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3.Voraussetzungen der Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU

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215Die Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU ist durch das Richtlinienumsetzungsgesetz vom 19.8.20071 als neuer Aufenthaltstitel in das AufenthG eingefügt worden, um die sog. Daueraufenthaltsrichtlinie2 umzusetzen. Entsprechend der Zielsetzung der Richtlinie gewähren die §§ 9a ff. AufenthG langfristig aufhältigen Drittstaatsangehörigen eine privilegierte Rechtsstellung, die derjenigen der Unionsbürger so nah wie möglich ist. Dies soll der Integration dienen und damit zugleich zur Förderung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts der Union beitragen3. Dementsprechend berechtigt die Daueraufenthaltserlaubnis-EU zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit und kann nur in den durch das AufenthG ausdrücklich zugelassenen Fällen mit einer Nebenbestimmung versehen werden. Inhaber einer Daueraufenthaltserlaubnis-EU bedürfen daher ebenso wenig wie Inhaber einer Niederlassungserlaubnis zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit einer Genehmigung durch die Bundesagentur für Arbeit. Ihr Recht auf Zugang zur Beschäftigung ist grundsätzlich nicht von den in § 39 Abs. 2 AufenthG vorgesehenen Voraussetzungen abhängig.

216Zudem begründet der Besitz einer Daueraufenthaltserlaubnis-EU eine Privilegierung bei aufenthaltsbeendenden Maßnahmen. Gem. § 53 Abs. 3 AufenthG ist eine Ausweisung nur möglich, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt. Aufgrund der gesetzlichen Systematik der Vorschrift, die auch nach Assoziationsrecht privilegierte türkische Staatsangehörige einbezieht, ist damit klargestellt, dass eine Ausweisung nur unter den gleichen Voraussetzungen möglich ist, die auch für türkische Staatsangehörige, die sich als Erwerbstätige oder Familienangehörige eines Erwerbstätigen in Deutschland aufhalten, gilt4. Zum Begriff der öffentlichen Sicherheit gehören sowohl die innere als auch die äußere Sicherheit des Staates5. Hauptanwendungsfall der Vorbehaltsklausel sind Verstöße gegen innerstaatliche Rechtsvorschriften, insbesondere strafgesetzliche Normen. Erfasst sind auch Gefährdungen der staatlichen Sicherheit durch terroristische Aktivitäten. Von der Vorbehaltsklausel nicht erfasst sind jedoch wirtschaftliche Gründe (vgl. auch Art. 6 Abs. 2 der Daueraufenthaltsrichtlinie). Ausgeschlossen sind daher nationale Arbeitsmarktinteressen oder auch die Gefahr finanzieller Belastungen. Bei der Entscheidung darüber, ob der Erteilung des Aufenthaltstitels Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung entgegenstehen, ist die Schwere oder die Art des Verstoßes gegen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung oder die vom Ausländer ausgehende Gefahr unter Berücksichtigung der Dauer des bisherigen Aufenthalts und dem Bestehen von Bindungen im Bundesgebiet zu berücksichtigen. Die nicht sehr klare Formulierung der Richtlinie erfordert im Ergebnis eine Interessenabwägung. Voraussetzung für die Abwägungsentscheidung ist jedoch, dass alle sonstigen zwingenden Voraussetzungen des § 9a Abs. 2 AufenthG erfüllt sind.

217Nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen kommt § 9a AufenthG nicht zur Anwendung, wenn speziellere unionsrechtliche Regelungen bestehen. Als spezialgesetzliche Regelungen kommen die Vorschriften über die Rechtsstellung der Angehörigen assoziierter Staaten, insbesondere des Assoziationsabkommens EWG/Türkei in Betracht. Soweit in günstigeren Vorschriften aus bilateralen Übereinkommen zwischen der EU und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Drittstaaten andererseits, bilateralen Abkommen zwischen einem Mitgliedstaat und einem Drittstaat oder dem Europäischen Niederlassungsabkommen vom 13.12.1955, der geänderten Europäischen Sozialcharta vom 3.3.1987 und dem Europäischen Übereinkommen über die Rechtstellung der Wanderarbeitnehmer vom 24.11.1977 Rechte zugunsten von Drittstaatsangehörigen ableitbar sind, gehen diese § 9a AufenthG vor6.

