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V.Verlängerung eines Aufenthaltstitels

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Fall 10: Der afghanische Staatsangehörige A beantragt die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis, die ihm für sein Medizinstudium erteilt worden war. Die Ausländerbehörde lehnt den Antrag ab, weil A das Studium abgebrochen hat und nunmehr von Sozialhilfe lebt. Zu Recht?

Fall 11: Die indische Staatsangehörige I beantragt die Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis, die ihr als Ehefrau des Deutschen D aus familiären Gründen erteilt worden war. Die Ausländerbehörde lehnt die Verlängerung ab mit der Begründung, dass M ihre Pflicht zur Teilnahme an einem Integrationskurs nach § 44 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG nicht erfüllt habe. I macht geltend, dass sie in Deutschland auch ohne Integrationskurs gut integriert sei. Erfolgte die Ablehnung der Verlängerung zu Recht?

231Ein Ausländer kann seinen Aufenthaltstitel nach § 39 AufenthV im Bundesgebiet verlängern lassen. Für die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis gelten gem. § 8 Abs. 1 AufenthG dieselben Vorschriften wie für die erstmalige Erteilung. Damit wird klargestellt, dass die Gewährung eines befristeten Aufenthaltsrechts Ausländern keinen Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis gibt. Zahlreiche Ausnahmen von diesem Grundsatz finden sich an einzelnen Stellen des Gesetzes, so z. B. beim Familiennachzug. Im Allgemeinen gilt, dass ein Anspruch auf Verlängerung jedoch nur dann besteht, wenn auch die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nicht im Ermessen der Ausländerbehörden steht. Die Unterscheidung zwischen Rechtsansprüchen, Regelerteilung und Ermessenstatbeständen gilt in gleicher Weise für die Verlängerung.

232Aus dem Grundsatz des § 8 Abs. 1 AufenthG folgt auch, dass die Voraussetzungen, die nach § 5 AufenthG „in der Regel“ für die Erteilung eines Aufenthaltstitels vorliegen müssen, auch für die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis gelten. Das Gleiche gilt für die Versagungsgründe des § 5 Abs. 4 AufenthG (Vorliegen eines Ausweisungsinteresses). Ebenso gilt § 7 Abs. 2 AufenthG, wonach die Aufenthaltserlaubnis unter Berücksichtigung des beabsichtigten Aufenthaltszwecks zu befristen ist (Satz 1). Bei nachträglichem Wegfall der Voraussetzungen für die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis kann die Frist auch nachträglich verkürzt werden (Satz 2).

Lösung Fall 10: Gem. § 8 Abs. 1 AufenthG finden auf die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis dieselben Vorschriften Anwendung wie auf die Erteilung. Damit setzt die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis ebenso wie deren erstmalige Erteilung regelmäßig voraus, dass der Lebensunterhalt des Ausländers gesichert ist (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG). Da A öffentliche Mittel in Anspruch nimmt, ist diese Voraussetzung nicht erfüllt (§ 2 Abs. 3 AufenthG). Darüber hinaus ist für den Aufenthalt des A der Aufenthaltszweck „Ausbildung“ mit Abbruch des Studiums weggefallen. Die Ausländerbehörde hat seinen Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis daher zu Recht abgelehnt.

233Rechtsansprüche auf die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis können sich entweder aus den gesetzlichen Regeln ergeben, wobei wie bei der Erteilung zu differenzieren ist zwischen strikten Rechtsansprüchen und „Regelansprüchen“ bzw. Sollansprüchen (vgl. z. B. § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG – „einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden“). Aus völkerrechtlichen Verträgen mit Ausnahme des Europäischen Unionsrechts ergeben sich im Allgemeinen keine Verpflichtungen, eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen oder zu verlängern. Insbesondere ist die Klausel, die in zahlreichen Freundschafts- und Niederlassungsverträgen niedergelegt ist, dass Anträge auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis „wohlwollend zu prüfen sind“, nicht im Sinne eines Rechtsanspruchs interpretiert worden1. Jedoch muss bei Ermessensentscheidungen der Vertragszweck und das Gebot wohlwollender Prüfung bei der Ermessensausübung berücksichtigt werden. Ausnahmsweise sind aber auch in Abkommen konkretere Bestimmungen, die unter bestimmten Voraussetzungen einen Rechtsanspruch vorsehen, enthalten.

