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2.Voraussetzungen der Niederlassungserlaubnis

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Fall 8: Der türkische Staatsangehörige T beantragt die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis, um sein seit längerer Zeit geplantes und finanziertes Reiseunternehmen selbstständig betreiben zu können. Die Ausländerbehörde stellt fest, dass die Aufenthaltserlaubnis des T seit zwei Wochen abgelaufen ist, die Erteilungsvoraussetzungen im Übrigen aber von T erfüllt werden. Kann dem T die beantragte Niederlassungserlaubnis rückwirkend erteilt werden?

Fall 9: Die Ausländerbehörde lehnt den Antrag der ukrainischen Staatsangehörigen M auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis mit der Begründung ab, dass M nicht über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfüge. M macht geltend, wegen der Pflegebedürftigkeit ihrer Mutter sei ihr der Besuch eines Integrationskurses auf Dauer nicht möglich gewesen. Wurde der Antrag der M zu Recht abgelehnt?

196Die Niederlassungserlaubnis ist vom AufenthG als Daueraufenthaltstitel ausgestaltet, der den Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet verfestigt und sichert1. Im Gegensatz zur Aufenthaltserlaubnis ist die Niederlassungserlaubnis prinzipiell zeitlich unbegrenzt und inhaltlich unbeschränkt. Nur in den durch das AufenthG ausdrücklich zugelassenen Fällen kann sie mit einer Nebenbestimmung versehen werden. Ferner berechtigt sie, wie jeder andere Aufenthaltstitel zu einer Erwerbstätigkeit, die aber im Gegensatz zu anderen Aufenthaltstiteln nicht beschränkt werden kann. Eine weitere Privilegierung begründet die Erteilung der Niederlassungserlaubnis bei aufenthaltsbeendenden Maßnahmen. Der Besitz einer Niederlassungserlaubnis in Verbindung mit einem fünfjährigen rechtmäßigen Aufenthalt ist als besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse bei der Abwägungsentscheidung über eine Ausweisung zu berücksichtigen (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG).

197Gem. § 9 Abs. 2 AufenthG hat ein Ausländer einen Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis, wenn er folgende Voraussetzungen erfüllt:

– Besitz der Aufenthaltserlaubnis seit fünf Jahren (Nr. 1),

– Sicherung des Lebensunterhalts (Nr. 2),

– 60 Monate Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung oder Anspruch auf vergleichbare Leistungen (Nr. 3),

– Gründe der Öffentlichen Sicherheit oder Ordnung stehen nicht entgegen (Nr. 4),

– Erlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung als Arbeitnehmer (Nr. 5),

– Besitz sonstiger, für die Ausübung der Erwerbstätigkeit notwendiger Erlaubnisse (Nr. 6),

– ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache (Nr. 7),

– Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet (Nr. 8),

– ausreichender Wohnraum für den Antragsteller und seine mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebenden Familienangehörigen (Nr. 9).

198Für bestimmte privilegierte Personengruppen existieren Sondervorschriften für den Erwerb der Niederlassungserlaubnis (vgl. §§ 21 Abs. 4 Satz 2, 23 Abs. 2 Satz 3, 26 Abs. 3, 28 Abs. 2, 35 Abs. 1, 38 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG). Insbesondere für die humanitäre Niederlassungserlaubnis an Inhaber eines Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 1 und Abs. 2 1. Alt. (Asylberechtigte und anerkannte Flüchtlinge, nicht aber subsidiär Schutzberechtigte) und Resettlement-Flüchtlinge wird der Erwerb einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 und 4 AufenthG erleichtert.

