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7.Fehlen von allgemeinen und besonderen Versagungsgründen

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181Rechtssystematisch kann zwischen Erteilungsvoraussetzungen, d. h. den vom Ausländer nachzuweisenden tatsächlichen oder rechtlichen Umständen, deren Vorliegen das Gesetz fordert und Versagungsgründen, d. h. Umständen bei deren Vorliegen der Aufenthaltstitel abgelehnt werden kann, unterschieden werden. Eine strikte methodische Unterscheidung ist nicht möglich, da ein tatsächlicher oder rechtlicher Tatbestand vom Gesetzgeber als Voraussetzung, die vom Ausländer nachzuweisen ist oder als Versagungsgrund, für die grundsätzlich die Ausländerbehörde die Beweislast trifft, formuliert werden kann. Das AufenthG enthält daher auch keine durchgehende systematische Unterscheidung zwischen Erteilungsvoraussetzungen und Versagungsgründen.

182Allgemein geltende Versagungsgründe finden sich unter der Rubrik „Erteilungsvoraussetzungen“ insbesondere in § 5 Abs. 1 und Abs. 4 AufenthG. Der Aufenthaltstitel setzt regelmäßig voraus, dass kein Ausweisungsinteresse vorliegt, zwingend ist der Aufenthaltstitel zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 oder 4 oder der Erlass einer Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG (Terrorismus oder Gefährdung der inneren Sicherheit) entgegenstehen. Dies sind die Gefährdung der freiheitlich demokratischen Grundordnung oder der inneren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere Zugehörigkeit oder Unterstützen einer terroristischen Vereinigung oder Beteiligung an Gewalttätigkeiten zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele oder öffentlicher Aufruf zur Gewaltanwendung (§ 54 Abs. 1 Nr. 2 oder 4 AufenthG).

183Besondere Ablehnungsgründe finden sich im Aufenthaltsgesetz z. T. in Vorschriften über besondere Arten von Aufenthaltstiteln. § 19f hat in Anlehnung an die unionsrechtlichen Regelungen der REST Richtlinie 2016/801 Ablehnunggründe für die Aufenthaltstitel zum Zweck des Studiums (§ 16b), des Mobilen Studiums (§ 16c), des Studienbezogenen Praktikums (§ 16e), der Absolvierung von Sprachkursen und eines Schulbesuchs (§ 16f), der Suche eines Ausbildungs- und Studienplatzes (§ 17), der hoch qualifizierten Erwerbstätigkeit mittels Blauer Karte (§ 18b Abs. 2), der Forschung (§ 18d), der kurzfristigen Forschermobilität (§ 18e), des Aufenthalts für mobile Forscher (§ 18f) und der Teilnahme am Europäischen Freiwilligendienst (§ 19e) geregelt. Für die hier aufgeführten Aufenthaltstitel wird in § 19f weiter zwischen verschiedenen Gruppen von Aufenthaltstiteln in den Absätzen 1 bis 5 differenziert. Bei der Anwendung dieser Vorschriften ist weiterhin zwischen obligatorischen (…eine Aufenthaltserlaubnis wird nicht erteilt…) und fakultativen, d. h. nicht zwingend vorgeschriebenen Ablehnungsgründen (…der Antrag kann abgelehnt werden) zu unterscheiden.

184Für die Gruppe der Studenten, der studienbezogenen Praktikanten, der Ausländer auf der Suche nach einem Ausbildungs-oder Studienplatz, der Blaue Karte-Aspiranten, der Forscher und Teilnehmer am Europäischen Freiwilligendienst gilt ein Auschlussgrund bei einem Aufenthalt als Asylbewerber, Beantragung vorübergehenden Schutzes oder entsprechender Schutzgewährung in einem EU-Mitgliedstaat, aufgrund einer Duldung nach Aussetzung der Abschiebung, Erlangung einer EU-Daueraufenthaltserlaubnis oder Erwerb eines EU-Freizügigkeitsrechts. Die Gründe für den Ausschluss im letzteren Fall liegen in der Überflüssigkeit eines zusätzlichen Aufenthaltstitels, im ersten Fall in der rechtspolitisch erwünschten Trennung zwischen humanitärem Aufenthaltsrecht und Aufenthaltstiteln zum Zweck von Studium, Ausbildung, Forschung und qualifzierter Erwerbstätigkeit mit einer Blauen Karte.