218Die §§ 9a–9c AufenthG sind vom Gesetzgeber so ausgestaltet worden, dass – über die Mindestanforderungen hinaus – die Voraussetzungen der Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU denen der Niederlassungserlaubnis im Wesentlichen entsprechen7.

Gem. § 9a Abs. 2 und 3 AufenthG besteht ein Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

– fünfjähriger Aufenthalt im Bundesgebiet mit Aufenthaltstitel (Abs. 2 Satz 1 Nr. 1);

– gesicherter Lebensunterhalt durch feste und regelmäßige Einkünfte (Abs. 2 Satz 1 Nr. 2);

– ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache (Abs. 2 Satz 1 Nr. 3);

– Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung (Abs. 2 Satz 1 Nr. 4);

– keine entgegenstehenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung (Abs. 2 Satz 1 Nr. 5);

– Ausreichender Wohnraum (Abs. 2 Satz 1 Nr. 6);

– keine Ausschlussgründe nach Absatz 3.

219Nach § 9 a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG muss sich der Ausländer seit fünf Jahren mit einem Aufenthaltstitel im Bundesgebiet aufhalten. Aus der Formulierung „seit fünf Jahren“ folgt, dass der rechtmäßige ununterbrochene Aufenthalt unmittelbar vor der Stellung des Antrags auf die Erteilung der Daueraufenthaltserlaubnis-EU nachgewiesen werden muss. Die Voraussetzung des fünfjährigen rechtmäßigen Aufenthalts ist daher noch nicht dadurch erfüllt, dass zu irgendeinem früheren Zeitpunkt ein rechtmäßiger ununterbrochener Aufenthalt im Bundesgebiet vorgelegen hat. Der Ausländer muss noch im Zeitpunkt der Antragstellung im Besitz eines Aufenthaltstitels i. S. des § 4 AufenthG oder zumindest eines fiktiven Aufenthaltsrechts nach § 81 Abs. 4 AufenthG sein.

220Ausgeschlossen sind Ausländer, die lediglich einen Aufenthaltstitel aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen besitzen, soweit sie nicht als Flüchtlinge oder subsidiär Schutzberechtigte oder aufgrund einer Aufenthaltsgewährung nach § 23 Abs. 2 im Besitz eines Aufenthaltstitels sind. Aufgrund der RL 2011/51 können sich somit seit 20.5.2013 auch Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte für eine Niederlassungserlaubnis qualifizieren8. Im Einzelnen betrifft der Ausschluss daher nur noch folgende Kategorien von Ausländern:

– Ausländer, die aufgrund einer politischen Entscheidung der obersten Landesbehörde aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen nach § 23 Abs. 1 AufenthG aufgenommen wurden;

– Ausländer, denen aufgrund der Entscheidung der obersten Landesbehörde nach § 23a AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis aufgrund eines Vorschlags einer Härtefallkommission erteilt worden ist;

– Ausländer, denen aufgrund der Richtlinie 2001/55/EG vorübergehender Schutz gewährt worden ist;

– Asylbewerber oder Antragsteller auf vorübergehenden Schutz nach § 25 Abs. 4, denen für einen vorübergehenden Aufenthalt aus dringenden humanitären Gründen (§ 25 Abs. 4 AufenthG) oder als Opfer von Menschenhandel (§ 25 Abs. 4 a AufenthG), zur Durchführung von Strafverfahren zur Bekämpfung von Schwarzarbeit (§ 25 Abs. 4b) oder wegen Unmöglichkeit der Abschiebung (§ 25 Abs. 5 AufenthG) eine Aufenthaltserlaubnis erteilt worden ist;

– Ausländer, die nach §§ 25a und 25 b (gut integrierte jugendliche und erwachsene geduldete Ausländer) eine Aufenthaltserlaubnis erlangt haben (siehe aber § 26 Abs. 4 für die Niederlassungserlaubnis);

– Studenten und Auszubildende, die im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 16a oder 16b sind (einschließlich studienvorbereitender Sprachkurse, Studienbewerbung und der Arbeitssuche nach erfolgreichem Studienabschluss);

– Ausländer, die sich zu einem sonstigen, seiner Natur nach vorübergehenden Zweck im Bundesgebiet aufhalten (z. B. Au-Pair oder Saisonarbeitnehmer, ebenso wie befristet beschäftigte Ausländer, deren Aufenthaltserlaubnis nicht verlängert werden kann).

