das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vor Ablauf des von ihnen beantragten Visums auch wirklich zu verlassen, nachweisen.

105Voraussetzung für die Ausstellung eines Schengenvisums ist, dass der Antragsteller keine Gefahr für die Sicherheit der Mitgliedstaaten darstellt und dass er beabsichtigt, nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des beantragten Visums das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten zu verlassen. Zur Überprüfung dieser Voraussetzungen wird das VIS nach der VIS-Verordnung (VO (EG) Nr. 767/2008 vom 9.7.2008 über das Visa-Informationssystem [VIS] und den Datenaustausch zwischen den Mitgliedstaaten über Visa für einen kurzfristigen Aufenthalt [VIS-Verordnung])4 abgefragt.

106Art. 21 Abs. 3 VK listet eine Reihe von Punkten auf, die das Konsulat bei der Visumerteilung zwingend überprüfen muss, unter anderem

– Echtheit des Reisedokuments

– Begründetheit der Angaben zur finanziellen Leistungsfähigkeit5

– Bestehen einer Ausschreibung im SIS zur Einreiseverweigerung

– Bestehen einer Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit oder die öffentliche Gesundheit oder für die internationalen Beziehungen eines Mitgliedstaats, bzw.

– Ausschreibung in nationalen Datenbanken zur Einreiseverweigerung aus diesen Gründen

– Bestehen einer angemessenen und gültigen Krankenversicherung.

107Art. 14 des Visakodex enthält eine detaillierte, nicht erschöpfende Aufzählung der Belege, die ein Mitgliedstaat von einem Antragsteller verlangen kann, um zu prüfen, ob die Vorausetzungen für die Visumerteilung vorliegen.

108Die Mitgliedstaaten können insbes. verlangen, dass der Antragsteller durch Ausfüllen eines Formulars, das jeder Mitgliedstaat erstellt, den Nachweis einer Kostenübernahme oder einer privaten Unterkunft oder von beidem vorlegt. Dem Formular muss insbesondere Folgendes zu entnehmen sein: a) ob es zum Nachweis der Kostenübernahme oder der privaten Unterkunft oder von beidem dient; b) ob der Sponsor oder die einladende Person eine Einzelperson, ein Unternehmen oder eine Organisation ist; c) die Identität und Kontaktdaten des Sponsors oder der einladenden Person; d) die Identitätsdaten (Vor- und Nachname, Geburtsdatum und ­ort sowie Staatsangehörigkeit) des Antragstellers/der Antragsteller; e) die Anschrift der Unterkunft; f) die Dauer und der Zweck des Aufenthalts; g) etwaige familiäre Bindungen zum Sponsor oder zur einladenden Person.

109War der Antragsteller bereits früher im Schengengebiet, so ist zu prüfen, ob der Antragsteller die zulässige Höchstdauer des Aufenthalts nicht überschritten hat, ungeachtet etwaiger rechtmäßiger Aufenthalte aufgrund eines nationalen Visums für den längerfristigen Aufenthalt oder eines von einem anderen Mitgliedstaat erteilten Aufenthaltstitels (Art. 21 Abs. 4 VK).

110Der Drittausländer ist verpflichtet, die Dokumente vorzulegen, die den Aufenthaltszweck und die Umstände des Aufenthalts belegen. Er hat das Vorliegen ausreichender Mittel zur Sicherung des Lebensunterhalts durch Belege, Dokumente usw. nachzuweisen (Art. 6 Abs. 1 c SGK). Welche Dokumente im Einzelnen vorzulegen sind und welche Angaben der Antragsteller machen muss, ist im Einzelnen in Art. 14 VK geregelt. Kommt die Auslandsvertretung nach Bewertung der vorgelegten Belege zum Schluss, dass die Erteilungsvoraussetzungen nicht vorliegen, können weitere Nachweise angefordert werden. Werden diese nicht beigebracht, ist der Antrag abzulehnen. Von diesen Erfordernissen kann jedoch abgesehen werden, wenn der Antragsteller dem Konsulat oder den zentralen Behörden für seine Integrität und Zuverlässigkeit bekannt ist, insbesondere bei der vorschriftsmäßigen Verwendung ihm früher erteilter Visa, sofern kein Zweifel daran besteht, dass er die Voraussetzungen nach Artikel 6 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/399 zum Zeitpunkt des Überschreitens der Außengrenzen der Mitgliedstaaten erfüllen wird6.

