Читать книгу Bundesberggesetz - Reinhart Piens - Страница 56
4.Nichtbergrechtliche Grundeigentümerbodenschätze
Оглавление70Obgleich die sonstigen, nicht unter § 3 Abs. 4 fallenden grundeigenen Bodenschätze (sog. Grundeigentümerbodenschätze) nicht Gegenstand des BBergG sind, ist ihre Bedeutung für die Bau- und Rohstoffwirtschaft der Bundesrepublik Deutschland nicht unbeachtlich. Das gilt vor allem im Zuge der Wiedervereinigung. Sie brachte die Einbeziehung nahezu aller „grundeigenen“ Bodenschätze der neuen Bundesländer in die Bergfreiheit sowie unter Bergwerkseigentum und Bergaufsicht. Das geschah mit dem Argument, für den Aufschwung Ost müsse gewährleistet werden, dass die weitere Ausbeutung vor allem von Kies- und Sandfeldern nicht ins Stocken geraten und die Aufschließung neuer Felder nicht verzögert werden dürfe (BVerwG = ZfB 134 (1993), 202 ff.). Dies aber hätte nach übereinstimmender Meinung (Nachweis bei Hoffmann, BB 1994, 1589) ein Rückfall der hochwertigen Steine-Erden-Rohstoffe in das Grundeigentum mit sich gebracht und damit weittragende Folgen für die Volkswirtschaft (zum Gedanken der Sozialpflichtigkeit dieses Vorgangs s. Hoffmann, BB 1994, a. a. O.), besonders für die Bauindustrie. Andererseits ist zwischenzeitlich erkennbar, dass der Abbau von Kiesen und Sanden unter Bergaufsicht nicht nur gerechtfertigt, sondern in hohem Maße geboten war und positive wirtschaftliche Auswirkungen mit sich gebracht hat (in dieser Richtung neben Hoffmann, BB 1.994.1585 ff., auch Schulte, Bodenschätzgewinnung, 298 f.). Das sind im Wesentlichen folgende (in Anlehnung an die Zusammenstellung bei Hoffmann, BB 1994, 1590):
71– Die Anwendung des BBergG auf einen so bedeutsamen wirtschaftlichen Bereich wie die Bauwirtschaft gewährleistete eine geordnete, von Grundstücksgrenzen unabhängige Nutzung der Rohstoffe bei schonendem Umgang mit Grund und Boden unter Bergaufsicht.
– Die zügige Privatisierung der betriebsbezogenen Lagerstätten nach dem Privatisierungskonzept der Treuhandanstalt erlaubte, wirtschaftlich tragfähige Kapazitäten zu erhalten. Der Verkauf von Bergwerkseigentum konnte an solche Unternehmen erfolgen, die die besten Voraussetzungen für einen zukünftigen sinnvollen, ordnungsgemäßen und effizienten Abbau dieser Rohstoffe boten.
– Die Zuordnung der hochwertigen Sande und Kiese unter die öffentlich-rechtliche Ordnung des BBergG erlaubte eine optimale Ressourcennutzung unter Berücksichtigung regionaler Bedürfnisse. Aufgrund des außerordentlich hohen Transportkostenanteils am Warenwert Sand und Kies und aus Gründen des Umweltschutzes war es im allgemeinen öffentlichen Interesse geboten, Lagerstätten vorrangig in Verbrauchernähe zu nutzen.
– Der Abbau von Kiesen und Sanden als oberflächennahe Bodenschätze stellte nicht selten einen Eingriff in Natur und Landschaft dar. Gerade deshalb war die bergrechtliche Aufsicht unabhängig von den Grundstücksgrenzen und Grundeigentümerinteressen im Sinne des Gemeinwohls geboten. Nach Beendigung des planmäßigen Abbaus war andererseits eine von den zufälligen Grundstücksgrenzen unabhängige großflächige Wiedernutzbarmachung möglich und im öffentlichen Interesse auch geboten.