234Besteht kein Rechtsanspruch, so ist, wenn die Erteilungsvoraussetzungen vorliegen und keine zwingenden Versagungsgründe gegeben sind, nach Ermessen über die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zu entscheiden. Bei der Ermessensausübung im Falle der Verlängerung sind im Prinzip dieselben Regeln maßgeblich wie bei der Erteilung. Dennoch geht die Rechtsprechung ungeachtet des § 8 Abs. 1 AufenthG von dem Grundsatz aus, dass nicht unberücksichtigt bleiben kann, dass ein Ausländer, der eine Verlängerung eines bereits bewilligten Aufenthalts erstrebt, sich in einer anderen Situation befindet als der Ausländer, der erstmalig um einen Aufenthaltstitel nachsucht. Je nach der Dauer seines Aufenthalts und dem Maß seiner beruflichen, persönlichen und sozialen Bindungen ist er in erheblich stärkerem Maße auf den Aufenthalt in Deutschland angewiesen als ein Ausländer, der gerade sein Heimatland verlassen hat.

235Bei einer Entscheidung über eine Verlängerung ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Pflicht zur Teilnahme an einem Integrationskurs nachgekommen ist. Die Pflicht zur Berücksichtigung beinhaltet nicht, dass der Antrag abgelehnt werden muss. Die Ausländerbehörde hat aber bei einer Ermessensentscheidung, bei der private Interessen an der Verlängerung geltend gemacht werden, abzuwägen, ob das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung eines Ausländers, der durch seine Nichtteilnahme am Integrationskurs gezeigt hat, dass er nicht gewillt ist, sich an die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik anzupassen, das geltend gemachte private Interesse überwiegt. Besteht kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis (z. B. weil die Voraussetzungen für ein Familiennachzugsrecht nicht mehr vorliegen), so soll bei wiederholter und gröblicher Pflichtverletzung die Verlängerung abgelehnt werden. Wiederholt ist die Verletzung, wenn mehrfach trotz einschlägiger Hinweise der Ausländer seiner Teilnahmepflicht nicht nachkommt. Gröblich ist die Verletzung, wenn sie Ausdruck einer gegenüber der Integrationspflicht zumindest gleichgültigen oder ablehnenden Einstellung ist. Eine „Sollversagung“ ist obligatorisch, wenn keine besonderen Umstände vorliegen, die eine Ablehnung als unangemessen oder unverhältnismäßig erscheinen lassen2.

236Besteht grundsätzlich ein Anspruch auf Verlängerung „nur“ nach dem Aufenthaltsgesetz und kommt der Ausländer seiner Pflicht zur Teilnahme an einem Integrationskurs nicht nach, so kann die Ausländerbehörde nach Ermessen über eine Verlängerung entscheiden. Die gesetzliche Formulierung stellt klar, dass in Fällen, in den aufgrund höherrangigen Rechts, wie z. B. Unionsrecht ein Anspruch besteht, die Vorschrift nicht anwendbar ist3. Die Verlängerung kann abgelehnt werden, es sei denn, der Ausländer erbringt den Nachweis, dass seine Integration in das gesellschaftliche und soziale Leben anderweitig erfolgt ist. Bei der Ermessensentscheidung über die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis sind die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts, schutzwürdige Bindungen des Ausländers an das Bundesgebiet und die Folgen für die rechtmäßig im Bundesgebiet lebenden Familienangehörigen des Ausländers zu berücksichtigen. Über den beschränkten Anwendungsbereich dieser Klausel hinaus lässt sich hieraus ein allgemeiner Grundsatz der Ermessensausübung ableiten. Bereits das BVerfG hat daher festgestellt, dass bei einer Entscheidung über die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis die Tatsache eines mehrjährigen rechtmäßigen und beanstandungsfreien Aufenthalts bei der Ausübung des Ermessens zu berücksichtigen ist4. Aus Gründen des Vertrauensschutzes und des Sozialstaatsprinzips kann daher die Ermessensfreiheit bei der Entscheidung über die Verlängerung eingeschränkt sein5. Zu beachten ist ferner zugunsten des Ausländers, wenn während eines vorangegangenen rechtmäßigen Aufenthalts schutzwürdige persönliche, wirtschaftliche oder sonstige Bindungen zum Bundesgebiet entstanden sind.