111Erleichterungen gelten für der Auslandsvertretung bekannte „bona-fide-Reisende“, d. h. solche Reisende, die aufgrund bestimmter Kriterien von vornherein als zuverlässig anzusehen sind, bzgl. des Nachweises des Reisezwecks und der Mittel des Lebensunterhalts. Grundsätzlich wird die Auslandsvertretung dabei auch frühere Erfahrungen mit Antragstellern mit einbeziehen können. Liegen jedoch Tatsachen, wie z. B. die vorausgegangene erfolglose Betreibung eines Asylverfahrens vor, ist von einer fehlenden Rückkehrbereitschaft auszugehen.

112Weitere Voraussetzung ist der Nachweis einer angemessenen und gültigen Reisekrankenversicherung, die die Kosten für den Rücktransport im Krankheitsfall oder im Todesfall, die Kosten für ärztliche Nothilfe und/oder die Notaufnahme im Krankenhaus während des Aufenthalts abdeckt. Die Versicherung muss für das gesamte Gebiet der Mitgliedstaaten und für die gesamte geplante Aufenthalts- oder Durchreisedauer des Antragstellers gelten und eine Mindestdeckung von 30 000 Euro betragen (Art. 15 Abs. 3 VK). Bei einem Visum für eine mehrfache Einreise ist ausreichend, wenn der Krankenversicherungschutz für die Dauer des ersten geplanten Aufenthalts nachgewiesen wird. Art. 15 Abs. 6 VK enthält eine beträchtliche Erleichterung gegenüber der bisherigen Rechtslage durch eine Fiktion eines Versicherungsschutzes, wenn in Anbetracht der beruflichen Situation des Antragstellers davon ausgegangen werden kann, dass ein angemessener Versicherungsschutz besteht. Auch für bestimmte Berufssparten kann eine Befreiung vom Nachweis einer Reisekrankenversicherung gelten (Art. 15 Abs. 6 VK).

113Die Gründe für eine Visumverweigerung sind in Art. 32 VK abschließend und für die Mitgliedstaaten verbindlich geregelt. Liegen die Verweigerungsgründe vor, darf kein Visum im Sinne des Visakodex ausgestellt werden. Der Vorbehalt in Art. 32 Abs. 1 VK („unbeschadet des Art. 25 Abs. 1“) bedeutet, dass die Befugnis nach Art. 25 VK, ein räumlich beschränktes Visum abweichend von den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen zu erteilen, unberührt bleibt. Die abschließende Aufzählung zwingender Gründe für die Verweigerung eines Visums bedeutet zugleich, dass die Mitgliedstaaten ein Visum nur erteilen dürfen, wenn die Erteilungsvoraussetzungen erfüllt sind und kein Verweigerungsgrund vorliegt. Eine Entscheidung über eine Verweigerung und die Begründung hierfür werden dem Betroffenen unter Verwendung eines Standardformulars mitgeteilt.

Die Behörden eines Mitgliedstaats dürfen nach der EuGH Rechtsprechung einem Antragsteller nur dann ein Visum verweigern, wenn ihm einer der im Visakodex aufgeführten Verweigerungsgründe entgegengehalten werden kann7. Zugleich betont der EuGH, dass die Entscheidung darüber, ob einem Ausländer, der keinen Rechtsanspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besitzt, ein Schengen-Visum zum Zweck eines kurzfristigen Aufenthalts erteilt werden kann, auf einer nur beschränkt gerichtlich nachprüfbaren Risikoeinschätzung und Güterabwägung der Behörden beruht, die durch die gerichtliche Beurteilung nicht ersetzt oder korrigiert werden kann, wenn sie nicht auf fehlerhaften faktischen oder rechtlichen Grundlagen (z. B. verbotene Diskriminierung nach Rasse, Religion usw.) beruht. Insbesondere die Beurteilung der Rückkehrabsicht beruht auf einer nur durch die Behörden möglichen situationsgebundenen Prognose über das voraussichtliche Verhalten eines Antragstellers, die Einschätzung seiner Gesamtsituation und der Absichten, die mit dem Visumantrag verfolgt werden8.