199Der Besitz der fünfjährigen Aufenthaltserlaubnis (§ 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG) setzt voraus, dass der Ausländer im Zeitpunkt der Antragstellung noch eine gültige Aufenthaltserlaubnis hat. Der Antrag auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis kann daher grundsätzlich nicht nach Ablauf der gültigen Aufenthaltserlaubnis gestellt werden2. Eine bereits abgelaufene Aufenthaltserlaubnis kann nicht mit Rückwirkung vor den Zeitpunkt der Antragstellung verlängert werden3. Nach der Rechtsprechung des BVerwG kann zwar bei Vorliegen eines schutzwürdigen Interesses die Erteilung eines Aufenthaltstitels auch für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum beansprucht werden. Dies bezieht sich aber nur auf Aufenthaltszeiten nach der Antragstellung bei der Ausländerbehörde4. Auch die Regelung des § 81 Abs. 4 AufenthG, wonach bei Beantragung einer Verlängerung des Aufenthaltstitels der bisherige Aufenthalt als fortbestehend gilt, bewirkt keine rückwirkende „Heilung“ einer verspäteten Antragstellung. Aus Entstehungsgeschichte und Gesichtspunkten der Rechtssicherheit folgt nach Auffassung des BVerwG die Ablehnung einer in Rechtsprechung und Literatur vielfach vertretenen These, dass bei geringfügiger „Verspätung“ oder bei „innerem Zusammenhang zwischen dem Ablauf der Geltungsdauer des Titels und dem Antrag“5 die Fiktionswirkung des § 81 Abs. 4 AufenthG eingreift6. Mit der Neufassung des § 84 Abs. 4 Satz 3 ist die Streitfrage dadurch entschärft worden, dass nunmehr die Ausländerbehörde die Möglichkeit hat, bei verspäteter Antragstellung zur Vermeidung einer „unbilligen Härte“ den Fortgeltungsanspruch anzuordnen. Die Fortgeltungsfiktion tritt in diesem Fall bereits zum Zeitpunkt des Ablaufs des vorherigen Aufenthaltstitels mit rückwirkender Geltung ein. Damit steht zugleich fest, dass kraft § 81 Abs. 4 AufenthG entsprechend der Rechtsprechung des BVerwG eine verspätete Antragstellung ohne eine entsprechende behördliche Anordnung keine Fortgeltung der bisherigen Aufenthaltserlaubnis auslöst.

Lösung Fall 8: Die rückwirkende Erteilung der Niederlassungserlaubnis ist nicht möglich, da T im Zeitpunkt der Entscheidung nicht mehr im Besitz eines Aufenthaltstitels ist. Sofern die Antragstellung durch T nur fahrlässig verspätet erfolgte, kann die Ausländerbehörde, da die Erteilung der Niederlassungserlaubnis für T von großer Bedeutung für sein wirtschaftlichen Aktivitäten ist, die zweiwöchige Unterbrechung außer Acht lassen, eine Fortgeltungswirkung wegen Vorliegens einer unbilligen Härte nach § 81 Abs. 4 Satz 2 AufenthG anordnen und die beantragte Niederlassungserlaubnis erteilen. Die Anordnung der Fortgeltungswirkung steht in ihrem Ermessen. Dabei sind alle Gesichtspunkte des individuellen Falls zu berücksichtigen. Die Ausländerbehörde wird ihr Ermessen dahin ausüben müssen, dass bei geringfügiger Verspätung die Fortgeltung bewilligt werden muss.

200Auf die Zeit des Besitzes der Aufenthaltserlaubnis sind nach § 9 Abs. 4 AufenthG folgende Zeiten anrechenbar

– die Zeit des früheren Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis oder Niederlassungserlaubnis, wenn der Ausländer zum Zeitpunkt seiner Ausreise im Besitz einer Niederlassungserlaubnis war. Nicht angerechnet wird die Zeit dazwischenliegender Aufenthalte außerhalb des Bundesgebiets, die zum Erlöschen der Niederlassungserlaubnis führten. Angerechnet werden höchstens vier Jahre;

– höchstens sechs Monate für jeden Aufenthalt außerhalb des Bundesgebiets, der nicht zum Erlöschen der Aufenthaltserlaubnis führte;

– die Zeit eines rechtmäßigen Aufenthalts zum Zweck des Studiums oder der Berufsausbildung im Bundesgebiet zur Hälfte.

201Ein Erlöschen des Aufenthaltstitels tritt nach § 51 Abs. 1 Nr. 6 und Nr. 7 AufenthG unter anderem ein, wenn der Ausländer aus einem seiner Natur nach nicht vorübergehenden Grund ausreist oder wenn der Ausländer ausgereist und nicht innerhalb von sechs Monaten oder einer von der Ausländerbehörde bestimmten längeren Frist wieder eingereist ist. Lebt der Ausländer aber schon seit 15 Jahren im Bundesgebiet, so erlischt die Niederlassungserlaubnis nicht, wenn der Lebensunterhalt gesichert ist und keine Ausweisungsinteressen (§ 54 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 oder Abs. 2 Nr. 5 bis 7) bestehen. Entsprechendes gilt für einen Ausländer, der mit einem Deutschen in ehelicher Lebensgemeinschaft lebt (vgl. § 51 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 AufenthG).