72Diesen Gesichtspunkten trägt das Gesetz zur Vereinheitlichung der Rechtsverhältnisse bei Bodenschätzen v. 15.4.1996 insoweit Rechnung, als es die grundeigenen Bodenschätze lediglich für die Zukunft wieder freigibt. Soweit die Bodenschätze auch danach nicht unter die Klassifikation des § 3 fallen, also nichtbergrechtliche oder sog. Grundeigentümerbodenschätze sind, wurden sie nach bereits bisher in den alten Bundesländern praktizierten privaten oder öffentlich-rechtlichen Regelungen des Bundes und/oder der Länder hinsichtlich ihrer Aufsuchungs- und Gewinnungsvorgänge recht unterschiedlich behandelt (Boldt/Weller (2016), § 3 Rn 2; Schulte, Bodenschätzegewinnung, 296 ff., der den Begriff „Nichtbergrechtliche Bodenschätze“ benutzt). Aufsuchung und Gewinnung dieser Bodenschätze folgt materiell-rechtlich unterschiedlichen Rechtsvorschriften, je nach dem, um welche Art der Bodenschätze es sich handelt und wie sich die Methode ihrer Gewinnung bzw. das angewandte Abbauverfahren darstellt
Bei der beabsichtigten Nutzung eines Steinbruchgrundstücks zum Abbau von grundeigenen Bodenschätzen, deren Zulassung die Belange von Natur und Landschaft auch ohne die Bestimmungen einer Landschaftschutzgebiets-VO entgegenstehen, handelt es sich nicht um eine eigentumsrechtlich verfestigte Rechtsposition i. S. von Art. 14 Abs. 1 GG. Es besteht, solange eine Ausnahmegenehmigung nach der Landschaftsschutz-VO nicht erteilt wurde, lediglich eine zukünftige Erwerbschance (VGH Kassel, NUR 2005, 408).
73a) Grundeigentümerbodenschätze im Einzelnen. Es handelt sich bei den nichtbergrechtlichen Bodenschätzen im Anschluss an die Zusammenstellung bei Schulte (Schulte, Bodenschätzegewinnung, 296) um Kiese und Sande (Herstellung von Beton und anderen Baustoffen), Natursteine (Straßen-, Wege- und Wasserbau), Naturwerksteine (Bauindustrie, Grabmäler), Kali-, Kalkmergel- und Dolomitgesteine (Herstellung von Branntkalken, Zement und feuerfesten Erzeugnissen), Gips- und Anhydrit (Wandbauplatten, Zement, Gipsmörtel, Putz und Stuck), Bims (Leichtbaustoffe), Ton (Ziegeleiprodukte, keramische Erzeugnisse) und andere mehr.
Sand- und Kiesvorkommen sind in § 3 nicht ausdrücklich benannt. In § 3 Abs. 4 Nr. 2 wird keine Bodenschätze umfassende Regelung getroffen. Die Bodenschätze, die über Tage aufgesucht werden, d. h. im Regelfall Kies und Sand, werden in Bezug auf die eigentumsrechtliche Zuordnung vom BBergG nicht erfasst, wie sich aus dem Umkehrschluss aus § 3 Abs. 4 Nr. 2 ergibt (Boldt/Weller (2016), § 3 Rn 2; Berkemann, DVBl 1989, 625; Hüffer/Tettinger, Bochumer Forschungsberichte zum Berg- und Energierecht, Heft 7, S. 9. Nach den zivilrechtlichen Bestimmungen (§§ 903 ff. BGB) stehen diese Bodenschätze dem Grundeigentümer zu (BGHZ 90, 3, 9; 87, 66, 78 f.; 84, 223, 226 ff., anders noch BGHZ 60, 126 ff.).
74Die Abgrenzungsschwierigkeiten zum Bergrecht (§ 3 Abs. 4 Nr. 1) sind wegen des begrifflichen Auseinanderklaffens von Eignung und Verwendung vor allem bei quarzhaltigen Sanden und Tonen, die sich zur Herstellung von feuerfesten Erzeugnissen eignen („Spezialtone“ und Quarzsand), vielfältig und bekannt. So kommt es nicht selten vor, dass z. B. die Gewinnung von Ton, der zur Herstellung von Ziegeleierzeugnissen verwendet wird, dem Bergrecht unterliegt, nämlich dann, wenn es sich um Spezialton mit der notwendigen Eignung (Schmelzpunkt bei mind. 1580 °C) zur Herstellung von feuerfesten Erzeugnissen handelt (Boldt/Weller (2016), § 3 Rn 75; Schulte, a. a. O.).
75Neben den materiell-rechtlichen Abgrenzungsschwierigkeiten sind in einem wesentlich stärkeren Maße die für die Gewinnung dieser Bodenschätze und Abbauverfahren erforderlichen Genehmigungen und Genehmigungsverfahren problematisch. Sie sind bezüglich ihrer bundes- und landesrechtlichen Genehmigungsvorbehalte und Verfahrenskonstellationen für die alten Bundesländer in der gebotenen Abgrenzung zum Bergrecht (BBergG) umfassend, kenntnisreich und kritisch analysiert (Schulte, Bodenschätzegewinnung, 299 ff., 381).
76b) Anzuwendende Vorschriften. Einige der durch das Nebeneinander von Abgrabungs-, Bau-, Naturschutz-, Wasser-, Immissionsschutz-, Abfall-, Forst – und Denkmalschutzrecht gekennzeichnete Verfahren für derartige Abgrabungen aufgeworfenen Fragen (dazu Schulte, Bodenschätzegewinnung, 299 ff.) sollen auch an dieser Stelle in einem Kommentar zum BBergG erwähnt werden, um einige – nur beispielhafte – Hinweise auf die Komplexität des Verhältnisses von bergrechtlicher und nichtbergrechtlicher Bodenschätzegewinnung in Deutschland zu geben. Im Übrigen s. ausf. Anh. § 56 Rn 1 ff.