Die Aufzählung der Verweigerungsgründe in Art. 32 Abs. 1 VK orientiert sich im Wesentlichen am bisher geltenden Recht. Verweigerungsgründe sind

– Vorlage eines falschen oder gefälschten Reisedokuments

– fehlende Begründung des Zwecks und der Bedingungen des geplanten Aufenthalts (beim Transitvisum Zweck und Bedingungen des geplanten Flughafentransits)

– fehlender Nachweis ausreichender Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts

– Vorangegangener Aufenthalt von 90 Tagen im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten im laufenden 180 Tage-Zeitraum auf der Grundlage eines einheitlichen Visums oder eines Visums mit räumlich beschränkter Gültigkeit

– Ausschreibung zur Einreiseverweigerung im SIS

– Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit oder die öffentliche Gesundheit oder für die internationalen Beziehungen eines Mitgliedstaats

– fehlender Nachweis für eine Krankenversicherung.

114Als Verweigerungsgrund kommt der Überprüfung von Reisezweck und Rückkehrabsicht in der Praxis der Visumerteilung eine besondere Bedeutung zu (vgl. insbes. Teil II, Nr. 7.12 VK-Handbuch). Die Verhinderung illegaler Einwanderung in die Mitgliedstaaten der Europäischen Union stellt ein gewichtiges öffentliches Interesse dar. Das Risiko, dass ein Drittstaatsangehöriger ein für einen kurzfristigen Aufenthalt erteiltes Visum zu einem länger dauernden Aufenthalt benutzt, begründet eine Gefahr für die öffentliche Ordnung9. Art. 32 Abs. 1 lit. b VK stellt neben den in Art. 32 Abs. 1 lit. a VK genannten objektiven Verweigerungsgründen alternativ maßgeblich darauf ab, ob begründete Zweifel an der Echtheit der von dem Antragsteller vorgelegten Belege oder am Wahrheitsgehalt ihres Inhalts, an der Glaubwürdigkeit seiner Aussagen oder von ihm bekundeten Absicht bestehen, das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vor Ablauf der Gültigkeit des beantragten Visums zu verlassen. Der Maßstab der begründeten Zweifel beinhaltet zunächst, dass die Zweifel hinsichtlich des wahren Reisezwecks und der Rückkehrbereitschaft sich auf konkrete, objektiv überprüfbare Anhaltspunkte stützen müssen. Solche Anhaltspunkte können sich aus falschen Angaben über den Reisezweck, aus früheren Überschreitungen der Geltungsdauer eines Visums oder den persönlichen Verhältnissen und Umständen eines Antragstellers und seiner im Bundesgebiet lebenden Bezugspersonen ergeben.

Begründete Zweifel i. S. des Art. 32 VK liegen jedenfalls dann vor, wenn ernsthafte Zweifel an der Rückkehrabsicht bestehen und das Risiko illegaler Einwanderung nicht nur als zu vernachlässigendes Restrisiko qualifiziert werden kann. Eine Wahrscheinlichkeitsprüfung derart, dass die Zweifel am angegebenen Einreisezweck und der Rückkehrbereitschaft so gewichtig sein müssen, dass die Wahrscheinlichkeit einer Umgehung von Einreisebestimmungen höher einzuschätzen ist als die Wahrscheinlichkeit der Einreise zum angegebenen Zweck bzw. der Rückkehr10 ist nicht erforderlich. Ausreichend ist das Vorliegen konkreter Anhaltspunkte, die ernsthafte Zweifel an der Rückkehrbereitschaft rechtfertigen.