War oder ist ein Ausländer zur Teilnahme an Integrationskursen verpflichtet, so soll die Aufenthaltserlaubnis auf höchstens ein Jahr befristet werden, solange ein Integrationskurs noch nicht erfolgreich abgeschlossen wurde oder anderweitig der Nachweis der Integration in das gesellschaftliche und soziale Leben erbracht ist6.

237Wird eine Nichtverlängerung einer Aufenthaltserlaubnis auf die Begehung von Straftaten gestützt, können die für die Ausweisungsinteressen maßgeblichen Grundsätze auch für die Nichtverlängerung der Aufenthaltserlaubnis entsprechend herangezogen werden. Könnte im konkreten Fall eine Ausweisung verfügt werden, so ist jedenfalls die Nichtverlängerung der Aufenthaltserlaubnis als milderes Mittel rechtmäßig. Auf der anderen Seite kann aus der Beschränkung der Ausweisung für bestimmte Kategorien schutzwürdiger Ausländer nicht abgeleitet ­werden, dass auch eine Nichtverlängerung der Aufenthaltserlaubnis unter entsprechenden Voraussetzungen unzulässig wäre. Während nämlich die Ausweisung ein bestehendes Aufenthaltsrecht beseitigt, bewirkt die Nichtverlängerung der Aufenthaltserlaubnis keinen entsprechenden Eingriff in eine bestehende Rechtsposition, sondern bedeutet die Vorenthaltung eines Rechts, auf das nach der gesetzlichen Lage kein Anspruch besteht.

238Auch aus der mehrfachen Verlängerung einer zeitlich befristeten Aufenthaltserlaubnis folgt nicht zwingend ein Anspruch auf weitere Verlängerung nach dem Grundsatz des Vertrauensschutzes. Der Gesetzgeber hat mit der Niederlassungserlaubnis insofern die Voraussetzungen, unter denen ein Anspruch auf ein unbefristetes Aufenthaltsrecht erworben wird, abschließend umschrieben (u. a. fünfjähriger Besitz einer Aufenthaltserlaubnis). Vor Ablauf dieses Zeitraums kann daher ein Ausländer nicht darauf vertrauen, dass eine ihm jeweils befristet erteilte Aufenthaltserlaubnis verlängert wird. Ein Vertrauenstatbestand liegt nur bei besonderen Umständen vor, so wenn eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Beschäftigung wiederholt routinemäßig und ohne Einschränkungen verlängert worden ist. Die Ausländerbehörde hat es in der Hand, nach § 8 Abs. 2 AufenthG eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis auszuschließen, wenn es sich um einen seiner Zweckbestimmung nach nur vorübergehenden Aufenthalt handelt oder wenn kein Anspruch auf eine weitere Verlängerung besteht. § 8 Abs. 2 AufenthG ermöglicht der Ausländerbehörde, die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis durch eine Nebenbestimmung auszuschließen. Das betrifft beispielsweise kurzfristige Arbeitsaufenthalte, bei denen eine Aufenthaltsverfestigung nicht vorgesehen ist, oder Aufenthalte aufgrund spezifischer Ausbildungsprogramme, bei denen sich die Geförderten verpflichten, nach Abschluss der Ausbildung zurückzukehren. Allerdings ist die Qualifizierung eines Aufenthalts als vorübergehend nicht davon abhängig, dass die Ausländerbehörde ausdrücklich die Verlängerung nach § 8 Abs. 2 AufenthG ausgeschlossen hat7.

