Читать книгу Verwaltungsgerichtsordnung - Martin Redeker - Страница 165

3.Verfahren

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4Das Gericht verhandelt und entscheidet grundsätzlich gleichzeitig über die verbundenen Klagebegehren. Es kann jedoch nach § 93 trennen oder nach § 110 ein Teilurteil erlassen. Die Unzulässigkeit der Klagehäufung ist von Amts wegen zu beachten; Folge: Prozesstrennung nach § 93, Verweisung nach § 83 mit § 17a GVG oder Abweisung durch Prozessurteil. Das Gericht kann die Klage insgesamt nur abweisen, wenn alle Ansprüche unbegründet sind. Bei kumulativer Klagehäufung werden die Streitwerte jeweils einzeln berechnet15. Bei Übergehen eines Anspruches nachträgliche Entscheidung nach § 12016.

5Bei eventueller Klagehäufung ist das Gericht bei der Prüfung der Klagebegehren an die vom Kläger gewählte Reihenfolge gebunden17. Eine Entscheidung über den Hilfsantrag ist daher nur möglich, wenn der Hauptantrag abgewiesen wird. Anders jedoch, wenn neben einer Anfechtungsklage hilfsweise der Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit des VA gestellt wird, da dieser Antrag der weiter gehende ist. Ist der Hauptantrag unzulässig, kann Teilurteil ergehen18. Das Berufungsgericht hat auch über den Hilfsantrag zu entscheiden, wenn es die den Hauptanspruch bejahende Entscheidung des VG aufhebt19. Bei Berufung gegen das dem Hilfsantrag stattgebende Urteil wird der verneinte Hauptanspruch, da er von der Berufung nicht erfasst wird, nur wieder Gegenstand des Verfahrens, wenn der Kläger Anschlussberufung einlegt20. Legt der Kläger nach Stattgeben auf den Hilfsantrag gegen die Abweisung des Hauptantrages Berufung ein, wird dem Beklagten gegenüber die Entscheidung über den Hauptantrag rechtskräftig, wenn er nicht insoweit Anschlussberufung einlegt21.

§ 44a[Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen]

Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen können nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden. Dies gilt nicht, wenn behördliche Verfahrenshandlungen vollstreckt werden können oder gegen einen Nichtbeteiligten ergehen.

1Diese Vorschrift findet ihre Bedeutung zum einen darin, dass aus Gründen der Effektivität der Verwaltungskontrolle die Rechtmäßigkeit des Verfahrens, in dem eine sachliche Entscheidung ergangen ist, nur im Zusammenhang mit der Sachentscheidung nachgeprüft werden kann. Zum anderen soll eine unnötige oder mehrfache Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes in derselben Sache durch eine ausschließliche Inzidentkontrolle von Verfahrensfehlern im Rahmen der Sachentscheidung vermieden werden. Die Vorschrift wiederholt die Grundaussage des VwVfG, dass die materielle Entscheidung oder Regelung das Ziel des Verwaltungsverfahrens ist1. Obgleich in ihr ein allgemeiner Grundsatz der Verfahrensökonomie gesehen wird2, wirft sie manches Problem auf3 und erfährt gerade auch vor der neueren Rechtsentwicklung heftige Kritik als anachronistisch4. Deshalb wird dafür plädiert, die Norm aus systematischen Gründen einschränkend auszulegen5. Mit der Einfügung in die VwGO ist deutlich gemacht, dass sich die Regelung auf alle behördlichen Handlungen in Verfahren bezieht, bei denen sich Rechtsschutz gegen die Sachentscheidung nach der VwGO richtet6. Die Vorschrift hat Regelungscharakter nur für solche behördlichen Verfahrenshandlungen, die als eigenständige VA oder in anderer Weise angegriffen oder verlangt werden könnten7, denn Vorbereitungshandlungen zum Erlass eines VA sind regelmäßig nicht selbst VA und können schon aus diesem Grund nicht angefochten werden8. Mit der Aufhebung des § 97 VwVfG, der § 44a in die VwGO einfügte, durch das 2. Gesetz zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften war streitig geworden, ob damit nicht auch § 44a VwGO selbst aufgehoben sei9. Das BVerwG10 hat jedoch die weitere Gültigkeit des § 44a bejaht, da er mit der Neubekanntmachung der VwGO v. 19.3.199111 auf eine neue formelle Grundlage gestellt worden sei12.