202Die Anrechnungsmöglichkeiten des § 9 Abs. 4 AufenthG sollen nach der Intention des Gesetzgebers die einmal erreichte Integration in die deutschen Lebensverhältnisse honorieren. Ein Ausländer, der bei seiner Ausreise bereits im Besitz einer Niederlassungserlaubnis war und dem nach einer zum Erlöschen des Titels führenden Ausreise aufgrund der allgemeinen Voraussetzungen nach diesem Gesetz wieder eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird, soll – abhängig von der Länge des Inlandsaufenthalts und des dazwischen liegenden Auslandsaufenthalts – schneller eine Niederlassungserlaubnis erhalten können als ein Ausländer, der vorher noch nicht im Bundesgebiet gelebt hat. Die zweite Alternative entspricht weitgehend den herkömmlichen Anrechnungsregeln. Kurzfristige Aufenthalte im Ausland, die nicht zum Erlöschen des Aufenthaltstitels führen, sind für die Berechnung der erforderlichen Aufenthaltszeit unschädlich.

203Für die Zeit des Besitzes der Aufenthaltserlaubnis sind Zeiten anzurechnen, in denen der Ausländer aufenthaltsrechtlich entweder aufgrund einer fingierten Aufenthaltserlaubnis oder einer Freistellung vom Erfordernis der Aufenthaltserlaubnis befreit war. In der Praxis wurden insbesondere folgende Zeiten als Zeiten des Besitzes der Aufenthaltserlaubnis angesehen:

– Geltungsdauer des mit Zustimmung der Ausländerbehörde erteilten Visums,

– Zeiten einer nach § 81 Abs. 3 oder Abs. 4 AufenthG fingierten Aufenthaltserlaubnis bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde über eine Beantragung bzw. Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis,

– Zeiten, in denen der Ausländer vom Erfordernis der Aufenthaltserlaubnis befreit war,

– Zeiten von einer Versagung der Aufenthaltserlaubnis bis zur Erteilung oder Verlängerung aufgrund eines erfolgreichen Rechtsbehelfs7.

204Anrechenbar sind ferner Zeiten des früheren Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis oder Niederlassungserlaubnis, wenn der Ausländer zum Zeitpunkt seiner Ausreise im Besitz einer Niederlassungserlaubnis war, höchstens 6 Monate eines Auslandsaufenthalts, der nicht zum Erlöschen der Aufenthaltserlaubnis geführt hat und schließlich Zeiten eines Studiums oder einer Berufsausbildung in Deutschland zur Hälfte (§ 9 Abs. 4 Nr. 1 bis 3).

205Bezüglich der Voraussetzung der Sicherung des Lebensunterhaltes (§ 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG) gelten die Ausführungen zu § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG8. Allerdings kann bei der Niederlassungserlaubnis von dieser Voraussetzung abgesehen werden, wenn der Ausländer sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung nicht erfüllen kann (vgl. § 9 Abs. 2 Satz 6 AufenthG). Nach der Gesetzesbegründung9 wollte der Gesetzgeber mit dieser Ausnahmevorschrift dem durch Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG gebotenen besonderen Schutz von kranken und behinderten Menschen Rechnung tragen und diese nicht von einer ansonsten möglichen weiteren Aufenthaltsverfestigung durch Versagung einer Niederlassungserlaubnis wegen Fehlens der besonderen Integrationsvoraussetzungen ausschließen. Die Bestimmung soll sicherstellen, dass Behinderte nicht benachteiligt werden, wenn sie wegen ihrer Behinderung nicht arbeiten können. Fraglich ist, ob dieser Ausnahmekonstellation vergleichbare weitere Sachverhalte wie etwa der Fall, dass der Ausländer aufgrund von Betreuungspflichten keiner Berufstätigkeit nachgehen kann, gleichgestellt werden können. Der VGH BW10 hat eine analoge Anwendung des § 9 Abs. 2 Satz 6 AufenthG auf den Fall, dass der Ausländer eine körperlich oder geistig behinderte bzw. erkrankte Person rund um die Uhr zu betreuen hat, abgelehnt.

206Erforderlich sind ferner 60 Monate Beiträge zur Rentenversicherung (Nr. 3), berufliche Ausfallzeiten aufgrund von Kinderbetreuung oder häuslicher Pflege sind jedoch unschädlich. Das Erfordernis wird von Arbeitnehmern erfüllt, die zur Ausübung einer Beschäftigung berechtigt sind. Eine private Vorsorge ist ausreichend, wenn der Ausländer im Fall der Erwerbsunfähigkeit oder bei Erreichen des Rentenalters in gleicher Weise gesichert ist, wie er es durch die gesetzliche Rentenversicherung wäre11.