185Für die Blaue Karte bestehen darüber hinaus noch besondere Ausschlussgründe nach § 19f Abs. 2 für Ausländer, die einen humanitären Aufenthaltstitel nach Abschnitt 5 des Aufenhaltsgesetzes oder eine vergleichbare Rechtsstellung in einem anderen EU-Mitgliedstaat besitzen (mit Ausnahme von Resettlement-Flüchtlingen nach § 23 Abs. 2 oder 4), für vorübergehend tätige Ausländer aufgrund von WTO-Abkommen und für Saisonarbeitnehmer sowie entsandte Arbeitnehmer.

186In Abs. 3 ist für die Gruppe der Studenten, Praktikanten, Ausländer auf der Suche nach einer Ausbildung oder Praktikum, Forscher und Teilnehmer an einem Europäischen Freiwilligendienst zusätzlich ein Ausschlussgrund für Inhaber einer Blauen Karte im In- und Ausland vorgesehen. Vom Aufenthaltstitel für Forscher sind Doktoranden ausgeschlossen, wenn die Forschungstätigkeit Bestandtteil des Promotionsstudiums ist.

187Für Studenten, Praktikanten, Teilnehmer an Sprachkursen, Ausländer auf der Suche nach einem Ausbildungs- oder Studienplatz, Forscher und Mobile Forscher und Teilnahmer am Europäischen Freiwilligkeitsdienst ist nach Abs. 4 eine fakultative Ablehnung („kann“) vorgesehen, wenn die aufnehmende Einrichtung hauptsächlich zu dem Zweck gegründet wurde, die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern zu dem in der jeweiligen Vorschrift genannten Zweck zu erleichtern, wenn die Einrichtung insolvent geworden ist, keine Geschäftstätigkeit mehr ausübt oder Beweise dafür vorliegen, dass der Ausländer den Aufenthalt zu anderen Zwecken nutzen wird, als zu jenen, für die er die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis beantragt. Warum der Gesetzgeber in diesen Fällen nur eine „Kann-Ablehnung“ vorsieht, ist unerfindlich, da schlechterdings eine Ausstellung eines Aufenthaltstitels für das Studium oder die Ausbildung an einer aufgelösten, insolventen oder betrügerisch agierenden Einrichtung nicht zulässig sein kann.

188Für eine letzte Gruppe (studentische Mobilität) und kurzfristige Mobilität ist schließlich in Abs. 5 die Ablehnung des (aufenthaltserlaubnisfreien) Aufenthalts durch die Ausländerbehörde vorgesehen, wenn u. a. die Voraussetzungen der jeweiligen Vorschriften für den Aufenthalt nicht erfüllt sind, wenn die erforderlichen Unterlagen manipuliert oder gefälscht sind, wenn ein Ausweisungsinteresse besteht, einer der Ablehnungsründe des Abs. 4 vorliegt. Für die Ablehnung durch das Bundesamt sieht Abs. 5 Satz 2 bis 5 eine Frist von 30 Tagen, bei Ausweisungsinteressen ohne Fristerfordernis durch die Ausländerbehörden vor.

189Die hochkomplexe Regelung erklärt sich weitgehend aus der obligatorischen Übernahme des einschlägigen, in sich kaum hinreichend systematisch durchdachten und überdetaillierten EU-Richtlinienrechts. Der unionsrechtlich vorherrschende Perfektionismus, der sich in zahlreichen Einzelregelungen gekoppelt mit allgemeinen und besonderen Erteilungsvoraussetzungen und Versagungsgründen niederschlägt, führt zu einem partiellen Versagen herkömmlicher juristischer Auslegungmethoden. Daher kann z. B. aus einem speziellen Versagungsgrund für eine besondere Kategorie von Aufenthaltsrecht aus der Abwesenheit von vergleichbaren Gründen bei einer anderen Kategorie von Aufenthaltsrechten nicht hinreichend sicher geschlossen werden, dass dieser Versagungsgrund nicht auch für andere Arten von Aufenthaltsrechten anzuwenden ist (vgl. z. B. Verwendung gefälschter Unterlagen). Auch die systematisch nur schwer nachvollziehbare Vermengung von sich bereits aus anderen Vorschriften und allgemeinen Rechtsgrundsätzen des Verwaltungsrechts ergebenden Voraussetzungen und Versagungsgründen mit Erteilungsvoraussetzungen und Ablehnungsgründen führt zum Gebot einer zurückhaltenden Anwendung der methodischen Grundsätze der Auslegung, soweit sie auf der Annahme einer durchdachten Systematik des Gesetzes beruhen.

Asyl- und Ausländerrecht

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