239Grundsätzlich ist in derartigen Fällen die Nichtverlängerung obligatorisch, wobei allerdings die Behörde („in der Regel“) bei atypischen Interessenlagen hiervon abweichen kann. Auf türkische Staatsangehörige ist die Vorschrift des § 8 Abs. 2 AufenthG wegen der aufgrund des Assoziationsabkommens erlangten privilegierten aufenthaltsrechtlichen Stellung nicht anwendbar, wenn die Voraussetzungen des ARB Nr. 1/80 erfüllt sind8. Mit § 8 Abs. 2 AufenthG soll ein variables Instrumentarium für solche Fälle geschaffen werden, in denen wegen des vorübergehenden Aufenthalts eine Entstehung von Daueraufenthaltsrechten von vornherein ausgeschlossen werden soll.

240Grundsätzlich richtet sich die Entscheidung darüber, ob ein berechtigtes Vertrauen auf eine weitere Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis besteht, nach den Umständen des Einzelfalls. Danach gilt auch für das AufenthG, dass der Ausländer, der zu jeder Zeit um die Begrenzung des Zwecks und die Dauer seines Aufenthalts wusste und der sich zu Unrecht auf ein Daueraufenthaltsrecht eingerichtet hat, die Härten, die sich daraus im Falle einer Beendigung des Aufenthalts ergeben, selbst tragen muss9.

Lösung Fall 11: Gem. § 8 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ist die Verletzung der Pflicht zur Teilnahme an einem Integrationskurs bei der Entscheidung über die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis zu berücksichtigen. Unterschieden werden muss jedoch, ob die Antragstellerin (hier I) einen Rechtsanspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis hat oder nicht. I hat als Ehefrau eines Deutschen einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen, da D seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat (§ 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG). Ein Anspruch aus höherrangigem Unionsrecht, hier der EG-Familiennachzugsrichtlinie 2003/86 (Art. 4 Abs. 1), der zur Unanwendbarkeit des § 8 Abs. 3 Satz 4 führen würde, erscheint möglich, scheidet aber wegen Art. 7 (Pflicht, Integrationsmaßnahmen nachzukommen) aus10. Somit ist § 8 Abs. 3 Satz 4 AufenthG anwendbar. Danach kann die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nur abgelehnt werden, wenn der Ausländer nicht nachweist, dass seine Integration in das gesellschaftliche und soziale Leben anderweitig erfolgt ist. Die Ausländerbehörde kann die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis daher nur ablehnen, wenn I diesen Nachweis nicht erbringt. Auch in diesem Falle muss eine Abwägung nach § 8 Abs. 3 Satz 5 AufenthG stattfinden, die bei fortbestehender Ehe mit einem deutschen Staatsangehörigen regelmäßig eine Verlängerung gebieten wird, die auf ein Jahr befristet werden „soll“ (§ 8 Abs. 3 Satz 6 AufenthG). Verlängert die Behörde die Aufenthaltserlaubnis, kann sie die Nichtteilnahme am Integrationskurs noch in anderer Weise berücksichtigen, z. B. indem sie die Aufenthaltserlaubnis mit einer Auflage verbindet.

241Für die Geltungsdauer einer Verlängerung eines Aufenthaltstitels gelten die in den Verwaltungsvorschriften bzw. in der ausländerbehördlichen Praxis der einzelnen Bundesländer erlassenen Regeln, sofern nicht das Gesetz eine bestimmte Geltungsdauer vorschreibt. Die Verlängerung muss grundsätzlich rechtzeitig vor Ablauf der Geltungsdauer des Aufenthaltstitels bei der für den Aufenthaltsort zuständigen Ausländerbehörde beantragt werden11. Ist diese Voraussetzung gegeben, so greift § 81 Abs. 4 AufenthG ein. Bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde gilt der bisherige Aufenthaltstitel nach § 81 Abs. 4 AufenthG als fortbestehend. Ausgenommen von der Fiktionswirkung ist ein Schengen- oder Flughafentransit-Visum12. Verspätete Verlängerungsanträge entfalten die Fiktion einer Fortgeltung der bisher bestehenden Aufenthaltserlaubnis nur, wenn die Ausländerbehörde zur Vermeidung einer „unbilligen Härte“ die Fortgeltungswirkung anordnet13. Bis zur Entscheidung über den verspäteten Antrag gilt jedoch die Abschiebung als ausgesetzt. Die Abschiebung kann daher nicht vollzogen werden14.

