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4.Einreise- und Aufenthaltsverbot

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121Ein Ausländer darf nur in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten, wenn kein Einreise- und Aufenthaltsverbot bezüglich seiner Person besteht (§ 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG)1. Eine solche Einreisesperre ist in der Regel die Folge einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme wie Ausweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung. Abweichend von der früheren Rechtslage ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot jedoch nicht mehr kraft Gesetzes mit diesen Maßnahmen verbunden, sondern muss behördlich angeordnet werden. In der Regel sind beide Maßnahmen zu verbinden. Zulässig ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot aber auch, wenn der Ausländer verschuldet seiner Ausreisepflicht nicht fristgerecht nachkommt. Gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 AufenthG ist die Festsetzung einer Einreisefrist obligatorisch. Die Frist beginnt mit der Ausreise zu laufen. Sie darf außer in besonderen Fällen 5 Jahre nicht überschreiten. Ein besonderer Fall liegt vor, wenn der Ausländer aufgrund einer strafgerichtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Die Befristung kann auch mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Eine unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot ist in der Regel mit einer Abschiebungsanordnung nach § 58a in Fällen einer Gefahr für die innere Sicherheit oder bei terroristischer Bedrohung verbunden. Vor Ablauf der Frist kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde (vgl. § 11 Abs. 8 Satz 1 AufenthG). Beispielsweise kann eine solche Betretenserlaubnis erteilt werden, wenn ein aus dem Bundesgebiet abgeschobener Ausländer wieder einreisen möchte, um seine im Sterben liegende Mutter zu sehen.

Auf Unionsbürger und ihre Familienangehörigen ist § 11 nicht anwendbar ist. Denn für diese Personengruppe besteht mit § 7 Abs. 2 ­FreizügG/EU eine Spezialregelung, die der allgemeinen Bestimmung des § 11 Abs. 1 AufenthG vorgeht. Auch diese Bestimmungen sehen allerdings die Möglichkeit einer befristeten Einreisesperre für Unionsbürger vor.

122Einem Ausländer, der im SIS zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben ist, kann ein Visum oder die Einreise verweigert werden. Für die unionsweite Ausschreibung zur Einreiseverweigerung im SIS müssen die besonderen Voraussetzungen des Art. 96 Abs. 2 SDÜ erfüllt sein. Mithin muss der Drittausländer eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung oder die nationale Sicherheit des ausschreibenden Staates darstellen. Nach der Rspr. des BVerfG2 ist bei der vorzunehmenden Abwägung, ob eine Ausschreibung erfolgen soll, zu berücksichtigen, dass sich der Gesetzgeber im Rahmen des SDÜ insoweit gebunden hat, als die für alle Schengen-Staaten grundsätzlich verbindliche Ausschreibung zur Einreiseverweigerung nur unter den in Art. 96 SDÜ genannten Voraussetzungen zulässig ist. Danach folgt aus den in Art. 96 Abs. 2 Satz 2 SDÜ aufgeführten Beispielen für die Annahme derartiger Gefahren, die auf begangene oder zu befürchtende Straftaten des Ausländers Bezug nehmen, zugleich, dass die mit der Anwesenheit des Ausländers verbundenen Gefahren eine gewisse Erheblichkeit haben müssen3.

123Es reicht nach der Rspr. nicht aus, dass nach rein innerstaatlichen Maßstäben der Schutz der Interessen der Bundesrepublik Deutschland eine ausländerrechtliche Zurückweisung erlauben würde. Vielmehr ist davon auszugehen, dass für die unionsweite Ausschreibung strengere Voraussetzungen gelten als für die Zurückweisung nach § 15 Abs. 2 i. V. m. § 6 Abs. 1 SGK. Das dem SDÜ zugrunde liegende gemeinsame Interesse an einem Schutz der Außengrenzen erfordert ein Mindestmaß an Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung bei allen Schengen-Staaten. Nicht jedes national-staatliche Interesse an der Abweisung von Personen ist damit zwangsläufig in ein unionseinheitliches ordre-public-Konzept einbezogen4. Dem entspricht die Rspr. des BVerfG, wonach erforderlich ist, dass die mit der Anwesenheit des Ausländers verbundene Gefahr eine gewisse Erheblichkeit haben muss5. Die Entscheidung über eine Ausschreibung ist in das Ermessen der Mitgliedstaaten gestellt. Eine routinemäßige Ausschreibung ist nicht schon deshalb zulässig, weil sie nach Art. 96 Abs. 2 oder Abs. 3 SDÜ zulässig wäre6.

