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§ 7Aufenthalt zum Zweck der Erwerbstätigkeit I.Allgemeine Grundsätze

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253Von dem Aufenthaltszweck hängt es ab, welcher Aufenthaltstitel erteilt wird. Insbesondere die Aufenthaltserlaubnis ist stets mit einem konkreten Aufenthaltszweck verbunden und daher je nach dem Aufenthaltszweck von verschiedenen Voraussetzungen abhängig. Dementsprechend enthält jeder Aufenthaltstitel die Rechtsgrundlage, auf der er beruht und die dem Aufenthaltszweck entspricht.

254Für die Prüfung, welche Voraussetzungen für welche Art von Aufenthaltstitel erfüllt sein müssen, ist es unerlässlich, sich die Systematik des Aufenthaltsgesetzes zu vergegenwärtigen. Das Aufenthaltsgesetz enthält in Abschnitt 1 (Kapitel 2) diejenigen Voraussetzungen, die für die Erteilung eines Aufenthaltstitels jeder Art gelten (§ 5). Im Folgenden werden dann in besonderen Abschnitten die speziellen Voraussetzungen geregelt, die für den Aufenthaltstitel zu dem jeweils beabsichtigten Aufenthaltszweck nach Abschnitten untergliedert (z. B. Erwerbstätigkeit, Familiennachzug, humanitäre Zwecke) zu erfüllen sind. In Unterabschnitten werden diese Anforderungen u. U. weiter modifiziert, teilweise auch in Abänderung von den allgemein geltenden Anforderungen von § 5 oder den allgemeinen Anforderungen des jeweiligen Abschnittes. Bei der Gesetzesanwendung ist nicht immer eindeutig, ob eine im Gesetz niedergelegte Voraussetzung für die Erteilung eines speziellen Aufenthaltstitels eine zusätzliche Voraussetzung zu den allgemein geltenden Voraussetzungen des § 5 oder denjenigen des jeweiligen Abschnitts (z. B. bei Erwerbtätigkeit § 18 Abs. 2) darstellt oder hiervon eine Abweichung bzw. eine spezialgesetzliche Regelung, die den allgemeinen Vorschriften vorgeht, vorsieht. Typischerweise stellt sich diese Frage bei Ausschlussgründen, wie z. B. dem Vorliegen eines Ausweisungsinteresses (§ 5 Abs. 1 Nr. 2) oder der Beeinträchtigung der Interessen der Bundesrepublik Deutschland (§ 5 Abs. 1 Nr. 3), wenn Fragen der Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gesondert bei der Erteilung eines speziellen Aufenthaltstitels geregelt sind. Entsprechendes gilt aber auch für Erfordernisse der Sicherung des Lebensunterhalts, die nicht selten spezialgesetzlich geregelt sind und in diesem Fall § 5 Abs. 1 Nr. 1 vorgehen.

Fall 12: Der Marokkaner M möchte nach erfolgreicher Bewerbung auf ein konkretes Stellenangebot als Arabischlehrer an einer privaten Schule für Kinder aus arabischen Staaten in Hamburg arbeiten. Er besitzt keine förmliche Ausbildung als Lehrer, hat aber bereits in Marokko mehrere Jahre Kinder an einer Grundschule in Arabisch und Korankunde unterrichtet. Welche Voraussetzungen muss er erfüllen, um einen Aufenthaltstitel zu erlangen?

Fall 13: Die Chinesin A beantragt eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Erwerbstätigkeit. Sie möchte als

a) Journalistin,

b) Au-pair,

in Deutschland arbeiten. Muss die Bundesagentur für Arbeit der Erteilung einer beantragten Aufenthaltserlaubnis zustimmen?

Fall 14: Der Chilene K möchte als gelernter Schlosser in Berlin zum Zweck der betrieblichen Weiterbildung beim Schlüsseldienst A mit 8 Beschäftigten arbeiten und beantragt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Erwerbstätigkeit. Vorgesehen ist eine Entlohnung von 7,00 Euro und ein Jahresurlaub von 20 Tagen. Die Bundesagentur für Arbeit verweigert ihre Zustimmung mit der Begründung,

a) dass für die Tätigkeit als Schlosser genügend deutsche Arbeitnehmer zur Verfügung stehen,

b) dass K zu ungünstigeren Arbeitsbedingungen als vergleichbare deutsche Arbeitnehmer beschäftigt wird.