115Der Drittstaatsangehörige darf auch keine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die nationale Sicherheit oder die internationalen Beziehungen eines der Schengen-Staaten darstellen. Eine Gefahr in diesem Sinne beinhaltet u. a. die innere als auch die äußere Sicherheit eines Mitgliedstaats. Die öffentliche Sicherheit kann daher sowohl durch die Beeinträchtigung des Funktionierens der Einrichtungen des Staates und seiner wichtigen öffentlichen Dienste sowie die Gefährdung des Überlebens der Bevölkerung als auch durch die Gefahr einer erheblichen Störung der auswärtigen Beziehungen oder des friedlichen Zusammenlebens der Völker oder eine Beeinträchtigung der militärischen Interessen berührt werden. Der Beurteilungsspielraum umfasst auch die Voraussetzung, ob der Ausländer keine Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die innere Sicherheit darstellt, weil eine solche Prüfung eine Prognose über das voraussichtliche Verhalten des Visumsantragstellers erfordert und unter anderem auf der Analyse verschiedener Dokumente und der Aussagen des Antragstellers beruht. Ein Schengen-Visum wird grundsätzlich annulliert und aufgehoben, wenn sich herausstellt, dass die Voraussetzungen für seine Erteilung zum Ausstellungszeitpunkt nicht erfüllt waren, insbesondere wenn es ernsthafte Gründe für die Annahme gibt, dass das Visum durch arglistige Täuschung erlangt wurde11.

Zwingend abzulehnen ist ein Visum bei Vorliegen eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 oder 4 AufenthG. Liegen Anhaltspunkte für eine Unterstützung terroristischer Bestrebungen vor, so hat die deutsche Auslandsvertretung zunächst durch eine Registerabfrage im Ausländerzentralregister (AZR) und durch Abfrage des Schengener Informationssystems festzustellen, ob eine Einreisesperre vorliegt. Ein betrügerisch erlangtes Visum ist zu annullieren. Erforderlich ist, dass die Täuschung für die Ausstellung des Visums kausal war. Falsche Angaben bei der Visumerteilung sind daher allein noch nicht ausreichend zur Annullierung eines Visums.

116Eine Verlängerung der Gültigkeitsdauer eines Visums bis zu einer Gesamtaufenthaltsdauer von 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen ist nach § 6 Abs. 2 AufenthG möglich. Für weitere 90 Tage kann aus den in Art. 33 VK genannten Gründen bei Vorliegen höherer Gewalt, aus humanitären Gründen, aus schwerwiegenden persönlichen Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen oder aus völkerrechtlichen Gründen ein Schengen Visum als nationales Visum (nur gültig für Aufenthalt in Deutschland) verlängert werden.

117Statt einer Aufhebung kann auch die Gültigkeitsdauer des erteilten Visums im Einzelfall verkürzt werden, wenn begründete Zweifel daran bestehen, dass die Einreisevoraussetzungen während des gesamten Zeitraums erfüllt werden.12 Nicht ausdrücklich geregelt ist die Frage, ob generell statt einer Aufhebung im Falle eines nachträglichen Wegfalls der Voraussetzungen für eine Visumerteilung auch eine nachträgliche Verkürzung der Aufenthaltsdauer oder Geltungsdauer des Visums möglich ist. Eine entsprechende Regelung war im Entwurf zum Visakodex vorgesehen, ist aber in der Schlussfassung des Kodex gestrichen worden13. Wegen der abschließenden Regelung der Annullierung und Aufhebung ist auch ein Rückgriff auf die Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes über die nachträgliche zeitliche Befristung nicht zulässig. Verhältnismäßigkeitserwägungen sprechen jedoch dafür, statt einer Aufhebung auch eine Verkürzung der Aufenthaltsdauer oder Geltungsdauer eines Visums zuzulassen. Davon gehen offensichtlich auch die Vertragsstaaten aus, wenn sie in die VIS-Verordnung (EG) Nr. 767/2008 (Visa-Informationssystem) Regeln über die Eingabe von Entscheidungen über die Aufhebung eines Visums oder Verkürzung der Geltungsdauer aufnehmen.