124Die Verordnung (EG) Nr. 767/2008 über das Visa-Informationssystem (VIS) vom 9.7.20087 regelt, welche Daten bezüglich der Gründe für die Nichtfortführung eines Visumantrags oder die Ablehnung der Visumerteilung in das VIS eingegeben werden (vgl. Art. 11, 12 VIS-VO). Art. 13 enthält Bestimmungen über die Eingabe zusätzlicher Daten bei Annullierung oder Aufhebung eines Visums bzw. der Verkürzung der Gültigkeitsdauer. Zur Verhinderung einer missbräuchlichen Visaerlangung ist das Visawarndateiengesetz v. 22.11.20118 erlassen worden, das u. a. eine Speicherung von Personen, die Visaeinladungen erteilen, beim AZR vorsieht.

125Die VIS-VO gibt jeder Person ein Recht auf Auskunft über sie betreffende im VIS gespeicherte Daten und den Mitgliedstaat, der sie an das VIS übermittelt hat. Jede Person kann beantragen, dass sie betreffende unrichtige Daten berichtigt und unrechtmäßig gespeicherte Daten gelöscht werden (Art. 38 Abs. 2 VIS-VO). Allerdings hat lediglich der verantwortliche Mitgliedstaat das Recht, Daten, die er an das VIS übermittelt hat, durch Korrektur zu ändern oder zu löschen. Andere Mitgliedstaaten, die Anhaltspunkte dafür haben, dass im VIS verarbeitete Daten unrichtig sind oder unter Verletzung der VIS-VO verarbeitet wurden, haben dies unverzüglich dem verantwortlichen Mitgliedstaat mitzuteilen, der die betreffenden Daten überprüft und berichtigt oder gegebenenfalls unverzüglich löscht.

126Ein Antrag auf Auskunft, Berichtigung und Löschung ist grundsätzlich bei dem verantwortlichen Mitgliedstaat zu stellen. Wird er bei einem anderen Mitgliedstaat gestellt, haben die Behörden dieses Mitgliedstaates den verantwortlichen Mitgliedstaat innerhalb von 14 Tagen zu kontaktieren (Art. 38 Abs. 3 VIS-VO). Der verantwortliche Mitgliedstaat hat die Richtigkeit der Daten und die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung im VIS innerhalb eines Monats zur überprüfen. Das Ergebnis der Überprüfung wird der betroffenen Person mitgeteilt (Art. 38 Abs. 4 und Abs. 5 VIS-VO). Wird die Erklärung nicht akzeptiert, so kann der Antragsteller bei den zuständigen Behörden oder Gerichten dieses Mitgliedstaats Klage erheben oder Beschwerde einlegen. Alle Personen haben darüber hinaus das Recht, eine Klage oder Beschwerde bei den zuständigen Behörden oder Gerichten des betreffenden Mitgliedstaats zu erheben, der das in Art. 38 Abs. 1 und 2 VIS-VO festgelegte Auskunftsrecht oder Recht auf Berichtigung oder Löschung der sie betreffenden Daten verweigert. Sie können sich dabei durch „nationale Kontrollstellen“ (Art. 39 Abs. 2 VIS-VO) unterstützen lassen. Die nationale Kontrollstelle jedes Mitgliedstaats hat auf Antrag die betroffene Person bei der Ausübung dieser Rechte zu unterstützen und zu beraten.

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