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2.Blaue Karte

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280Für die Blaue Karte gelten aufgrund der unionsrechlichen Vorgaben der Blue Card-Richtline 2009/50 eine Reihe von besonderen Bestimmungen, die bei der Auslegung zu beachten sind. Über den unionsrechtlichen Standard hinaus und im Unterschied zu § 18b Abs. 1 besteht nach § 18b Abs. 2 ein Anspruch auf Erteilung, wenn die in § 18 und 18b niedergelegten Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. den Wortlaut „…wird … eine Blaue Karte erteilt“). Damit geht der Gesetzgeber über die Vorgaben der Blue Card-Richtlinie hinaus, die den Mitgliedstaaten die Befugnis zur Festlegung von Quoten vorbehalten hat. Die Blue Card-Richtlinie erlaubt andererseits auch die Erteilung einer Blue Card für nicht akademische Abschlüsse. Hiervon hat der deutsche Gesetzgeber nicht Gebrauch gemacht, so dass bislang ausschließlich ein Hochschulabschluss zum Erwerb einer Blauen Karte befähigt.

281Die angestrebte Beschäftigung muss der Qualifikation „angemessen“ sein. Die Qualifikation als solche rechtfertigt daher die Erteilung der Blauen Karte noch nicht, wenn die ausgeübte Beschäftigung eine qualifizierte Berufsausbildung, d. h. ein Hochschulstudium nicht erfordert. Unschädlich ist, wenn ein Ausländer über den geforderten Hochschulabschluss hinaus weitere Abschlüsse und Berufserfahrungen aufweisen kann, die ihn als „überqualifiziert“ für eine Tätigkeit erscheinen lassen.

Die Vereinbarung eines der BeschV entsprechenden Mindestgehalts ist nach § 19a Abs. 1 Nr. 3 AufenthG gesetzliche Voraussetzung für die Erteilung einer Blauen Karte. Die Festsetzung eines Mindestgehalts ist durch die Blue Card-Richtlinie (Art. 8 Abs. 3) zwingend vorgeschrieben. Die Mitgliedstaaten sind aber frei, ein höheres Gehaltsniveau festzulegen.

282Die Blaue Karte wird bei erstmaliger Erteilung auf höchstens vier Jahre befristet. Die Dauer der Aufenthaltserlaubnis kann jedoch kürzer sein, wenn die Dauer des Arbeitsvertrages weniger als vier Jahre beträgt. Die Standardbefristung beträgt vier Jahre, wenn der Arbeitsvertrag über eine Dauer von vier Jahren oder längere Zeit gilt.

In den ersten zwei Jahren besteht kein Recht auf unbeschränkte Wahl des Arbeitsplatzes. Der Arbeitsmarktzugang bleibt auf diejenigen unselbstständigen Tätigkeiten beschränkt, die für die Erteilung einer Blauen Karte vorgeschrieben sind (insbesondere hoch qualifizierte Beschäftigung, Mindestgehalt usw.). Ein Wechsel des Arbeitsplatzes ist zwar grundsätzlich zugelassen, er bedarf aber einer Erlaubnis durch die Ausländerbehörden. Ein Wechsel des Arbeitsplatzes erfordert im Allgemeinen eine Änderung einer zur Blauen Karte verfügten Nebenbestimmung zur Beschäftigung, in der Art der Tätigkeit und Arbeitgeber bestimmt sind. Sind die allgemeinen Voraussetzungen, die nach § 18b AufenthG für die Erteilung einer Blauen Karte vorgeschrieben sind, erfüllt, so besteht ein Rechtsanspruch auf Erteilung der Erlaubnis. Auch insoweit bedarf es keiner Zustimmung durch die Bundesagentur für Arbeit. Nach Ablauf von zwei Jahren ist die Beschränkung beim Arbeitsplatzwechsel erlaubnisfrei möglich. Der freie Wechsel des Arbeitsplatzes beinhaltet jedoch keine völlige Gleichstellung mit eigenen Staatsangehörigen. Erhalten bleibt nicht nur die Beschränkung des Arbeitsmarktzugangs auf eine der Qualifikation „angemessenen“ Beschäftigung, sondern auch die Notwendigkeit der Erfüllung der allgemeinen Voraussetzungen für die Erteilung bzw. Verlängerung einer Blauen Karte nach § 18b Abs. 2 AufenthG. Ein Inhaber einer Blauen Karte, der eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zur Aufnahme einer „gewöhnlichen“ Erwerbstätigkeit anstrebt, bedarf daher einer Aufenthaltserlaubnis nach § 18b Abs. 1 AufenthG.

