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IV.Prüfungsmaßstab und Umfang

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Die angegriffene Norm ist am gesamten höherrangigen Recht zu messen. Dazu gehört neben dem Landesrecht insbesondere:

1.Bundesrecht

18Aus der Möglichkeit der Revision gegen Entscheidungen des OVG im Normenkontrollverfahren (§ 132 Abs. 1) ergibt sich, dass Bundesrecht uneingeschränkt als Prüfungsmaßstab in Betracht kommt, und zwar auch die Grundrechtsnormen, da sich der Vorbehalt für das Verfassungsrecht in Absatz 3 nur auf Landesverfassungsrecht bezieht. Die Möglichkeit einer Verfassungsbeschwerde an das BVerfG steht daher dem Verfahren nach § 47 nicht entgegen.

2.Landesverfassungsrecht

19Das OVG kann, wie sich aus Absatz 3 ergibt, eine Norm wegen eines Verstoßes gegen eine Landesverfassung nur dann für ungültig erklären, wenn diese Feststellung nicht der ausschließlichen Verwerfungskompetenz eines Verfassungsgerichts unterliegt. Das ist in einigen Ländern auch für Rechts­vorschriften, die im Range unter dem Landesgesetz stehen, der Fall103. In Bayern fallen, nach der Recht­spre­chung des BayVerfGH zu Art. 53 Abs. 1 VfGHG, Art. 98 BayVerf, unter den Begriff des Gesetzes und damit unter seine Entscheidungskompetenz nicht nur die förmlichen Gesetze104, sondern alle Rechtsnormen, so dass sich das Verfahren nach § 47 nicht auf die Feststellung der Ungültigkeit wegen Verletzung eines Grundrechts der Bayerischen Verfassung beziehen kann105.

3.Unionsrecht

20Unionsrecht ist als Prüfungsmaßstab heranzuziehen106. Bei einem Verstoß der untergesetzlichen Norm dagegen – dies setzt voraus, dass die untergesetzliche Norm einen gemeinschaftsrechtlichen Bezug hat – ist die Unanwendbarkeit dieser Norm auszusprechen. Prüfungsmaßstab ist Unionsrecht auch im Hinblick auf die Ermächtigungsnorm zum Erlass der im Normenkontrollverfahren angegriffenen Norm. Denn wenn die Ermächtigungsnorm gegen Unionsrecht verstößt und damit unanwendbar ist, wäre die angegriffene Rechtsnorm ohne Rechtsgrundlage erlassen107. Zur Vorlage an den EuGH vgl. Rn. 9.

4.Umfang

21Die Überprüfung erstreckt sich auf die Rechtsgültigkeit der Vorschrift (Absatz 5), nicht auf die Zweckmäßigkeit oder die Notwendigkeit ihres Erlasses108. Rechtsungültig ist eine Norm, wenn sie im Hinblick auf die als Prüfungsmaßstab geltenden Normen überhaupt nicht109, nicht in der vorliegenden Form110, nicht in dem geübten Verfahren111 oder nicht mit dem gegebenen Inhalt erlassen werden durfte; ist sie auf eine unzutreffende Ermächtigungsnorm gestützt, kann das OVG nur dann prüfen, ob sie durch eine andere Ermächtigung getragen wird, wenn es nicht zur formellen Ausgestaltung der Norm gehört, dass sie die Ermächtigungsgrundlage angibt. Eine Überprüfung des zum Rechtssetzungsakt führenden Abwägungsvorgangs erfolgt nur, wenn gesetzlich formulierte Abwägungsdirektiven zu beachten sind112. Fehlen solche, ist das satzungs- oder verordnungsgeberische Ermessen als Ausformung des gesetzgeberischen Ermessens zu beachten113. Ein Bebauungsplan kann auch wegen Funktionslosigkeit Gegenstand einer Normenkontrolle sein114. Zum Inhalt der Entscheidung vgl. Rn. 42.

