Читать книгу Bundesberggesetz - Reinhart Piens - Страница 62
2.Gewinnen
Оглавление16a) Regel. Als Gewinnen (Gewinnung) definiert Abs. 2 das Lösen und Freisetzen von Bodenschätzen – in welcher Form auch immer – einschl. der damit zusammenhängenden vorbereitenden, begleitenden und nachfolgenden Tätigkeiten. Dies sind etwa der Aufschluss eines Grubenfeldes, die Aus- und Vorrichtung, der Grubenbau, die Wasserhaltung oder die Grubenbewetterung (Zydek, 80). Hinzu treten Tätigkeiten wie das Verladen, Befördern, Abladen, Lagern und Ablagern von Bodenschätzen, Nebengestein und sonstigen Massen, soweit es in unmittelbarem Zusammenhang mit der Gewinnung erfolgt (§ 2 Abs. 1 Nr. 1; ausf. zum Gewinnungsbegriff und den damit zusammenhängenden Fragen s. § 2 Rn 15 ff.). Die Verfüllung eines Schachtes gehört zur Gewinnung i. S. von § 4 Abs. 2 (OVG Koblenz, Beschl. v. 21.1.2014 – 1 B 11194/13 = UPR 2014, 200 (LS)). Zur vorbereitenden Maßnahme i. S. § 4 Abs. 2 gehören auch die Erkundung der Grundwasserverhhältnisse und die exakte Erkundung der Lagerverhältnisse (BVerwG, Urt. v. 14.12.1990 – BVerwG 7 C 5.90 Rn 29 = BVerwGE 87, 241 = NVwZ 1991, 987 = DVBl 1991, 393; OVG Magdeburg, Urt. v. 18.7.2018, Az. 2 L 96/16 Rn 109 = ZfB 2019, 38, 54; OVG Schleswig, ZfB 2019, 153, 169).
16aDas Gewinnen bestimmt sich nach rein tätigkeitsbezogenen, objektiven Kriterien ohne finalen Bezug. Eine subjektive Absicht, gerichtet auf die Aneignung und wirtschaftliche Nutzung des gewonnenen Bodenschatzes wird nicht vorausgesetzt (BVerwG, UPR 2017, 314, 315 Rn 18; BVerwGE 100, 1, 5 = UPR 1996, 143). Lediglich in den in § 4 Abs. 2 Halbs. 2 ausdrücklich genannten Fällen wird eine besondere Zwecksetzung berücksichtigt und die Anwendung des Bergrechts ausgeschlossen (BVerwG, a. a. O.).
17b) Ausnahme. Wegen des umfassenden Bedeutungsgehalts des Gewinnungsbegriffs ist es zur Lösung von Zuordnungsfragen wichtig, die Ausnahmen vom Gewinnungsbegriff gezielt zu betrachten. Denn die ausschließlich tätigkeitsbezogene, nicht finale Bestimmung des Gewinnungsbegriffs kann zu vielfältigen Überschneidungen mit Tätigkeiten führen, die zwar auch Bodenschätze lösen oder freisetzen, nicht aber um sie zu gewinnen (§§ 8, 9), sondern aus anderen Zwecken (Zydek, 81).
18Als derartige Zwecke sieht der Gesetzgeber die bauliche oder sonstige städtebauliche Nutzung von Grundstücken an (Nr. 1). Dazu sind zu rechnen Baugruben für Gebäude, Straßen, Bahnen oder Kanäle, wobei es unerheblich ist, ob von über oder unter Tage her gebaut wird. Unter sonstiger städtebaulicher Nutzung sind vor allem Maßnahmen im Sinne des § 9 BauGB zu verstehen. Sie gehen über die rein bauliche Nutzung hinaus. Als Beispiel mag das viel zitierte Ausbaggern einer Fläche zur Herstellung eines Teiches in einer Parkanlage gelten.
18aStrittig ist, ob das für die Verlegung von Pipelines im Küstenbereich zwingend erforderliche Lösen von Sanden und Kiesen als Gewinnung anzusehen ist und bei einer Sandentnahme von über 10 ha ein Rahmenbetriebsplanverfahren mit UVP erforderlich ist (zustimmend Pellens, NUR 1996, 281, verneinend Boldt/Weller (2016), § 4 Rn 11 m. Hinw. auf die Ausnahmeregelung in Abs. 2 Halbs. 2 Nr. 1 für bauliche Maßnahmen im Bodenbereich).
19Nicht dagegen sind hierunter solche Maßnahmen zu subsumieren, die als „Nutzung im Bereich des Städtebaus“ zu verstehen sind, wie die Entnahme von Sand und Kies aus gemeindlichen Gruben.