Lösung Fall 1 a): K ist als Chilene Positivstaater i. S. d. Anhang II zur Verordnung (EG) Nr. 2018/180614. Gem. Art. 1 Abs. 2 der EU-Visumsverordnung sind die Staatsangehörigen der Drittländer, die in der Liste in Anhang II aufgeführt sind, für einen Kurzaufenthalt von bis zu 90 Tagen von der Visumpflicht befreit, sofern sie keine Erwerbstätigkeit aufnehmen (vgl. §§ 15, 17 Abs. 1 AufenthV). Für die Einreise des K zu touristischen Zwecken ist somit kein Visum erforderlich.

Lösung Fall 1 b): Die Befreiung vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels gilt auch für Positivstaater i. S. d. Anhang II der EU-Visumsverordnung nicht, sofern sie im Bundesgebiet eine Erwerbstätigkeit ausüben (§ 17 Abs. 1 AufenthV). Dies gilt jedoch nicht, soweit der Ausländer im Bundesgebiet bis zu 90 Tagen innerhalb eines Zeitraums von 180 Tagen lediglich solche Tätigkeiten ausübt, die nach der BeschV nicht als Beschäftigung gelten (§ 30 Nr. 2 und 3 AufenthV). Es macht daher einen Unterschied, welche Art von Erwerbstätigkeit K anstrebt. Für die konzerninterne Weiterbildung benötigt er daher kein Visum, sondern kann mit einem gültigen Reisedokument einreisen. Dies setzt allerdings voraus, dass die Voraussetzungen einer konzerninternen betrieblichen Weiterbildung als Fachkraft (§ 17 BeschV) vorliegen.

Lösung Fall 2: Kamerun ist in der Gemeinsamen Liste in Anhang I zur EU-Visumsverordnung aufgeführt. Dies bedeutet, dass Staatsangehörige aus Kamerun beim Überschreiten der EU-Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen (§ 15 AufenthG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 der EU-Visumverordnung). Auf den Aufenthaltszweck kommt es nicht an. Jedoch ersetzt der Besitz eines italienischen Aufenthaltstitels nach Art. 6 Abs. 5 des Schengener Grenzkodex das fehlende Visum; K darf die Einreise zum Zweck der Durchreise nicht verweigert werden, d. h. K muss den Anschlussflug nachweisen.

Lösung Fall 3: Grundsätzlich dürfen Positivstaater nach § 39 Nr. 3 einen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet beantragen, wenn sie einen Rechtsanspruch besitzen, dessen Voraussetzungen erst nach der Einreise entstanden sind. Ausgenommen sind jedoch Aufenthaltstitel nach §§ 16b (Studium), 16e oder 19e. Gem. § 41 Abs. 1 AufenthV können jedoch Staatsangehörige bestimmter Staaten (z. B. USA, Kanada, Australien, Israel, Japan) auch für einen Aufenthalt, der kein Kurzaufenthalt ist, visumfrei in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten. Folglich ist J als Japanerin nicht illegal nach Deutschland eingereist. Der für eine Ausbildung erforderliche Aufenthaltstitel kann auch erst im Bundesgebiet eingeholt werden. J hat diese Aufenthaltserlaubnis nach § 16b AufenthG rechtzeitig, nämlich innerhalb von 90 Tagen nach der Einreise beantragt (§ 41 Abs. 3 Satz 1 AufenthV). Mithin kann die Ausländerbehörde den Antrag der J nicht allein mit der Begründung, sie sei ohne Visum und damit illegal nach Deutschland eingereist, ablehnen.

Lösung Fall 4: R muss keine zwei separate Visa beantragen, wenn er die Voraussetzungen für ein sog. Schengen-Visum erfüllt. Dabei handelt es sich um einen einheitlichen Sichtvermerk, der für das Hoheitsgebiet aller Schengen-Vertragsparteien, also sowohl für die Einreise nach Deutschland als auch nach Frankreich gültig ist und für einen Aufenthalt von bis zu 90 Tagen erteilt werden kann. Gem. Art. 6 Abs. 1 SKG muss R hierfür folgende Voraussetzungen erfüllen:

a) Er muss im Besitz eines oder mehrerer gültiger Grenzübertrittspapiere sein.

b) Er muss seinen Aufenthaltszweck und die Umstände seines Aufenthalts (Urlaub) belegen.

c) Er muss nachweisen, dass er über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts sowohl für die Dauer des Aufenthalts als auch für die Rückreise in den Herkunftsstaat oder für die Durchreise in einen Drittstaat, in dem seine Zulassung gewährleistet ist, verfügt oder dass er in der Lage ist, diese Mittel auf legale Weise zu erwerben.

d) Er muss eine ausreichende (Auslands-) Krankenversicherung besitzen.

e) Es dürfen keine Zweifel an seiner Rückkehrbereitschaft in sein Heimatland bestehen.

f) Er darf nicht zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben sein.

g) Er darf keine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die nationale Sicherheit oder die internationalen Beziehungen einer der Vertragsparteien darstellen.

