Читать книгу Verwaltungsgerichtsordnung - Martin Redeker - Страница 159
I.Berechtigtes Interesse
Оглавление20Der Kläger muss gegenüber dem Beklagten ein berechtigtes Interesse an der Feststellung haben. Anders als § 256 ZPO verlangt die VwGO nicht ein rechtliches, sondern ein berechtigtes Interesse. Dieses ist umfassender als das rechtliche Interesse und beinhaltet jedes öffentlich-rechtliche und privatrechtliche, nach der Sachlage anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher126oder ideeller Art127. Entscheidend ist, dass die gerichtliche Feststellung geeignet erscheint, die Rechtsposition des Klägers in den genannten Bereichen zu verbessern128.
Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, wenn seine Rechtsstellung dadurch gefährdet wird, dass der Beklagte das von dem Kläger als ihm zustehend behauptete Recht bestreitet oder sich eines Rechtes berühmt, das der Kläger für sich in Anspruch nimmt129, ebenso bei Wiederholungsgefahr130. An einem solchen Feststellungsinteresse fehlt es, wenn auf Grund der Verfassungsbeschwerde des Klägers das BVerfG die Anwendung der für verfassungswidrig erachteten VO ausgesetzt hat131. Das Feststellungsinteresse entfällt, wenn die nachfolgende Schadensersatzklage (§ 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG) offensichtlich aussichtslos ist132. Das Feststellungsinteresse kann auch für die Klage eines Dritten bestehen, die sich auf ein Rechtsverhältnis zwischen Beklagtem und Beigeladenem bezieht133, so bei der Feststellung, dass Förderungspraxis des Staates eigene Grundrechte verletzt134. Das BVerwG hat dies auch bejaht für die Klage eines inländischen religiösen Vereins aus dem Grundrecht nach Art. 4 Abs. 1 und 2 GG gegen die Ausschreibung des religiösen Oberhauptes zur Einreiseverweigerung nach dem Schengener Informationssystem135. Bei der Feststellung der Nichtigkeit eines VA steht dem die Weigerung der Behörde, den durch den nichtigen VA gesetzten Rechtsschein zu beseitigen, gleich (vgl. aber Rn. 16).
21Das berechtigte Interesse kann sich auf jede gegenwärtige Unsicherheit oder Ungewissheit in der Rechtsposition des Klägers beziehen, so wenn sich der Kläger mit seinen weiteren Dispositionen auf das Verhalten der Behörde einstellen will (Rn. 7) oder ein bestimmtes, ihn schädigendes Verhalten der Behörde befürchten muss136. Das BVerwG hat das Feststellungsinteresse auch bejaht, wenn die begehrte Feststellung die Behörde veranlassen kann, in der Zukunft, wenn auch nur aus Billigkeitsgründen, eine für den Kläger günstige Entscheidung zu treffen137. Bei einem in der Vergangenheit liegenden Rechtsverhältnis kann das berechtigte Interesse darin bestehen, dass ein gleiches oder ähnliches Rechtsverhältnis neu zu entstehen droht138; bei dem in der Zukunft entstehenden Rechtsverhältnis darin, dass bereits konkrete Wirkungen vorliegen, so wenn ein gemeindlicher Anschluss- und Benutzungszwang droht139; dagegen Interesse verneint, wenn bei Beginn des Studiums die Feststellung des Endes der Förderungshöchstdauer begehrt wird140 oder wenn berechtigte Zweifel bestehen, dass das Vorhaben, für das die Rechtsfrage geklärt werden soll, realisiert wird141. Bei der Feststellungsklage, mit der einem künftigen nachteiligen VA vorgebeugt werden soll, besteht das Feststellungsinteresse nur, wenn der Kläger besondere Gründe hat, die es rechtfertigen, den VA nicht abzuwarten142. Auch wenn die Anfechtungsklage keine Bindungswirkung für die Zukunft entfaltet, ist bei Erfolg der Anfechtungsklage nach der Rechtsprechung des BVerwG143 davon auszugehen, dass sich bei unveränderter Sach- und Rechtslage die Behörde an die im Urteil zum Ausdruck kommende rechtliche Beurteilung halten wird.
21aDie Feststellung, dass zwischen Kläger und Beklagtem kein Rechtsverhältnis besteht, kraft dessen der Kläger gegenüber dem Beklagten verpflichtet ist, für seine Tätigkeit überhaupt eine oder eine erweiterte Genehmigung einzuholen144, kann insbesondere im Umweltrecht von Bedeutung sein. Das Fehlen einer Genehmigung oder eine nicht ausreichende Genehmigung kann nicht nur zu Maßnahmen der Verwaltungsbehörde, sondern auch zu strafrechtlichen Folgen führen145. Für eine Feststellungsklage ist kein Raum, wenn es dem Betroffenen zuzumuten ist, die befürchteten Maßnahmen der Verwaltung abzuwarten, insbesondere, wenn die Behörde weder mit Verwaltungsmaßnahmen noch mit der Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens gedroht hat146. Besondere Schwierigkeiten entstehen, wenn die Verwaltungsbehörde und die Strafverfolgungsbehörde in der Beurteilung der Genehmigungsbedürftigkeit oder der Wirksamkeit einer erteilten Genehmigung unterschiedlicher Auffassung sind, ohne dass eine einheitliche Rechtsauffassung des Landes hergestellt wird. Hier muss das Rechtsverhältnis zwischen Kläger und dem Land mit seinen unterschiedlichen Rechtsauffassungen gesehen werden. Ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Feststellungsklage ist insbesondere dann zu bejahen, wenn es sich bei der zu Lasten des Klägers gehenden Beurteilung der Strafverfolgungsbehörden um Dauerdelikte (z. B. Betreiben einer Anlage ohne Genehmigung) handelt, da die Verwaltungsbehörde ihre mit dem Kläger übereinstimmende Rechtsauffassung auf Dauer kaum wird durchhalten können; wenn auch das Strafgericht den ungenehmigten Betrieb feststellt, besteht die Gefahr, dass auf der Grundlage dieser Rechtsauffassung tatbestandsmäßig Beihilfe zum ungenehmigten Betrieb seitens der Verwaltungsbehörde vorliegt. Bei unterschiedlicher Auffassung auch der Gerichte ist eine Klärung der Rechtsfrage erst durch den GemS zu erwarten147.
22Ein berechtigtes Interesse an der Feststellung liegt auch vor, wenn das Zivilgericht in einem anhängigen Rechtsstreit das Verfahren nach § 148 ZPO bis zur Entscheidung über eine öffentlich-rechtliche Vorfrage aussetzt. BVerwG148 hat schutzwürdiges Interesse verneint, wenn sich der VA bereits vor Klageerhebung erledigt hat. Münster149 hat auch ein berechtigtes Interesse an der alsbaldigen Feststellung, dass Bauaufsichtsbehörde bis zum Inkrafttreten einer Rechtsänderung zum Erlass der beantragten Baugenehmigung verpflichtet gewesen sei, im Hinblick auf die beabsichtigte Geltendmachung eines Planschadensersatzanspruchs verneint. Soweit Kläger ihre Rechte mit einer Änderungsklage nach § 113 Abs. 2 geltend machen konnten, ist eine allgemeine Feststellungsklage ausgeschlossen150. Ein Interesse an der Bestrafung des Beamten, der den erledigten VA erlassen hat, begründet kein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Nichtigkeit oder Rechtswidrigkeit des VA151.