207Erforderlich für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis ist nach § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AufenthG weiterhin, dass keine Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung entgegenstehen. Entsprechend Art. 6 Abs. 1, 2. Unterabsatz der Daueraufenthaltsrichtlinie 2003/109 ist eine Abwägung zwischen den Interessen des Ausländers und den Ordnungsbelangen der Bundesrepublik notwendig.

208§ 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AufenthG schließt die Anwendbarkeit der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen von § 5 AufenthG nicht aus, sofern keine verdrängenden Spezialregelungen in § 9 bestehen. Denn Anforderungen, die für jede Aufenthaltserlaubnis gelten, müssten erst recht für die Niederlassungserlaubnis bestehen12. Erforderlich ist eine Güterabwägung. Für die Auslegung der Klausel können die unionsrechtlichen Standards für die Daueraufenthaltserlaubnis-Richtlinie13 als Leitlinien herangezogen werden. Dafür spricht, dass der Gesetzgeber sich bei der Neuregelung an den Vorschriften der Daueraufenthaltsrichtlinie orientiert hat und eine Parallelregelung vornehmen wollte14.

209Erforderlich ist ferner, dass dem Ausländer, der Arbeitnehmer ist, die Beschäftigung erlaubt ist, was entweder durch eine Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit oder durch eine Ausnahme vom Zustimmungserfordernis nach der BeschV erreicht werden kann. Da jeder Aufenthaltstitel nach § 4a Abs. 3 Satz 1 AufenthG erkennen lassen muss, ob die Ausübung einer Erwerbstätigkeit erlaubt ist und ob sie Beschränkungen unterliegt, genügt im Allgemeinen die Vorlage des Aufenthaltstitels zum Nachweis der Erlaubnis. Obwohl § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG allgemein davon spricht, dass dem Ausländer die Beschäftigung erlaubt ist, ist erforderlich, dass die Ausübung der Beschäftigung nicht von vornherein nach dem Zweck der Erlaubnis auf eine vorübergehende, nicht verlängerbare Beschäftigung bezogen ist. Dafür spricht, dass nach § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 AufenthG der Ausländer auch im Besitz der sonstigen, für eine dauernde Ausübung seiner Erwerbstätigkeit erforderlichen Erlaubnisse sein muss. Zwar bezieht sich diese Vorschrift insbesondere auf die Ausübung selbstständiger Erwerbstätigkeiten aufgrund der einschlägigen gewerbe-, lebensmittel- und gesundheitsrechtlichen Regelungen15, die die dauernde Ausübung derartiger Tätigkeiten von einer behördlichen Zulassung abhängig machen. Ungeachtet dessen ergibt sich aus der Formulierung, dass die Beschäftigung nach der Art der Erlaubnis nicht auf eine lediglich vorübergehende Beschäftigung begrenzt ist.

210Von § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 AufenthG werden neben den allgemeinen gewerberechtlichen Erfordernissen (§§ 30 ff. GewO, § 2 GastG) auch handwerksrechtliche (§§ 1 ff. HwO) und besondere, für Ausländer geltende Zulassungserfordernisse erfasst. Die Erlaubnis muss sich auf die dauernde Berufsausübung beziehen. Eine befristete Erlaubnis ist im Allgemeinen nicht ausreichend, sofern nicht ein Anspruch auf Fortsetzung der Berufstätigkeit besteht und die Befristung nur den Zweck verfolgt, in regelmäßigen Abständen die für die Ausübung der Berufstätigkeit allgemein geltenden Voraussetzungen zu überprüfen.

211§ 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 AufenthG sieht als weitere Voraussetzung für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis vor, dass der Ausländer über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügen muss16. Damit soll dem Erfordernis der Sprachkenntnisse als wesentlicher Integrationsvoraussetzung und als Voraussetzung für die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben größere Bedeutung verschafft werden17. Ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache liegen vor, wenn sich der Ausländer im täglichen Leben einschließlich der Kontakte mit Behörden in seiner deutschen Umgebung sprachlich zurechtzufinden vermag und mit ihm ein seinem Alter und Bildungsstand entsprechendes Gespräch geführt werden kann. Dazu gehört auch, dass der Ausländer einen deutschsprachigen Text des alltäglichen Lebens lesen, verstehen und die wesentlichen Inhalte mündlich wiedergeben kann. Die Fähigkeit, sich auf einfache Art mündlich verständigen zu können, reicht nicht aus. Kann ein Ausländer diese Anforderungen wegen einer körperlichen oder geistigen Krankheit oder Behinderung nicht erfüllen18, sind Ausnahmen vorgesehen. Zur Vermeidung einer Härte kann von den Voraussetzungen der Sprachkenntnisse und der Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung abgesehen werden19. Eine weitere Ausnahme gilt, wenn der Ausländer sich auf einfache Art in deutscher Sprache mündlich verständigen kann und er nach § 44 Abs. 3 Nr. 2 AufenthG keinen Anspruch auf Teilnahme am Integrationskurs hatte oder nach § 44a Abs. 2 Nr. 3 AufenthG nicht zur Teilnahme am Integrationskurs verpflichtet war20. Ausgenommen sind damit zum einen Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, die in der Ausbildung sind, sowie Ausländer bei erkennbar geringem Integrationsbedarf und Ausländer, die bereits über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügen.

