Читать книгу Privat- und Prozessrecht - Peter Förschler - Страница 44
2.3.3.2 Ausnahmen vom Erfordernis der Einwilligung
ОглавлениеEin beschränkt geschäftsfähiger Minderjähriger braucht zur Wirksamkeit seines rechtsgeschäftlichen Handelns in vier Fällen keine Einwilligung seiner gesetzlichen Vertreter:
> Lediglich rechtlich vorteilhafte Erklärungen: Bei Erklärungen, die dem Minderjährigen lediglich rechtlichen Vorteil bringen, erfordert der Schutzgedanke keine Einwilligung der Eltern (§ 107 BGB).
Annahme eines Schenkungsangebots, weil unentgeltlich; Annahme einer Vollmacht ohne Handlungsverpflichtung.
Entscheidend ist nicht, ob es sich um ein Angebot zu einem wirtschaftlich vorteilhaften Geschäft handelt (z. B. günstiger Kauf), sondern allein, dass kein rechtlicher Nachteil, also keine Verpflichtung zu irgendeiner Gegenleistung, mit dem Rechtsgeschäft verbunden ist.
Der Kauf einer wertvollen Antiquität auf dem Flohmarkt zu extrem günstigem Preis ist kein Rechtsgeschäft, das lediglich rechtlichen Vorteil bringt, weil mit dem Vertrag die Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises – und sei er noch so gering – verbunden ist.
Dagegen ist die Schenkung eines Grundstücks auch dann ein lediglich vorteilhaftes Rechtsgeschäft, wenn es mit Hypotheken oder Grundschulden belastet ist. Denn der beschenkte Grundstückserwerber übernimmt ja nicht persönlich die Verbindlichkeiten, zu deren Sicherung die Grundpfandrechte eingetragen sind. Es dient lediglich das Grundstück selbst gegebenenfalls als Verwertungsobjekt, wenn der persönlich verpflichtete Schuldner nicht zahlt.
Ein rechtlicher Nachteil entsteht in diesem Fall jedoch, wenn das Grundstück mit einem vermieteten Haus bebaut ist, weil der Minderjährige als Erwerber und neuer Eigentümer nach § 566 BGB kraft Gesetzes zum neuen Vermieter werden und damit mietvertragliche Pflichten übernehmen würde.
> Taschengeldgeschäfte: Geschäfte, die der beschränkt Geschäftsfähige mit Mitteln „bewirkt“ (also auch bezahlt) hat, die der gesetzliche Vertreter ihm zu diesem Zweck oder zur freien Verfügung überlassen hat (§ 110 BGB – sog. Taschengeldparagraf). Eigentlich liegt hier gar keine Ausnahme vom Einwilligungserfordernis vor: Die Überlassung der Geldmittel enthält zugleich stillschweigend die allgemeine Genehmigung für alle damit finanzierbaren Geschäfte.
Nicht ohne Weiteres umfasst diese stillschweigende Genehmigung aber besonders aufwendige Geschäfte, die nur mit langzeitig angespartem Taschengeld bewältigt werden können, ebenso wenig die freie Verwendung von Lottogewinnen, die zwar mit dem Einsatz von Taschengeld erzielt worden sind, aber mit dem Taschengeldbetrag selbst nicht hätten bezahlt werden können. § 110 BGB gilt auch nur bei sofortiger Zahlung, nicht beim Ratenkauf oder wenn der Kaufpreis ganz oder teilweise gestundet wird.
> Ermächtigter Betrieb eines Erwerbsgeschäfts: Im Falle der Ermächtigung des Minderjährigen zum selbstständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts (gewerbliches Unternehmen, Handelsvertretertätigkeit, selbstständige Tätigkeit als Künstler) betrifft diese Erweiterung der Geschäftsfähigkeit alle Rechtsgeschäfte, die ein solcher Geschäftsbetrieb mit sich bringt. Dazu ist jedoch außer der Ermächtigung durch die gesetzlichen Vertreter auch noch die Genehmigung durch das Familiengericht erforderlich (§ 112 BGB).
Ein 17-Jähriger betreibt einen Onlineshop, eine 16-Jährige eröffnet einen Floristikbetrieb.
Seitdem das Volljährigkeitsalter von 21 auf 18 Jahre herabgesetzt worden ist, hat diese Ausnahme keine große Bedeutung mehr.
> Ermächtigtes Dienst- oder Arbeitsverhältnis: Im Falle der generellen Ermächtigung des Minderjährigen durch seine gesetzlichen Vertreter, in Dienst oder Arbeit zu treten (Dienst-, Arbeits- oder Werkverträge, nicht jedoch Ausbildungsverträge), ist er für alle Rechtsgeschäfte unbeschränkt geschäftsfähig, welche die Eingehung oder Aufhebung des Dienst- oder Arbeitsverhältnisses betreffen (§ 113 BGB).
Anmietung einer Wohnung am Beschäftigungsort, Beschaffung von Berufskleidung und Arbeitsgerät, Absprachen über Lohn und Gehalt, Einrichtung eines Gehaltskontos (die Verwendung des Erwerbseinkommens unterliegt aber nicht auch der freien Verfügung des Minderjährigen – hier gilt weiterhin § 107 BGB), Beitritt zur Gewerkschaft, sogar Änderung oder Aufhebung des Arbeitsverhältnisses.