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IV.Forscher 1.Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Forschung

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287Mit der Schaffung eines besonderen Aufenthaltstitels zum Zwecke der wissenschaftlichen Forschung in § 18d AufenthG durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.8.20071 wird die sog. Forscherrichtlinie2 (mittlerweile ohne wesentliche Änderungen ersetzt durch die REST-Richtlinie 2016/801) umgesetzt. Ziel der Richtlinie ist die Förderung der Mobilität, so dass Drittstaatsangehörige ein Forschungsprojekt in mehreren Mitgliedstaaten durchführen können, ohne dort auf Zulassungsschwierigkeiten zu stoßen. § 18d AufenthG setzt im Wesentlichen die materiellen Regeln der Richtlinie über die Voraussetzungen der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis für Forscher, die Anforderungen, die an die Forschungseinrichtungen gestellt werden und den Inhalt der Aufenthaltserlaubnis um. Die detaillierten Verfahrensvorschriften für die Zulassung von Forschungseinrichtungen, die Aufnahmevereinbarungen und das Verfahren der Erteilung eines Aufenthaltstitels sind mit den §§ 38a bis 38f AufenthV umgesetzt3 worden.

288Gemäß § 18d Abs. 1 AufenthG besteht ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Forschung, wenn neben den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG (soweit sie nicht durch § 18d AufenthG modifiziert sind) die in Absatz 1 genannten besonderen Voraussetzungen erfüllt sind. Danach wird einem ausländischen Forscher eine Aufenthaltserlaubnis erteilt, wenn

– er eine wirksame Aufnahmevereinbarung zur Durchführung eines Forschungsvorhabens mit einer hierfür anerkannten Forschungseinrichtung abgeschlossen hat (Nr. 1a), oder er eine Aufnahmevereinbarung mit einer Forschungsreinrichtung abgeschlossen hat, die Forschung betreibt, und

– die anerkannte Forschungseinrichtung sich schriftlich zur Übernahme der Kosten verpflichtet hat, die öffentlichen Stellen bis zu 6 Monaten nach der Beendigung der Aufnahmevereinbarung für den Lebensunterhalt und eine evtl. Abschiebung des Ausländers entstehen. Von dieser Voraussetzung soll bei Forschungseinrichtungen abgesehen werden, die überwiegend aus öffentlichen Mitteln finanziert werden oder nach Ermessen, wenn an dem Forschungsvorhaben ein besonderes öffentliches Interesse besteht. Ein öffentliches Interesse wird man dann annehmen können, wenn das Forschungsvorhaben ganz oder überwiegend aus öffentlichen Mitteln finanziert wird oder wenn ein Forschungsvorhaben im Auftrag öffentlicher Stellen durchgeführt wird. Liegt eine Feststellung des Bundesamts vor, so ist die Ausländerbehörde an diese Erklärung gebunden, soweit nicht ausnahmsweise besondere Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Erklärung nicht mehr den Tatsachen entspricht.

289Gemäß § 18d Abs. 4 AufenthG wird die Aufenthaltserlaubnis für mindestens ein Jahr oder, wenn das Forschungsvorhaben in einem kürzeren Zeitraum durchgeführt wird, für die Dauer des Forschungsvorhabens ausgestellt. Längere Fristen gelten für die Durchführung von Unions- oder multilateralen Forschungsvorhaben mit Mobilitätsmaßnahmen.

290Der Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Forschung ist zur Aufnahme der Forschungstätigkeit, bei der in der Aufnahmevereinbarung bezeichneten Forschungseinrichtung und zur Ausübung von Tätigkeiten in der Lehre berechtigt. Die Formulierung ist mehrfach im Hinblick auf die Festlegung des Inhabers einer Aufenthaltserlaubnis auf ein bestimmtes „Forschungsvorhaben“ geändert worden. Insbesondere für die Erteilung eines Forscheraufenthaltstitels bei privaten Forschungseinrichtungen hat sich die Festlegung auf ein bestimmtes „Forschungsprojekt“ als nachteilig erwiesen, weil grundsätzlich eine Änderung des Projekts zum Wegfall des Aufenthaltstitels hätten führen können. Andererseits haben sich private Forschungsunternehmen zurückhaltend gezeigt, da sie nicht zu einer Preisgabe von Einzelheiten eines Forschungsvorhabens aus wettbewerblichen Gründen bereit waren. Die geltende Fassung spricht in § 18d Abs. 1 AufenthG von einer Aufnahmevereinbarung zur Durchführung eines Forschungsvorhabens, stellt aber zugleich klar, dass Änderungen des Forschungsvorhabens nicht zu einem Wegfall der Berechtigung führen4.