22Der Umfang der Normenkontrolle richtet sich grundsätzlich nach dem gestellten Antrag115. Es kann damit sowohl eine einzelne Vorschrift wie die gesamte Rechtsvorschrift auf ihre Gültigkeit überprüft werden. Welche Fassung einer Rechtsvorschrift im Sinne des Absatz 1 Gegenstand der Normenkontrolle ist, richtet sich ebenfalls nach dem Rechtsschutzziel des Antragstellers116; zur Fristproblematik vgl. Rn 26. Über den Antrag kann das Gericht bei der Prüfung nur hinausgehen, wenn sich dieser auf Teile einer Regelung beschränkt, mit denen andere Teile der Vorschrift in so engem und nicht trennbarem Zusammenhang stehen, dass sie von der Ungültigkeit der beanstandeten Norm mit erfasst würden117. Das BVerwG118 hat jedoch nach Prüfung auf zulässigen Antrag aus der Funktion des Normenkontrollverfahrens als eines (auch) objektiven Prüfungsverfahrens gefolgert, dass die Entscheidung auch über den Antrag hinausgehen kann119. Rechtlich selbständige Satzungen, z. B. frühere Änderungssatzungen, können auch dann nicht ohne Antrag vom Gericht zum Gegenstand der Normenkontrolle gemacht werden, wenn sie inhaltlich eng mit der angefochtenen Norm zusammenhängen120. Das schließt eine inzidente Prüfung nicht aus, wenn ein Rechtmäßigkeitszusammenhang besteht121.

22aAus der Funktion der Normenkontrolle als objektiver Rechtskontrolle122 folgt eine umfassende Prüfungspflicht des Gerichts bezogen auf die angefochtene Rechtsvorschrift. Eine Beschränkung der Prüfung auf die Verletzung des Antragstellers in subjektiven Rechten entfällt bei der Normenkontrolle123. Eine § 113 Abs. 1 entsprechende Regelung fehlt in § 47124. Dabei kann es zu inzidenten Prüfungen vorgelagerter Entscheidungen kommen, soweit diese anders nicht vom Antragsteller einer gerichtlichen Überprüfung unterzogen werden konnten125. Auch eine eventuelle Bestandskraft hindert nicht, weil dies der objektiven Rechtskontrolle widerspräche. Das Gericht muss aber nicht jeden möglichen Fehler der Rechtsvorschrift untersuchen und seine Entscheidung da­rauf stützen, wenn es einen Fehler als ausreichend für seine Entscheidung ansieht und deswegen die Rechtsvorschrift für unwirksam erklärt126. Das Gericht ist aber auch nicht auf die Überprüfung der vom Antrag­steller geltend gemachten Mängel beschränkt127 und auch nicht auf die Überprüfung allein der vom Antrag­steller gerügten Einzelvorschrift, soweit sich dies nicht aus der Anwendung der Antragsfrist (vgl. dazu Rn. 26) ergibt. Ist offensichtlich, dass Teile der Rechtsvorschrift abtrennbar und für sich stehend Geltung beanspruchen können, sind diese Regelungen nicht Gegenstand der gerichtlichen Prüfung, wenn der Antrag­steller nicht von ihnen berührt ist, weil der Antrag insoweit mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig ist128. Ergibt sich aus dem Vorbringen des Antragstellers kein Grund, die Rechtsvorschrift für unwirksam zu erklären, muss das Gericht von sich aus eine umfassende Überprüfung der Norm vornehmen. Die Prüfungsdichte ist dabei – von gesetzlichen Beschränkungen abgesehen – nach allgemeinen Grundsätzen soweit unbeschränkt, als nicht der Normgeber über einen gerichtlich nicht nachprüfbaren Beurteilungsspielraum oder ein normgeberisches Ermessen verfügt129. Zu Recht mahnt das BVerwG bei der Ausübung der ­objektiven Rechtskontrolle Fingerspitzengefühl an und verweist auf das Rechtsschutzziel des Antragstellers130. Hier bietet das Rechtsgespräch in der mündlichen Verhandlung dem Rechtsfrieden dienliche Möglichkeiten.

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