77Die Gewinnung von bergfreien (z. B. Eisen, Kohlenwasserstoffe, Stein- und Kalisalze) und grundeigenen Bodenschätzen (z. B. Basaltlava, Dachschiefer, Quarz, Ton, soweit sie zur Herstellung feuerfester Erzeugnisse geeignet sind) unterliegt der Bergaufsicht und bedarf der Zulassung eines Betriebsplans nach §§ 51 ff.
78Für die Gewinnung grundeigener Bodenschätze wie Kies und Sand, gelegentlich auch Lehm und Ton (Ziegeleiton), gilt Folgendes:
– Erfolgt die Gewinnung durch Nassbaggerung (unter dem Grundwasserspiegel) mit unmittelbar anschließender Wiederverfüllung oder durch Trockenbaggerung unter grundwasserführenden Schichten, so ist eine Erlaubnis nach § 8 WHG oder eine Bewilligung nach § 8 WHG (s. auch Anh. § 56 Rn 573) erforderlich. Diese Arbeiten sind nämlich geeignet, dauernd oder in einem nicht unerheblichen Ausmaß schädliche Veränderungen der physikalischen, chemischen oder biologischen Beschaffenheit des Wassers herbeizuführen;
– bleiben beim Abbau von Kies und Sand auf Dauer Wasserflächen zurück bzw. werden bestehende Wasserflächen wesentlich umgestaltet, so ist ein wasserrechtliches Planfeststellungsverfahren nach § 68 WHG i. V. mit den entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften durchzuführen. Es umfasst naturgemäß (§ 75 Abs. 1 VwVfG) auch die nach anderen Rechtsbereichen wie Bau- und Naturschutzrecht erforderlichen Erlaubnisse und Genehmigungen;
– werden für die Gewinnung von grundeigenen Bodenschätzen in Steinbrüchen (z. B. Kalkstein, Dolomit, Diabas, Grauwacke, Totenstein) Sprengstoffe eingesetzt (§ 2 Abs. 1 Ziff. 2.1 der4. BImSchVO), so ist eine vereinfachte Genehmigung nach § 19 BImSchG erforderlich. Die Genehmigung schließt andere behördliche Entscheidungen ein mit Ausnahme von Planfeststellungen, Zulassung bergrechtlicher Betriebspläne, Zustimmungen sowie behördlichen Entscheidungen wasser- oder atomrechtlicher Art (§ 13 BImSchG) (Anh. § 56 Rn 188);
– für die Gewinnung von Kies und Sand, Lehm und Ziegelei-Ton, die im Verfügungsrecht des Grundeigentümers stehen, nicht aber dem Bergrecht unterliegen und für deren Gewinnung keine Sprengstoffe verwendet werden, bedarf es etwa in NRW einer Genehmigung nach dem AbgrabungsG (§§ 3–10) (Anh. § 56 Rn 70), in Brandenburg einer Baugenehmigung nach der BauabgrabungsVO (§ 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1).
79c) Zusammenfassende Gesichtspunkte. Die vorgenannten Rechts- und Gesetzmaterien, von denen eine Bodenschätzegewinnung betroffen sein kann, enthalten für diesen Fall nicht nur fachspezifische materielle Anforderungen an die Gewinnungsvorhaben, sondern richten ggf. auch fachspezifische Genehmigungsvorbehalte und damit eigene Genehmigungsverfahren ein (Übersicht bei Schulte, Bodenschätzegewinnung, 299 f.). Das führt – wenn auch nicht unbedingt in diesem Umfang bei den Grundeigentümerbodenschätzen – zu Erscheinungen, die mit den Stichworten parallele Genehmigungsverfahren, Konzentrationswirkung, Öffnungsklauseln, unterschiedliche Prüfungs- und Entscheidungskompetenzen, Aufteilung von Kernkompetenzen, differierende Bindungswirkung bei Entscheidungs- und Prüfungskompetenzen und schließlich sog. „vagabundierende“ Zulassungsvoraussetzungen gekennzeichnet sind (ders., 304 ff.).
80Sie sind sprechender Ausdruck für die Komplexität materiell-rechtlicher Anforderungen an Gewinnungsvorhaben. Diese ist begründet in der Vielfalt der Einwirkungen solcher Vorhaben auf Wasser, Boden, Natur, Landschaft, Luft und in den komplexen Folgen für die natürlichen Kreisläufe und die Vernetzung des Naturhaushalts.