291Die Aufnahmevereinbarung muss eine Verpflichtung des Forschers enthalten, das Forschungsprojekt durchzuführen und die Verpflichtung der Einrichtung, den Forscher zu diesem Zweck aufzunehmen. Entsprechend den unionsrechtlichen Vorgaben sieht § 38f AufenthV für die Wirksamkeit des Abschlusses der Aufnahmevereinbarung eine Reihe von Bedingungen vor. Dazu gehören im Wesentlichen neben den erwähnten Verpflichtungen des Forschers und der Forschungseinrichtung Angaben zum wesentlichen Inhalt des Rechtsverhältnisses, das zwischen der Forschungseinrichtung und dem Ausländer begründet werden soll, insbesondere zum Umfang der Tätigkeit des Ausländers und zum Gehalt. Zwingend vorgesehen ist ferner eine Klausel, wonach die Aufnahmevereinbarung unwirksam wird, wenn dem Ausländer keine Aufenthaltserlaubnis nach § 18d AufenthG erteilt wird. Neben diesen, in die Aufnahmevereinbarung aufzunehmenden Angaben sieht § 38f AufenthV zudem zwingend Prüfungskriterien vor, die von der Forschungseinrichtung zu beachten sind. So dürfen Fragen des Zwecks, der Dauer und Finanzierung des Forschungsvorhabens nicht offen sein, wenn die Aufnahmevereinbarung abgeschlossen wird (§ 38f Abs. 2 Nr. 1 AufenthV). Ferner gehört hierzu die Prüfung der Qualifikation des Forschers im Hinblick auf den Forschungsgegenstand. Der Forscher muss in der Regel den hierfür notwendigen Hochschulabschluss haben, der Zugang zu Doktoratsprogrammen ermöglicht (§ 38f Abs. 2 Nr. 2 AufenthV).

292Weiteres Prüfkriterium ist die Sicherung des Lebensunterhaltes des Forschers (§ 38f Abs. 2 Nr. 3 AufenthV). Die REST-Richtlinie 2016/801 (Art. 7 Abs. 1e) konkretisiert dies dahingehend, dass der Forscher während seines Aufenthalts über die monatlich erforderlichen Finanzmittel entsprechend den von den Mitgliedstaaten für diesen Zweck bekannt gegebenen Mindestbetrag verfügen muss, um die Kosten für seinen Unterhalt und die Rückreise zu tragen, ohne dass er das Sozialhilfesystem des betreffenden Mitgliedstaates in Anspruch nehmen muss. Hierzu gehört ferner, dass der Forscher während seines Aufenthalts über eine Krankenversicherung verfügt, die alle Risiken einschließt, die normalerweise für Staatsangehörige des betreffenden Mitgliedstaates abgedeckt sind.

293Weitere Voraussetzung ist, dass sich die anerkannte Forschungseinrichtung schriftlich zur Übernahme der Kosten verpflichtet hat, die öffentlichen Stellen bis zu sechs Monate nach der Beendigung der Aufnahmevereinbarung für den Lebensunterhalt des Ausländers während eines unerlaubten Aufenthalts in einem EU-Mitgliedstaat und eine Abschiebung des Ausländers entstehen können. Diese Verpflichtungserklärung mit ihren Konsequenzen versteht sich als Gegengewicht zu der weitgehenden Einbindung in und erheblichen Verantwortung der Forschungseinrichtungen für das Auswahl- und Zulassungsverfahren der Forscher und zugleich als Mittel der Missbrauchsvorbeugung5. Gemäß § 18d Abs. 3 AufenthG ist auch eine globale Kostenübernahmeerklärung für alle Ausländer, denen aufgrund einer Aufnahmevereinbarung ein Aufenthaltstitel nach § 18d AufenthG erteilt wird, zulässig. Erforderlich ist aber, dass Umfang und Reichweite der Erklärung hinreichend präzisiert sind und den Voraussetzungen der AufenthV entsprechen.

294Öffentliche Stellen sind insbesondere die Ausländerbehörden und Sozialbehörden, nicht aber private Organisationen, die mit öffentlichen Mitteln zum Zweck der Erfüllung öffentlicher Aufgaben finanziert werden. Für den Begriff des Lebensunterhalts können die im SGB verwendeten Begriffe neben der unionsrechtlichen Definition des Begriffs herangezogen werden. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes umfassen nach §§ 19 ff. SGB II die Regelleistungen sowie Leistungen für Mehrbedarfe, für Unterkunft und Heizung und darüber hinausgehende Leistungen zur Deckung eines besonderen Bedarfs.