Inhaber einer Blauen Karte können gleichzeitig die Berechtigung für eine langfristige EU-Aufenthaltsberechtigung aufgrund ihres Aufenthalts in Deutschland erwerben. Gegenüber „gewöhnlichen“ Drittstaatsangehörigen gibt es eine Reihe von Privilegierungen, insbesondere bei der Kumulierung der Aufenthaltszeiten, um die vorgeschriebene Gesamtaufenthaltsdauer von fünf Jahren nachweisen zu können. Ausreichend ist danach ein mindestens 18-monatiger Voraufenthalt in einem anderen EU-Mitgliedstaat in Verbindung mit einem unmittelbar vor Einreichung des Antrags zurückgelegten zweijährigen Aufenthalt als Inhaber einer Blauen Karte in Deutschland. Die restlichen 18 Monate können auf einen Auslandsaufenthalt außerhalb der EU angerechnet werden (vgl. § 9 b Abs. 2 Satz 3 AufenthG).

Wird ein Aufenthaltstitel für eine qualifizierte Berufsausbildung nach §§ 18a oder 18b Abs. 1 beantragt, so entscheidet die Ausländerbehörde nach Ermessen, unter Beachtung der oben dargestellten Grundsätze. Grundsätzlich ist bei Erfüllung der sonstigen ausländerrechtlichen Voraussetzungen insoweit das Erfordernis der vorherigen Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit von maßgeblicher Bedeutung. Für die Blaue Karte besteht im Allgemeinen kein Zustimmungserfordernis, sofern das Gehaltsniveau die Schwelle des § 18b Abs. 2 Satz 1 erreicht. Die Entscheidung über die beschäftigungsrechtliche Zustimmung der Bundesagentur, die intern als Bestandteil des einheitlichen ausländerrechtlichen Verfahrens gegenüber der Ausländerbehörde erklärt wird, richtet sich nach § 39 AufenthG.

Die Bundesagentur für Arbeit hat in alleiniger Verantwortung festzulegen, ob eine Beschäftigungsmöglichkeit und ggfs. Beschäftigungsnotwendigkeit für einen Ausländer und mithin die Voraussetzungen für eine Zustimmung aufgrund der Vorgaben des § 39 Abs. 2 bis 6 und der BeschV gegeben sind. Die Ausländerbehörde hat demgegenüber die ausländerrechtlichen Voraussetzungen zu prüfen1. Die Abgrenzung kann allerdings im Einzelfall Schwierigkeiten aufwerfen, da § 18 Abs. 1 AufenthG die Ermessensentscheidung über die Erteilung eines Aufenthaltstitels an die unbestimmten Rechtsbegriffe des § 18 Abs. 1 (Erfordernisse des Wirtschafts- und Wissenschaftsstandorts Deutschland unter Berücksichtigung der Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt) koppelt, ohne hierbei zwischen spezifisch ausländerrechtlichen (Ausländerbehörden) und beschäftigungsrechtlichen Belangen (Bundesagentur für Arbeit) zu unterscheiden.

Im Regelfall wird die Ausländerbehörde nach Prüfung der allgemeinen ausländerrechtlichen Voraussetzungen und der Beurteilung sonstiger ausländerpolitischer Gesichtspunkte, die im Rahmen der Ermessensentscheidung zu prüfen sind, im Falle einer positiven Beurteilung die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit einholen. Wird die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit erteilt, steht damit fest, dass spezifisch arbeitsmarktpolitische Gesichtspunkte, deren Prüfung der Bundesagentur für Arbeit obliegt, der positiven Bescheidung des Antrags nicht entgegenstehen (§ 18 Abs. 2). Eine Ablehnung des Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wird nur noch dann in Frage kommen, wenn zwischenzeitlich entweder aufgrund einer Änderung der Umstände oder aufgrund neuer Erkenntnisse eine Erteilungsvoraussetzung entfallen ist oder eine abweichende Ermessensentscheidung geboten ist.