2Nach Satz 1 ist die isolierte Anfechtung von behördlichen Verfahrenshandlungen ausgeschlossen, nur gleichzeitig mit Rechtsbehelfen gegen die Sachentscheidung können auch solche gegen die Verfahrenshandlung geltend gemacht werden. Aus dem Gegensatz des Begriffs der Verfahrenshandlung zu dem in § 44a Satz 1 VwGO gleichfalls verwendeten Begriff der Sachentscheidung folgt, dass sich der Ausschluss selbstständiger Rechtsbehelfe grundsätzlich auf solche behördlichen Maßnahmen beschränkt, die Teil eines konkreten Verwaltungsverfahrens sind, ohne selbst Sachentscheidung zu sein, ohne also ihrerseits in materielle Rechtspositionen einzugreifen13. Als behördliche Verfahrenshandlungen sind, da Satz 1 nicht auf das in § 9 VwVfG definierte Verwaltungsverfahren Bezug nimmt, nicht nur die auf Erlass eines VA (im formlosen, im förmlichen Verwaltungsverfahren oder im Planfeststellungsverfahren) nach dem VwVfG gerichteten Handlungen zu verstehen, sondern auch solche nach dem SGB X, der AO oder einem Spezialgesetz, sofern nur der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist14. Dazu zählen auch vorbereitende Akte der EU, wie etwa die FFH-Gebietsvorschlagslisten15. Dagegen werden Handlungen, die auf den Ab­schluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gerichtet sind, ebenso wenig erfasst16 wie solche, die den Erlass einer Satzung oder Rechtsverordnung17 betreffen18. Die Vorschrift erfasst nicht Verfahrensentscheidungen, die gleichzeitig Regelungen in der Sache treffen19, ebenso wenig findet sie Anwendung, wenn dadurch effektiver Rechtsschutz verweigert würde20. Ausgeschlossen sind alle nach der VwGO zulässigen Rechtsbehelfe, also neben dem Widerspruch nicht nur die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage, sondern auch Leistungs- und Feststellungsklage sowie Anträge nach § 80 oder auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 12321. Der Ausschluss der Rechtsbehelfe gegen ­Verfahrenshandlungen berührt nicht den Rechtsschutz, der sich auf die Sachentscheidung bezieht, wie z. B. die Untätigkeitsklage22 oder die Unterlassungsklage23. Letzteres gilt auch dann, wenn allein die vorbeugende Feststellungsklage effektiven Rechtsschutz gewährleistet, weil dem Bürger nicht zugemutet werden kann, sein von der Behörde mit schlichtem Verwaltungshandeln beanstandetes Verhalten auf die Gefahr hin zu wiederholen, dass dies dann – rechtlich gebilligt – untersagt wird24. Das BVerwG hat verdeutlicht, dass die Anwendbarkeit des § 44a letztlich eine Güterabwägung darstellt, die einer präzisen Einzelfallbetrachtung bedarf25. Das in Art. 19 Abs. 4 GG verankerte Prinzip der Gewährung effektiven Rechtsschutzes gebietet eine einschränkende Auslegung des § 44a Satz 1 in den Fällen, in denen bei einer Abwägung zwischen dem von § 44a Satz 1 verfolgten Zweck der Gewährleistung eines effektiven Verwaltungsverfahrens und den Belangen des Betroffenen Letzteren eindeutig der Vorrang einzuräumen ist, insbesondere deshalb, weil die negativen Folgen für diesen besonders schwer wiegen. So können etwa Verfahrenshandlungen, die in materielle Rechtspositionen des Betroffenen eingreifen und dadurch eine selbständige, im Verhältnis zur abschließenden Sachentscheidung andersartige Beschwer enthalten, selbständig angefochten werden26.

3Zu den Entscheidungen einer Behörde, die ein Verfahrensbeteiligter nicht isoliert anfechten kann, zählen z. B. die Bestimmung der örtlich zuständigen ­Behörde nach § 3 Abs. 2 VwVfG, die Bestellung von Vertretern im Massenverfahren (§§ 17, 18 VwVfG; vgl. aber Rn. 5), der Ausschluss vom Verwaltungsverfahren (§ 20 VwVfG), die Entscheidung nach § 21 VwVfG wegen Besorgnis der Befangenheit27, die Entscheidung über den Beginn des Verfahrens (§ 22 VwVfG), über Beweismittel (§ 26 VwVfG), über die Zuziehung und Bestellung von Sachverständigen28, und über den Antrag auf Wiedereinsetzung nach § 32 VwVfG. Das BVerwG29 hat auch die Anordnung im Prüfungsverfahren, zum Nachweis einer krankheitsbedingten Prüfungsunfähigkeit ein amts- oder vertrauensärztliches Attest vorzulegen, als unselbständige Verfahrenshandlung angesehen, was nach Kassel30 jedoch nicht gilt, wenn mit der ärztlichen Untersuchung Gesundheitsrisiken oder Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht verbunden sind. Die Ablehnung eines Bevollmächtigten (§ 14 VwVfG) oder der Ablehnung der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten ist VA und selbständig angreifbar31. Die Ablehnung der förmlichen Hinzuziehung zum Genehmigungsverfahren kann nicht Gegenstand eines selbständigen Klageverfahrens sein32; ebenso wenig die Gestaltung und Leitung eines Erörterungstermins33; anderes gilt, wenn ein Rechtsanspruch da­rauf besteht, in einem Verfahren beteiligt oder gehört zu werden34.