Lösung Fall 5: Die konsularische Vertretung hat nach Art. 21 Abs. 1 VK zu Recht den Antrag mit der Begründung abgelehnt, da angesichts der wechselnden Angaben im Visumverfahren Zweifel an der Rückkehrbereitschaft bestanden. Es besteht auch kein Anspruch auf Erteilung eines Visums aus humanitären Gründen nach Art. 25 Abs. 1 lit. a Nr. 1 VK. Auch für die Erteilung eines Visums aus humanitären Gründen müssen die Einreisevoraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 lit. e SGK erfüllt sein, d. h. es darf von dem Drittstaatsangehörigen keine Gefahr für die öffentliche Ordnung ausgehen.

Bestandteil der öffentlichen Ordnung ist das Interesse der Mitgliedstaaten an der Verhinderung illegaler Einreise. Daher ist zwingend das Visum zu versagen. Auch ein unmittelbar aus der Verfassung (Art. 6 GG, Art. 52 Abs. 3 EU-GRCh) abgeleiteter Anspruch auf Gewährung eines Visums zum Schutz der Ehe und Familie scheitert, da in Wirklichkeit hier ein Daueraufenthalt angestrebt wird. Hierüber ist nach den Regeln der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs (Familiennachzugsrichtlinie 2003/86/EG und §§ 27 ff. AufenthG) zu entscheiden. Bei begründeten Zweifeln an der Rückkehrwilligkeit eines Ausländers kommt daher nur in besonderen Ausnahmefällen die Erteilung eines Besuchervisums mit beschränkter Gültigkeit in Betracht.15 Um einen solchen Ausnahmefall darlegen zu können, müsste die Antragstellerin z. B. nachweisen, dass ihr die Durchführung des Visumerteilungsverfahrens unmöglich ist.

118Gegen die Ablehnung eines Visumantrags i. S. des Visakodex (Art. 2 Nr. 2 VK) steht Antragstellern ein Rechtsmittel zu16.

Die Rechtsmittel sind gegen den Mitgliedstaat, der endgültig über den Visumantrag entschieden hat, und in Übereinstimmung mit dem innerstaatlichen Recht dieses Mitgliedstaates zu führen. Bei der Mitteilung der ablehnenden Entscheidung ist der Antragsteller über das Verfahren zu informieren, das bei der Einlegung eines Rechtsmittels zu befolgen ist. Gegen die Versagung des Visums kann vor dem Verwaltungsgericht Berlin Klage erhoben werden. Maßgeblich für die gerichtliche Überprüfung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz17.

119Für die formalen Anforderungen an die Erteilung eines Visums und die durch die Behörden angewandten Kriterien sind die Leitlinien des Visa- Handbuchs der Kommission18 von großer praktischer Bedeutung. Besondere Bestimmungen gelten für die Begründung von Entscheidungen über die Visumverweigerung für Familienangehörige von EU-Bürgern oder schweizerischen Staatsangehörigen (vgl. Teil III VK-Handbuch). Die Unionsbürgerrichtlinie 2004/38/EG genießt als lex specialis Vorrang. Der Visakodex findet jedoch dann Anwendung, wenn die Unionsbürgerrichtlinie keine ausdrückliche Bestimmung enthält, sondern auf allgemeine Erleichterungen verweist. Das VK-Handbuch enthält insoweit eine Reihe von Weisungen zur Prüfung der Frage, ob die Richtlinie 2004/38/EG Anwendung auf Antragsteller findet.

Asyl- und Ausländerrecht

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