283Ist eine Zustimmung der Bundesagentur nicht erforderlich, so kann der Aufenthaltstitel auch dann versagt werden, wenn einer der Tatbestände des § 40 Abs. 2 oder 3 (insbes. Verstöße gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz und § 404 SGB III, unseriöse, insolvente oder kriminell agierende Arbeitgeber), die ansonsten im Rahmen des Zustimmungsverfahrens von der Bundesagentur überprüft werden, vorliegt. Im Umkehrschluss zu § 18 Abs. 2 2. Halbsatz ist die Ausländerbehörde aber nicht befugt, den Aufenthaltstitel aus einem sonstigen, in den Kompentenzbereich der Bundesagentur fallenden Grund (z. B. ungünstigere Arbeitsbedingungen) zu versagen.

284Die in § 18 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG grundsätzlich vorgesehene Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit erfordert eine Arbeitsmarktprüfung, die in § 39 Abs. 2 AufenthG näher geregelt ist. § 39 unterscheidet dabei zwischen der Zustimmung zur Beschäftigung von Fachkräften nach §§ 18a oder 18b (§ 39 Abs. 2) und Beschäftigungen unabhängig von einer Qualifikation als Fachkraft (§ 39 Abs. 3 und Abs. 6). Aus der Systematik des Gesetzes folgt, dass das AufenthG keine allgemeine generalklauselartige Ermächtigung der Bundesagentur für Arbeit kennt, die Zustimmung zur Ausübung einer Beschäftigung zu erteilen. Auch die in § 39 Abs. 2 bis 6 AufenthG geregelten Tatbestände sind an die in § 18 AufenthG näher geregelten Voraussetzungen für die Zulassung zu einer Beschäftigung gebunden.

285Für die Zustimmung der Arbeitsverwaltung zur Erteilung eines Aufenthaltstitels zur Ausübung einer Beschäftigung als Fachkraft nach den §§ 18a oder 18b Abs. 1 bedarf es nach § 39 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1–4 AufenthG einer individuell gestalteten Prüfung, ob

– sie nicht zu ungünstigeren Arbeitsbedingungen als vergleichbare inländische Arbeitnehmer beschäftigt wird;

– sie eine Beschäftigung als Fachkraft ausüben wird, zu der ihre Qualifikation sie befähigt;

– ein inländisches Beschäftigungsverhältnis vorliegt;

– in der BeschV vorgesehene zusätzliche Voraussetzungen erfüllt sind.

286Voraussetzung in beiden Fällen ist, dass der Ausländer nicht zu ungünstigeren Arbeitsbedingungen als vergleichbare deutsche Arbeitnehmer beschäftigt wird. Damit soll zum einen der Ausländer vor Ausbeutung geschützt, zum anderen ein Verdrängungseffekt zu Ungunsten bevorrechtigter Arbeitnehmer verhindert werden. Zu den Arbeitsbedingungen gehören u. a. Beginn und gegebenenfalls Ende des Arbeitsverhältnisses, Arbeitszeit, Probezeit, Kündigungsfristen, Arbeitsort, Bezeichnung bzw. Beschreibung der zu erledigenden Tätigkeit, Höhe und Fälligkeit des Arbeitsentgelts, jährliche Urlaubsdauer, Überstundenregelung usw.2. Ungünstige Arbeitsbedingungen liegen insbesondere vor, wenn bei Vorhandensein eines Tarifvertrags der tarifliche Lohn unterschritten wird oder mangels eines Tarifvertrags der für die betreffende Tätigkeit übliche Lohn nicht gezahlt wird.

Asyl- und Ausländerrecht

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