3aBeantragt ein Beteiligter im laufenden Verfahren Akteneinsicht, um zu entscheiden, ob er einen Rechtsbehelf gegen einen VA einlegt, kann der Ausschluss eines Rechtsbehelfs gegen die Versagung der Einsichtnahme problematisch sein (§ 29 VwVfG)35. Gerade bei der Akteneinsicht kann die mit der Vorschrift bezweckte Verfahrensökonomie in ihr Gegenteil verkehrt werden, wenn die eigentliche Sachdiskussion erst nach Einsichtnahme im gerichtlichen Verfahren erfolgen kann. Das grundgesetzliche Verständnis der Stellung des Bürgers im Staat, dem das Gespräch zwischen Verwaltung und Bürger vor der Entscheidung entspricht36 und der Grundsatz der Effektivität des Rechtsschutzes37 gebieten eine restriktive Interpretation des § 44a38. Das gilt umso mehr, als zunehmend Akteneinsichtsrechte auch für Nichtbeteiligte, vgl. nachstehend Rn 3b, kodifiziert werden. Der Beteiligte darf jedenfalls nicht schlechter gestellt werden als ein Unbeteiligter. Die Recht­spre­chung des BVerfG zum Grundsatz des rechtlichen Gehörs39 kann zwar nicht un­mittel­bar auf das Verwaltungsverfahren übertragen werden; doch kann aus der Mülheim-Kärlich-Entscheidung des BVerfG40 gefolgert werden, dass § 44a dort nicht Platz greifen kann, wo die Verletzung von Verfahrensbestimmungen gerügt wird, die grundrechtliche Positionen beinhalten41.

3bVon der Akteneinsicht des Beteiligten ist die Akteneinsicht nicht Beteiligter zu unterscheiden. Die Umweltinformationsgesetze (in Umsetzung von EU-Recht) und die Informationsfreiheitsgesetze des Bundes und (die Transparenzgesetze) der Länder sehen unter den dort genannten Voraussetzungen einen Anspruch auf Akteneinsicht vor. Angesichts der Ausgestaltung als Rechtsanspruch gibt es keine Kollision mit § 44a, weil es sich bei der Verweigerung der Behörde auf Akteneinsicht um einen VA und nicht um eine Verfahrenshandlung i. S. v. § 44a handelt. Die durch UIG und IFG gewährleisteten selbständigen Akteneinsichtsrechte erfordern aber dann ggf. eine teleologische Reduktion des Anwendungsgehaltes von § 44a42, wenn eine Konkurrenzsituation mit § 29 VwVfG entsteht. Dagegen lässt § 1 Abs. 1 Satz 3 UmwRG die Anwendung von § 44a unberührt. Damit soll insbesondere europarechtlichen Problemen aus dem Weg gegangen werden43.

4Der Rechtsbehelf gegen die fehlerhafte Verfahrenshandlung kann nach dem Wortlaut des Satzes 1 nur gleichzeitig mit dem Rechtsbehelf gegen die Sachentscheidung geltend gemacht werden. Diese Formulierung ist so zu verstehen, dass nicht ein be­son­de­rer Rechtsbehelf gegen die Verfahrenshandlung eingelegt werden muss, sondern dass der Ver­fahrens­fehler im Verfahren über den Rechtsbehelf gegen die Sachentscheidung gerügt werden kann. Es gibt also für den „Rechtsbehelf“ der in Satz 1 angesprochen ist, weder eine Rechtsbehelfsbelehrung noch einen Frist­ab­lauf.

5Satz 2 lässt von dem Verbot der isolierten Anfechtung behördlicher Verfahrenshandlungen zwei Ausnahmen zu. Selbständig anfechtbar sind behördliche Verfahrenshandlungen,

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