Lösung Fall 9: Die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis setzt grundsätzlich voraus, dass der Ausländer über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. Von dieser Voraussetzung kann jedoch zur Vermeidung einer Härte abgesehen werden (§ 9 Abs. 2 Satz 4 AufenthG). Eine solche Härte kann z. B. vorliegen, wenn eine körperliche, geistige oder seelische Erkrankung oder Behinderung den Erwerb ausreichender Sprachkenntnisse zwar nicht unmöglich macht, aber dauerhaft wesentlich erschwert, oder wenn der Ausländer bei der Einreise bereits über 50 Jahre alt war, oder wenn wegen der Pflegebedürftigkeit eines Angehörigen der Besuch eines Integrationskurses auf Dauer unmöglich oder unzumutbar war (Nr. 9.2.10.2 AVwV-AufenthG). Die Ausländerbehörde kann der M die beantragte Niederlassungserlaubnis daher trotz des Fehlens ausreichender Sprachkenntnisse erteilen.

212Mit einer Übergangsregelung wird ferner in § 104 Abs. 2 Satz 1 AufenthG für Ausländer, die vor dem 1.1.2005 im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsbefugnis waren, bei der Entscheidung über die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis hinsichtlich der sprachlichen Kenntnisse nur gefordert, dass sie sich auf einfache Art in deutscher Sprache mündlich verständigen können. Für diese Ausländer wird im Übrigen auch von den Voraussetzungen der 60 Monate Pflichtbeiträge (§ 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AufenthG) und dem Erfordernis des Nachweises der Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung (§ 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 AufenthG) eine Ausnahme gemacht (vgl. § 104 Abs. 2 Satz 2 AufenthG).

213Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung (§ 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 AufenthG) umfassen die grundlegenden Prinzipien des Rechtsstaats. Eine Orientierung über die Inhalte geben die Lehrpläne des Orientierungskurses, der Bestandteil des Integrationskurses ist. Die Grundkenntnisse können ebenso wie die erforderlichen Sprachkenntnisse durch die erfolgreiche Teilnahme an einem Integrationskurs, aber auch auf andere Weise – etwa über einen entsprechenden Schulabschluss – nachgewiesen werden21.

214Hinsichtlich des ausreichenden Wohnraums (§ 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 9 AufenthG) gilt § 2 Abs. 4 AufenthG. Danach wird als ausreichender Wohnraum nicht mehr gefordert, als für die Unterbringung eines Wohnungssuchenden in einer öffentlich geförderten Sozialmietwohnung genügt. Der Wohnraum ist nicht ausreichend, wenn er den auch für Deutsche geltenden Rechtsvorschriften hinsichtlich Beschaffenheit und Belegung nicht genügt. Kinder bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres werden bei der Berechnung des für die Familienunterbringung ausreichenden Wohnraums nicht mitgezählt. Das Vorhandensein ausreichenden Wohnraums bemisst sich somit als Obergrenze nach den Maßstäben, die für die Einweisung eines Wohnungssuchenden in eine öffentlich geförderte Sozialwohnung gelten, und als unterste Grenze an den für Deutsche geltenden Mindestnormen hinsichtlich Beschaffenheit und Belegung. Abzustellen ist auf die der familiären Hausgemeinschaft tatsächlich angehörenden Familienmitglieder. Nicht anrechenbar sind daher Ehegatten und Familienangehörige, die nicht nur vorübergehend die häusliche Gemeinschaft verlassen haben. Unerheblich ist, ob weitere Familienangehörige nachzugsberechtigt bzw. nachzugswillig sind. Entscheidend sind nach dem Wortlaut des § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 9 AufenthG nur die tatsächlich zur Zeit der Entscheidung in einer häuslichen Gemeinschaft lebenden Familienangehörigen.

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