Читать книгу Verwaltungsgerichtsordnung - Martin Redeker - Страница 161
III.Zweckerreichung – Subsidiarität, Absatz 2
Оглавление24Das Feststellungsinteresse fehlt, wenn der Kläger den mit der Feststellungsklage verfolgten Zweck mit einer Gestaltungs- oder Leistungsklage erreichen kann oder hätte erreichen können (Absatz 2 Satz 1); die Feststellungsklage hat einen gegenüber diesen Klagearten subsidiären Charakter155. Da die allgemeine Feststellungsklage weder zu einem vollstreckungsfähigen Tenor führt, noch durch die Rechtskraft des Urteils eine unmittelbare Rechtsveränderung zu bewirken vermag, sind Anfechtungs- und Verpflichtungsklage rechtsschutzintensiver. Die Subsidiarität ergibt sich also aus prozessökonomischen Gründen156; sie ist eine Frage der Statthaftigkeit der Klageart157. Ausdrücklich ausgenommen hiervon ist die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines VA, Absatz 2 Satz 2 (Rn. 16). Das Erfordernis der Subsidiarität ist einleuchtend. Ohne strikte Subsidiarität könnte der Kläger u. U. die besonderen Sachurteilsvoraussetzungen des § 42 leer laufen lassen. Ist die Umgehung der für die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage geltenden Bestimmungen über Fristen und Vorverfahren rechtlich ausgeschlossen, ist die Feststellungsklage nicht subsidiär158. Die Rechtsprechung hat allerdings einige Ausnahmen über Absatz 2 Satz 2 hinaus herausgearbeitet. Das betrifft Fälle, in denen eine Anfechtungsklage nicht greift, also einer Klage auf Feststellung, ob ein VA wirksam bekannt gegeben worden ist159, wie der VA auszulegen ist160 oder ob er sich erledigt hat161. Ist ein feststellender VA bereits ergangen, ist eine Feststellungsklage bezüglich des durch den VA festgestellten Rechtsverhältnisses unstatthaft162. Sodan163 will aus Gründen der Effektivität des Rechtsschutzes den Subsidiaritätsgrundsatz durchbrechen, wenn eine Verpflichtungsklage auf Erlass eines feststellenden VA möglich ist. Eine Feststellungsklage sei unstatthaft, wenn der Kläger durch eine Verpflichtungsklage den Erlass eines feststellenden VA erzwingen könnte. Diese Ansicht minimiert in der Tat das Prozesskostenrisiko, ob das allerdings die Durchbrechung des Susidiaritätsgrundsatzes rechtfertigt, mag zweifelhaft sein. Hingegen ist die von der Rechtsprechung im Wege teleologischer Reduktion herausgearbeitete Ausnahme von dem Subsidiaritätsgrundsatz, soweit es um Hoheitsträger sowie um das Verhältnis von Feststellungsklage zu allgemeiner Leistungsklage geht, anzuerkennen164. Es besteht damit de facto ein Wahlrecht. Fordert man für die die allgemeine Leistungsklage ersetzende Feststellungsklage eine analoge Anwendung von § 42 Abs. 2, der Klagebefugnis, sind die prozessualen Bedingungen identisch. Dieses Argument kann man für beide Ansichten heranziehen, eine Wahlmöglichkeit des Klägers wirkt eher erstaunlich, der Verzicht auf die ausdrücklich angeordnete Subsidiarität ebenfalls. Deshalb wird diese Lösung der Rechtsprechung von der Literatur überwiegend abgelehnt165. Da die Prozessvoraussetzungen einer Feststellungsklage (erst) spätestens zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts gegeben sein müssen166, besteht die Möglichkeit, dass eine ursprünglich wegen Subsidiarität unzulässige Feststellungsklage zulässig wird167.