Zu Recht?

Fall 15: Der Nigerianer N ist mit der Deutschen D verheiratet. Beide wohnen in Berlin, wo N wie der Chilene K als Maurer arbeiten möchte. Muss N wie K eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Erwerbstätigkeit beantragen? Kann dem N die Erwerbstätigkeit mit der gleichen Begründung wie bei K durch die Bundesagentur für Arbeit versagt werden?

255Anders als das AuslG 1990 enthält das AufenthG einen eigenen Abschnitt über den Aufenthalt zum Zweck der Erwerbstätigkeit (Abschnitt 4). § 18 regelt die Grundsätze über die Zulassung von Ausländern, die durch eine Berufsausbildung oder einen Hochschulabschluss als Fachkraft qualifiziert sind, durch Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, wenn ein konkretes Arbeitsplatzangebot vorliegt und die Bundesagentur für Arbeit nach § 39 AufenthG zugestimmt hat oder kraft Gesetzes oder der BeschV eine solche Zustimmung nicht notwendig ist. In weiteren Vorschriften (§§ 18a bis §§ 18c) werden die Grundsätze über die Fachkräfteeinwanderung des § 18 konkretisiert, wobei das Gesetz zwischen Fachkräften mit Berufsausbildung und solchen mit akademischer Ausbildung (Blaue Karte) und ­zwischen Aufenthaltserlaubnis und Niederlassungserlaubnis für besonders qualifizierte Ausländer bei längjährigem Aufenthalt (§ 18c) unterscheidet. Gesondert geregelt in § 18d und § 18c sind nach Maßgabe der EU-Richtlinie 2016/801 die Rechtstellung von Forschern, je nachdem, ob der Aufenthalt zum Zweck eines im Bundesgebiet primär durchzuführenden Forschungszwecks oder in der Form einer kurzfristigen Mobilität zur Fortsetzung eines in einem anderen EU-Mitgliedstaats begonnenen Forschungsvorhabens erfolgt. Derselben Systematik folgen die weiteren Vorschriften über die ICT-Karte für unternehmensintern transferierte Arbeitnehmer (§ 19) und den aufenthaltserlaubnisfreien Aufenthalt für die kurzfristige Mobilität unternehmensintern transferierter Arbeitnehmer (§ 19a). Ergänzt werden diese Aufenthaltstitel bzw. aufenthaltserlaubnisfreie Aufenthalte für weitere z. T. unionsrechtlich vorgegebene Aufenthaltszwecke in einer Vorschrift über Teilnahme am europäischen Freiwilligendienst (§ 19c) oder für sonstige Beschäftigungszwecke oder als Beamte (§ 19c Abs. 1 und Abs. 4). Neu ist aufgrund des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes die Förderung der Anheuerung von ausländischen Fachkräften durch Arbeitgeber in einem beschleunigten und vereinfachten Fachkräfteverfahren (§ 81a) vorgesehen.

256Entsprechend dem mit dem Paradigmenwechsel angekündigten Übergang zu einer offenen Migrationspolitik findet sich hier auch eine Klausel, dass auch ohne einen förmlichen Ausbildungsnachweis ein Ausländer als Fachkraft zu einer qualifizierten Beschäftigung nach Maßgabe der BeschV zugelassen werden kann, wenn er ausgeprägte berufspraktische Kenntnisse nachweisen kann. In Anlehnung an die Vorgängerregelung ist ferner vorgesehen, dass einem Ausländer im begründeten Einzelfall eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden kann, wenn an seiner Beschäftigung ein öffentliches, insbesondere ein regionales, wirtschaftliches oder arbeitsmarktpolitisches Interesse besteht (§ 19c Abs. 3). Soweit die gesetzliche Regelung auf die BeschV verweist, dient dies, wie auch in sonstigen Fällen (z. B. bei der Wiedereinführung eines Inländervorrangs für bestimmte Berufe), als flexibel einsetzbares Instrument, mit dem wechselnden Arbeitsmarktsituationen Rechnung getragen werden kann.