242Die Fiktionswirkung einer Antragstellung auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis setzt einen rechtmäßigen Aufenthalt, vermittelt durch eine Aufenthaltserlaubnis oder ein gesetzliches Aufenthaltsrecht voraus. Abs. 3 ordnet die Fiktionswirkung für einen Ausländer an, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet befindet, ohne einen Aufenthaltstitel zu besitzen und einen Aufenthaltstitel beantragt. In diesem Fall gilt der Aufenthalt bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als erlaubt. Bei verspäteter Antragstellung gilt die Abschiebung ab dem Zeitpunkt der Antragstellung bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als ausgesetzt (fiktive Duldung). In den Fällen des Ablaufs eines Aufenthaltstitels gilt dagegen der bisherige Aufenthaltstitel als fortbestehend bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde unter Ausschluss des Visums (Fortgeltungsfiktion). Der bestehende aufenthaltsrechtliche Status wird erhalten, nicht aber die Herbeiführung eines neuen Aufenthaltsrechts ermöglicht. Während Abs. 3 in Bezug auf die erstmalige Erteilung eines Aufenthaltstitels nur verfahrensrechtliche Wirkung zukommt, ist die Fortgeltungsfiktion auch für die materielle Rechtsstellung bezüglich der Verlängerung einer bestehenden Aufenthaltserlaubnis (Erwerbstätigkeit) relevant. Die Regelungen des § 81 Abs. 3 und Abs. 4 stehen in einem sich ausschließenden Alternativverhältnis15.

243Ausgeschlossen von der Fiktionswirkung ist ein Visum. Dieser Ausschluss gilt nicht nur für ein von einer deutschen Auslandsvertretung ausgeschlossenes Visum, sondern auch für ein Schengen-Visum eines anderen Schengen-Staates. Nach unionsrechtlichen Grundsätzen gibt es kein „deutsches Schengen-Visum“, wie u. a. aus der Systematik des Visakodex und der Entstehungsgeschichte hervorgeht16. Lediglich für nationale Visa kann daher von einer Fortgeltungswirkung ausgegangen werden. Andernfalls würde eine sachlich nur schwer nachvollziehbare Ungleichbehandlung von Inhabern eines durch deutsche Behörden ausgestellten Schengen-Visums eintreten. Die Möglichkeit des Inhabers eines Schengen-Visums, nach § 39 Satz 1 Nr. 3 Alt. 2 einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet zu stellen, wird dadurch nicht beeinträchtigt, da dieses Recht keine fiktive Fortgeltung eines Bleiberechts im Bundesgebiet erfordert. Der Vorschrift bleibt ein eigenständiger Anwendungsbereich, wenn der Antrag rechtzeitig gestellt wird, sodass vor Ablauf der Frist entschieden wird. Andernfalls kann ggfs. eine Duldung nach § 60a Abs. 2 erteilt werden17. Auch der Eintritt einer fiktiven Duldung nach § 81 Abs. 3 scheidet bereits nach Wortlaut und Zweck der Vorschrift aus. Die gesetzliche Ausschlussregelung in Abs. 4, würde andernfalls weitgehend obsolet.

244Auf abgeschlossene Sachverhalte kann im Rahmen der Verlängerung eines Aufenthaltstitels nicht zurückgegriffen werden. Der Verweis auf die für die Entstehung der Aufenthaltserlaubnis geltenden Regeln schließt daher die Anwendung der allgemeinen Grundsätze über Vertrauensschutz, Rechtssicherheit und Bestandskraft nicht aus. Ist eine frühere Entscheidung aufgrund eines unzutref­fenden Sachverhalts oder wegen falscher Rechtsanwendung fehlerhaft, so ist ausschließlich durch Anwendung der allgemeinen verfahrensrechtlichen Instrumentarien der Rücknahme oder des Widerrufs eine Korrektur möglich. Deshalb kann auch in einem Verfahren über die Verlängerung des Aufenthaltstitels nicht auf frühere Versagungsgründe zurückgegriffen werden, die bei der erstmaligen Erteilung des Aufenthaltstitels nicht berücksichtigt worden waren.

Asyl- und Ausländerrecht

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