221Ausgeschlossen sind ferner Ausländer, die sich zu einem sonstigen, seiner Natur nach vorübergehenden Zweck (hierunter fallen auch Aufenthaltstitel zu begrenzten Zwecken, wie z. B. ICT-Karte) im Bundesgebiet aufhalten.

222Auch deren Familienangehörige sind im Allgemeinen vom Erwerb einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU ausgeschlossen, sofern nicht bei einer Aufhebung der Lebensgemeinschaft ein eigenständiges Aufenthaltsrecht (z. B. für Ehegatten) besteht. Soweit Familienangehörige den gleichen aufenthaltsrechtlichen Status als nur vorübergehend aufenthaltsberechtigt besitzen wie Ausländer, von denen sie ihr Aufenthaltsrecht ableiten, ergibt sich bereits aus § 9a Abs. 3 AufenthG, dass für sie der Ausschlusstatbestand in gleicher Weise wie für die Stammberechtigten, von denen sie ihr humanitäres oder temporäres Aufenthaltsrecht ableiten, anwendbar ist. Anderenfalls könnte ein Familienangehöriger des Ausländers, der selbst kein Daueraufenthaltsrecht nach § 9a Abs. 2 AufenthG erwerben kann, dem Stammberechtigten zu einem Mobilitätsrecht kraft Familiennachzugs verhelfen, was offensichtlich dem Zweck der Ausschlussklausel zuwiderliefe. Der fünfjährige Aufenthalt, der einem Familienangehörigen zum Zweck des familiären Zusammenlebens mit einem vom Erwerb des Daueraufenthaltsrechts-EU ausgeschlossenen Ausländer gestattet wurde, kann daher nicht zum Erwerb einer Daueraufenthaltserlaubnis-EU qualifizieren9. Eine Ausnahme gilt nur, wenn die Abhängigkeit des Aufenthaltsrechts vom Aufenthalt des Stammberechtigten (sog. Akzessorietät) durch die gesetzliche Gewährung eines eigenständigen Aufenthaltsrechts durchbrochen wird.

223Die Anrechnung von Aufenthaltszeiten bemisst sich nach § 9b AufenthG. Ausreichend ist, dass der fünfjährige Aufenthalt ganz oder teilweise vor Inkrafttreten des Gesetzes bzw. der Daueraufenthaltsrichtlinie liegt10. Die Anrechnung der Voraufenthaltszeiten entspricht im Wesentlichen § 9 Abs. 4 AufenthG, ist aber teilweise detaillierter im Hinblick auf Zeiten eines früheren Aufenthalts im Bundesgebiet mit anschließendem Aufenthalt im Ausland und Wiedereinreise ins Bundesgebiet geregelt. Anrechenbar sind auch die Zeiten, in denen ein Ausländer die Blaue Karte besitzt, die von einem anderen EU-Mitgliedstaat ausgestellt wurde, wenn er sich aufgrund dieser Karte in diesem Mitgliedstaat mindestens 18 Monate aufgehalten hat und sich bei Antragstellung mindestens zwei Jahre im Bundesgebiet aufhält11. Ausbildungs- und Studienzeiten sind zur Hälfte anrechenbar. Ein ehemaliger Student, der mittlerweile eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Erwerbstätigkeit erhalten hat, kann daher nach relativ kurzer Zeit in den Genuss der Daueraufenthaltserlaubnis-EU gelangen. Von großer praktischer Bedeutung ist auch, dass für anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte der Zeitraum zwischen der Asylbeantragung und der Erteilung des Aufenthaltstitels nach Anerkennung voll anrechenbar ist.

224Für die weitere Voraussetzung der Sicherung seines Lebensunterhalts und desjenigen von Angehörigen, denen der Drittstaatsangehörige Unterhalt zu leisten hat, durch feste und regelmäßige Einkünfte und das Erfordernis der ausreichenden Kenntnisse der deutschen Sprache und der Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet gelten die gleichen Grundsätze wie für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 9. Schließlich muss der Ausländer über ausreichenden Wohnraum für sich und seine mit ihm in familiärer Gemeinschaft lebenden Familienangehörigen verfügen (§ 9a Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 AufenthG). Da die Daueraufenthaltsrichtlinie den Begriff des ausreichenden Wohnraumes nicht näher definiert, finden die allgemeinen Vorschriften des AufenthG, mithin § 2 Abs. 4 AufenthG Anwendung.

Asyl- und Ausländerrecht

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