257Ergänzt werden diese am Grundprinzip des § 18, d. h. dem Vorliegen eines Arbeitsplatzangebots und eines Qualifikationsnachweises orientierten Aufenthaltszweckes durch eine beschränkte Öffnung des Arbeitsmarktes auch zum Zweck der Suche eines Arbeitsplatzes. Zusätzlich zur schon bisher geltenden Öffnung des Arbeitsmarkts, insbes. für jobsuchende Absolventen eines Studiums oder einer Berufsausbildung in Deutschland wird nunmehr zusätzlich einer Fachkraft mit Berufsausbildung die Möglichkeit eröffnet, eine Aufenthaltserlaubnis für 6 Monate zum Zweck der Arbeitsplatzsuche zu erhalten, die allein vom Nachweis der Berufsqualifikation und entsprechenden deutschen Sprachkenntnissen abhängig gemacht wird. Durch die BeschV kann diese Möglichkeit allerdings auf gewisse Berufsgruppen beschränkt werden. Die z. T. schon bisher bestehenden auf 6 bis 18 Monate befristeten Aufenthaltsrechte zur Arbeitssuche für Absolventen eines Studiums, einer beruflichen Ausbildung, für Inhaber einer Blauen Karte, für Forscher und insbesondere für Ausländer, denen zum Zweck der Durchführung berufsqualifizierender Maßnahmen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 16d erteilt wurde, erweitern die Palette von Aufenthaltsrechten zum Zweck der Arbeitssuche in Deutschland.

258Ausserhalb dieses Schemas der gesteuerten Fachkräfteeinwanderung steht die dem Bereich des Spurwechsels, d. h. der Legalisierung von ausreisepflichtigen Ausländern zuzurechnende Aufenthaltserlaubnis für qualizierte Geduldete nach § 19d. § 19d AufenthG sieht, wie bereits die Vorgängeregelung des § 18a die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für qualifizierte Geduldete vor und ermöglicht damit auch den Zugang von an sich ausreisepflichtigen Drittstaatsangehörigen, die über eine langjährige Duldung verfügen, zum Arbeitsmarkt und zu einer Aufenthaltserlaubnis.

Für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck selbstständiger Tätigkeit gelten wie bisher strengere Voraussetzungen, da im Allgemeinen davon auszugehen ist, dass an der Einwanderung Selbständiger kein vergleichbares öffentliches Interesse wie an der Gewinnung von Fachkräften als Beschäftigte besteht (§ 21). Erforderlich ist ein wirtschaftliches Interesse oder regionales Bedürfnis. Die Tätigkeit muss ferner positive Auswirkungen auf die Wirtschaft erwarten lassen und die Finanzierung der Umsetzung einer Geschäftsidee durch Eigenkapital oder Kreditzusage muss gesichert sein. Im Allgemeinen sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt bei der Beantragung eines Aufenthaltstitels zu einem Kiosk, eines kleinen Reparaturladens oder einer Tätigkeit als Berater, Eventmanager, Import-/Export-Vermittlers, Spielhallenbetreibers, Shishashops oder Nagelstudiobetreibers.

259Ausländer, die einen Aufenthaltstitel (definiert in § 4 Abs. 1 Satz 2) besitzen, dürfen eine selbstständige oder unselbstständige Erwerbstätigkeit ausüben, es sei denn, ein Gesetz bestimmt ein Verbot oder verfügt eine Beschränkung (§ 4a Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 AufenthG). Verbote und Beschränkungen sieht das Aufenthaltsgesetz insbesondere für Inhaber eines Schengen-Visums und solcher Aufenthaltstitel vor, die für einen speziellen vorübergehenden Zweck (Studium, Ausbildung, konzerninterner Transfer, Forschungsvorhaben) erteilt werden. Im letzteren Fall bedarf eine Erwerbstätigkeit, die verboten oder nicht schon durch den Aufenthaltstitel gedeckt ist, einer speziellen Abeitserlaubnis, die durch die Ausländerbehörden erteilt wird. Ist eine Beschäftigung (unselbstständige Erwerbstätigkeit) beabsichtigt, so kann zusätzlich eine Zustimmung der Bundesagentur erforderlich sein, wenn die Beschäftigungsverordnung nicht vom Zustimmungserfordernis dispensiert. Es handelt es sich mithin aus rechtlicher Sicht um ein Arbeits- bzw. Beschäftigungsrecht mit einem Schrankenvorbehalt.

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