25Der Ausschluss der Feststellungsklage durch eine andere Klageart kann jedoch nur gelten, wenn der Rechtsschutz durch sie für den Kläger in gleichem Umfang wie bei der Feststellungsklage verwirklicht würde168; die Möglichkeit der Erhebung der Leistungsklage für einen Teil des aus dem Rechtsverhältnis resultierenden Anspruchs steht der auf das gesamte Rechtsverhältnis bezogenen Feststellungsklage daher nicht entgegen169; das Gleiche gilt, wenn der Kern des Anliegens des Klägers als bloße Vorfrage bei einer Leistungsklage mitentschieden würde170; ebenso wenig wird die Feststellungsklage durch die Möglichkeit einer Leistungsklage in einem anderen Rechtsweg ausgeschlossen171. Zu beachten ist jedoch, dass Absatz 2 Satz 1 Ausdruck der Prozessökonomie ist. Deshalb ist nach BVerwG172 eine Feststellungsklage gegenüber einer gleichzeitig vorm Zivilgericht erhobenen Leistungsklage subsidiär, weil damit die Aufgabe der Feststellungsklage – Vorbereitung eines Schadensersatzanspruchs durch Feststellung der Rechtswidrigkeit staatlichen Handelns – verbraucht ist. Das überzeugt zwar unter dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie, bestätigt aber die Auffassung des BGH173 von der Superrevision durch das Zivilgericht und widerspricht der Notwendigkeit, zunächst verwaltungsgerichtlich die Rechtswidrigkeit hoheitlicher Maßnahmen zu prüfen und erst danach den Zivilrechtsweg zu eröffnen. Ist mit einem VA ein Rechtsverhältnis beendet oder der Antrag auf Begründung eines Rechtsverhältnisses abgelehnt worden, ist die auf das Bestehen des Rechtsverhältnisses gerichtete Feststellungsklage unzulässig, da sie auch nicht zur Umgehung der für Anfechtungs- und Vornahmeklage bestehenden Vorschriften (z. B. Klagefrist) führen darf174. Das Gleiche gilt bei dem unanfechtbar gewordenen VA mit Dauerwirkung.
26Streitig ist, ob sich bei Klagen gegen den Staat der Ausschluss der Feststellungsklage auf das Verhältnis zur Anfechtungs- und Verpflichtungsklage beschränkt, im Übrigen aber die im Zivilprozess von der Rechtsprechung zu § 256 ZPO entwickelten Grundsätze175 anzuwenden sind mit der Folge, dass bei anderen Klagearten die Feststellungsklage auch alternativ erhoben werden kann, wenn dies aus prozesswirtschaftlichen Gründen sinnvoll ist. Das BVerwG hat dies bei allgemeinen Leistungsklagen (vgl. § 42 Rn. 32) mit der Begründung bejaht, dass Behörden auf Grund ihrer verfassungsmäßig verankerten Bindung an Gesetz und Recht auch den einer Vollstreckung nicht fähigen Ausspruch in einem Feststellungsurteil befolgen würden176. Da das BVerwG den Zweck des Ausschlusses der Feststellungsklage darin sieht, ein Unterlaufen der für die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage geltenden besonderen Vorschriften (Vorverfahren und Fristbindung) zu verhindern177, hat es den Ausschluss auch dort verneint, wo gleiche Vorschriften auch für die Feststellungsklage gelten178. Diese Auslegung des Absatzes 2 Satz 1 verkennt jedoch, dass darin der Ausschluss der Feststellungsklage, soweit eine Leistungs- oder Gestaltungsklage erhoben werden kann, ohne Einschränkung normiert ist und die VwGO mit der Schaffung von Vollstreckungsmöglichkeiten gegen den Staat einer anderen Konzeption folgt, die der Übernahme der im Zivilprozess entwickelten Rechtsprechung entgegensteht179.
27Im Verhältnis von Feststellungsklage und Leistungs- oder Gestaltungsklage sind folgende Fallgruppen möglich:
a) Der Kläger kann anstelle der Feststellungsklage die Leistungs- oder Gestaltungsklage erheben: Feststellungsklage unzulässig.
b) Der Kläger hätte anstatt der Feststellungsklage Leistungs- oder Gestaltungsklage erheben können: Feststellungsklage unzulässig. Das gilt bei Fristversäumung in der anderen Klageart allgemein (vgl. Rn. 25), jedoch auch, wenn der Kläger von anderen ihm rechtlich eröffneten Möglichkeiten keinen Gebrauch gemacht hat.
c) Der Kläger hat bereits Leistungs- oder Gestaltungsklage erhoben: Feststellungsklage unzulässig; zulässig kann jedoch die Inzidentfeststellungsklage sein.
d) Der Kläger hat Feststellungsklage erhoben und wird während des Rechtsstreites in den Stand versetzt, auf Leistung oder Gestaltung zu klagen: Die Feststellungsklage bleibt grundsätzlich zulässig (vgl. aber Rn. 19), wenn sich nicht durch den Erlass eines Bescheides die Notwendigkeit einer Anfechtungs- oder Vornahmeklage ergibt, womit sich die Feststellungsklage in der Hauptsache erledigt.