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(2) Aktuelle Betroffenheit

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Verfassungsbeschwerde kann ein Beschwerdeführer erst dann erheben, wenn das – verkündete – Gesetz ihn aktuell betrifft.[139] Nach der neueren Rechtsprechung soll das Rechtsschutzbedürfnis immer dann vorliegen, wenn bereits bei Einlegung der Verfassungsbeschwerde eindeutig abzusehen ist, „dass und wie der Beschwerdeführer in der Zukunft von der Regelung betroffen sein wird“[140] bzw. die Betroffenheit „klar abzusehen und für den Beschwerdeführer gewiss ist“[141] oder das Gesetz ihn zu später nicht mehr korrigierbaren Entscheidungen bzw. Dispositionen zwingt.[142]

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Beispiel

Ein aktuelles Betroffensein wurde verneint bei der Verfassungsbeschwerde eines Vaters schulpflichtiger Kinder gegen ein Gesetz, das die elterliche Mitwirkung bezüglich volljähriger Schüler regelt, solange die Kinder nicht volljährig sind.[143]

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Verfassungsbeschwerden gegen Rechtsnormen sind also auch dann zulässig, wenn deren Tatbestand den Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Erhebung der Verfassungsbeschwerde zwar noch nicht aktuell, aber den normalen, zu erwartenden Ablauf des Lebens vorausgesetzt, in naher Zukunft[144] mit großer Wahrscheinlichkeit betrifft. Es reicht aber nicht die vage Aussicht aus, dass der Beschwerdeführer irgendwann einmal in der Zukunft betroffen sein wird[145], wohl aber, wenn dies in absehbarer Zeit der Fall sein wird.

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Beispiel

Dies kommt z.B. auch in Betracht bei einem Schulgesetz[146], wenn Auszubildende gegen eine Regelung von Berufsbezeichnungen vorgehen,[147] bei Altersregelungen,[148] oder einer Regelung über einen Studiengang[149] sowie bei verkündeten – z.B. die Erfolgswertgleichheit der Stimmen betreffenden – Wahlgesetzen, welche erst für die nächste Wahl gelten.[150]

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Diese Ausnahmen erhöhen zwar die Rechtsunsicherheit bei der Beantwortung der Frage der Beschwerdebefugnis, speziell dem Erfordernis der Gegenwärtigkeit; sie sind aber gerechtfertigt angesichts des unzureichenden und problematischen Instruments der einstweiligen Anordnung nach § 32 BVerfGG wie auch der Dauer von Verfassungsbeschwerdeverfahren sowie der Notwendigkeit einer sorgfältigen Prüfung von Gesetzen; dies gilt vor allem bei Wahlgesetzen, zumal die Folgen verfassungswidriger Normen nur schwer beseitigt werden können.

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Gleiches gilt, wenn der Tatbestand des Gesetzes erst nach Ablauf der Frist des § 93 Abs. 2 BVerfGG erfüllt wird, der Beschwerdeführer aber nicht darauf verwiesen werden kann, einen Vollzugsakt abzuwarten. Ein solches Schon-Betroffensein ist auch bei Gesetzesänderungen denkbar, insbesondere dann, wenn die künftige Rechtsverletzung nur dadurch vermieden werden kann, dass schon jetzt eine Verfassungsbeschwerde erhoben wird.

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Gegen erst drohende Beeinträchtigungen – z.B. ein Strafverfahren – sind Verfassungsbeschwerden im Übrigen im Regelfall schon deshalb nicht zulässig, weil der Rechtsweg nicht erschöpft ist.[151]

Verfassungsbeschwerden und Menschenrechtsbeschwerde

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