295§ 38a Abs. 1 Satz 1 AufenthV verpflichtet („soll“) zur Anerkennung, wenn eine öffentliche oder private Einrichtung im Inland Forschung betreibt. Der Begriff Forschung ist in § 38a Abs. 1 Satz 2 AufenthV definiert. Mit der Einbeziehung der Findung neuer Anwendungsmöglichkeiten ist die Legaldefinition absichtlich so weit gewählt, dass auch Entwicklungstätigkeiten von Industrieunternehmen als Forschung im Sinne von § 18d AufenthG qualifiziert werden können. Dies entspricht auch der Zwecksetzung der Forscherrichtlinie, die nicht nur den „Forscher“ im Sinne der Grundlagenforschung im Blickfeld hat, sondern auch die praktische Nutzanwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse. Voraussetzung dafür, dass von „Forschung“ einer Einrichtung gesprochen werden kann, ist die Anwendung wissenschaftlicher Methoden durch Forscher, die den herkömmlichen Qualifikationsanforderungen im Hinblick auf die Anwendung wissenschaftlicher Methoden entsprechen. Insofern erscheint die Definition in § 38a Abs. 1 AufenthV zu breit, als jede systematisch betriebene, schöpferische Tätigkeit bereits als Forschung definiert wird.

296Schließlich dürfen gegen die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu Forschungszwecken keine Ausschlussgründe bestehen. Neben den in § 5 AufenthG aufgeführten allgemeinen Versagungsgründen sieht auch Art. 7 Abs. 6 der Richtlinie als Zulassungsbedingung vor, dass ein Drittstaatsangehöriger nicht als Bedrohung für die öffentliche Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit betrachtet wird. Dementsprechend kann die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit abgelehnt werden. Der Wortlaut der Bestimmung und ein Vergleich mit ordre-public-Bestimmungen in anderen Richtlinien der EU zeigt, dass der Begriff der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit zwar nach unionsrechtlichen Maßstäben auszulegen ist, den Mitgliedstaaten bei der Auslegung von Art. 7 Abs. 6 der RL aber ein weiter Beurteilungsspielraum zukommt.

297In Abweichung von der Vorgängerregelung enthält § 18d keine Aufzählung von Fällen, in denen eine Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zu Forschungszwecken von vornherein ausscheidet. Inhaltlich ergibt sich hieraus keine wesentliche Änderung, da die Ausschlussgründe nunmehr in Anlehnung an die Systematik der REST RL 2016/801 (Art. 20) zusammenfassend in § 19f Abs. 1, 2 und 3 Satz 2 geregelt sind. Spezielle Ablehnungsgründe sind insbes. in § 19f Abs. 2 vorgesehen. Ausgeschlossen sind danach Ausländer

1. die einen Aufenthaltstitel nach Abschnitt 5 besitzen, der nicht aufgrund des § 23 Abs. 2 oder 4 erteilt wurde, oder eine vergleichbare Rechtsstellung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union innehaben; gleiches gilt, wenn sie einen solchen Titel oder eine solche Rechtsstellung beantragt haben und über den Antrag noch nicht abschließend entschieden worden ist,

2. deren Einreise in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union Verpflichtungen unterliegt, die sich aus internationalen Abkommen zur Erleichterung der Einreise und des vorübergehenden Aufenthalts bestimmter Kategorien von natürlichen Personen, die handels- und investitionsbezogene Tätigkeiten ausüben, herleiten,

3. die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union als Saisonarbeitnehmer zugelassen wurden, oder

4. die als entsandte Arbeitnehmer unter die EU-Entsenderichtlinie 2018/957 fallen, für die Dauer ihrer Entsendung nach Deutschland.

298Ferner sind ausgeschlossen Ausländer, deren Forschungstätigkeit Bestandteil eines Vollzeit-Promotionstudiums ist (§ 19f Abs. 3 Satz 2) oder die in einem EU-Mitgliedstaat einen Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz gestellt hat (Asylbewerber, vgl. Nr. 1), sich im Rahmen einer Regelung zum vorübergehenden Schutz in einem EU-Mitgliedstaat aufhalten, oder deren Abschiebung in einem EU-Mitgliedstaat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen ausgesetzt wurde (§ 19f Abs. 1 Nr. 1 bis 3). Weitere Ausschlussgründe gelten für zweifelhafte Aufnahmeeinrichtungen, insbes. wenn die „Forschungseinrichtung“ in Wahrheit primär die Erleichterung der Erlangung eines Aufenthaltstitels bezweckt.

299Für Ausländer, die in einem EU-Mitgliedstaat als international Schutzberechtigte anerkannt sind, sieht nunmehr § 18d Abs. 6 ausdrücklich die Möglichkeit der Erteilung einer Forscheraufenthaltserlaubnis vor, wenn sich der Ausländer nach Erteilung der Schutzberechtigte mindestens zwei Jahre in diesem Mitgliedstaat aufgehalten hat. Für Personen, die sich als Asylbewerber oder Inhaber einer Duldung in einem anderen EU-Mitgliedstaat aufhalten, ergibt sich daraus im Umkehrschluss entsprechend der REST-Richtlinie ein Ausschluss von der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.

Asyl- und Ausländerrecht

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