20Eine Besonderheit im Zusammenhang mit dem Ausnahmetatbestand der Nr. 1 bildet die Erdwärme (dazu im Einzelnen ausf. s. Anm. zu § 3 Rn 47 ff.). Denn Freisetzung und Nutzung der Erdwärme sind in einem solchen Fall als abhängige Funktion der baulichen Nutzung zu sehen. Es kommt darauf an, dass die Verbindung von baulicher Nutzung, Erdwärmegewinnung und Grundstück besteht. Das Freisetzen von Erdwärme muss in demselben Grundstück erfolgen. Nach dem Wortlaut des § 4 Abs. 2 Ziff. 1 ist das Lösen oder Freisetzen von Bodenschätzen in einem Grundstück aus Anlass oder im Zusammenhang mit dessen baulicher oder städtebaulicher (z. B. Straßenbau, Tunnel) Nutzung keine Gewinnung i. S. des Bergrechts und bedarf damit auch keiner Bewilligung gem. § 6. Von praktischer Bedeutung ist das für die Erdwärmenutzung. Nach der Verwaltungshandhabung der Länder (z. B. Geologischer Dienst NRW: „Geothermie in Nordrhein-Westfalen“; Landesamt für Umwelt und Geologie Hessen: „Erdwärmenutzung in Hessen“; Landesamt für Geologie und Bergwesen Sachsen-Anhalt: „Erdwärmenutzung in Sachsen-Anhalt“; Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie: „Information zur Nutzung oberflächennaher Geothermie“) ist § 4 Abs. 2 Ziff. 1 so auszulegen, dass die Gewinnungsanlage eine Heizleistung von maximal 30 kW haben kann und einen ausreichenden Abstand zum Nachbargrundstück hat. Anderenfalls gilt die Ausnahme nicht.
Fraglich ist, ob die Ausnahmeregelung auch für den Tatbestand des Aufsuchens von Bodenschätzen gilt. Ausdrücklich ist das nur für die Gewinnung geregelt, während in § 4 Abs. 1 Ziff. 1–3 zwar für das Aufsuchen verschiedene Ausnahmen angeführt sind, nicht jedoch eine parallele Regelung zu § 4 Abs. 2 Ziff. 1. Aber es wäre kaum verständlich, wenn für die Gewinnung von Erdwärme keine Bewilligung, andererseits für das Aufsuchen von Erdwärme auf einem begrenzten Grundstück eine Erlaubnis gefordert würde. Es ist daher sachgerecht, den Tatbestand des § 4 Abs. 2 Ziff. 1 analog auch für die der Gewinnung vorausgehenden Phase der Aufsuchung von Erdwärme nutzbar zu machen. Dies auch deshalb, weil zum Begriff der Gewinnung die „damit zusammenhängenden vorbereitenden Tätigkeiten“ gehören und dadurch die Abgrenzung zwischen Aufsuchen und Gewinnen fließend ist (im Ergebnis ebenso Boldt/Weller (2016), § 3 Rn 49 ff., allerdings unter Einschränkung des Begriffes Bodenschatz bei Erdwärme).
Insoweit bedarf die Nutzung weder einer Aufsuchungs- oder Gewinnungsberechtigung noch einer betriebsplanmäßigen Zulassung. Allenfalls eine Anzeigepflicht kann gegenüber der zuständigen Behörde bestehen, wenn die Nutzung mit Bohrungen von mehr als 100 m verbunden ist (§ 127).
21Eine Gewinnung im Sinne des Abs. 2 Satz 1 erster Halbs. kann dann angenommen werden, wenn die gewonnene Wärme über die Grenzen des einzelnen Grundstücks hinaus genutzt werden soll, etwa durch Errichtung einer zentralen Heizanlage oder wenn die Nutzung der Erdwärme im Verhältnis zur baulichen Nutzung überwiegt oder bei Überschreitung der Grundstücksgrenzen durch Schrägbohrungen.
22Als weitere Ausnahme vom Begriff der Gewinnung gelten nach Nr. 2 Tätigkeiten, die Bodenschätze in oder an einem Gewässer als Voraussetzung für dessen Ausbau oder Unterhaltung freisetzen oder lösen. Unter Gewässern im Sinne dieser Vorschrift sind nicht nur öffentliche Sachen im Sondergebrauch im Sinne des Wasserrechts, sondern auch alle Binnen- und Seewasserstraßen, also öffentliche Sachen im Gemeingebrauch, entsprechend dem Wasserstraßen- und Wasserwegerecht zu verstehen. Auch Schifffahrtswege im Bereich des Festlandsockels und der Küstengewässer fallen hierunter (zum Begriff des Gewässers s. Salzwedel, Artikel Wasserrecht, HdUR, 2726; Breuer, Wasserrecht, 5 ff.; s. auch Anh. § 56 Rn 560 ff., 588 ff.). Zum Ausbau von Gewässern rechnet die Herstellung, Beseitigung oder wesentliche Umgestaltung eines Gewässers oder seiner Ufer; ein solcher Ausbau bedarf einer Planfeststellung (Salzwedel, a. a. O., 2733; Anh. § 56 Rn 705 ff.). Unterhaltung, vor allem von Wasserstraßen, ist die Erhaltung des ordnungsgemäßen Zustands für den Wasserabfluss und die Erhaltung der Schiffbarkeit (§ 8 Abs. 1 WaStrG).
Für den Abbau von Sand ist Bergrecht anzuwenden, auch wenn ein Zusammenhang mit einem parallel geplanten Ausbau eines Tiefseehafens und der Ausspülung der neuen Hafenfläche besteht. Denn die Ausnahmeregelung gem. § 4 Abs. 2 Nr. 2 greift nicht, wenn die Herstellung der Sandgrube nur eine unvermeidbare Folge der Sandgewinnung ist, d. h. die Sandgewinnung nicht zeitlich, örtlich und funktionsmäßig unmittelbar mit dem Hafen- und Fahrrinnenausbau zusammenhängt (VG Oldenburg, NUR 2008, 888 = ZfB 2008, 296; JadeWeserPort).