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B.Zwingende Ausschlussgründe, § 16 Absatz 1 VOB/A I.Verspätete Angebote, § 16 Absatz 1 Nr. 1 VOB/A

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6Ein nicht fristgerecht vorliegendes Angebot ist zur Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zwingend von der Wertung auszuschließen. Die bis zur VOB-Novelle geltende Sondervorschrift des § 14 Abs. 5 bzw. § 14a Abs. 6 a. F. VOB/A für die Fälle, in welchen das Angebot nachweislich zwar dem Auftraggeber vor Ablauf der Angebotsfrist vorlag, aus vom Bieter nicht zu vertretenden Gründen jedoch dem Verhandlungsleiter im Öffnungstermin nicht vorlag, wurde gestrichen, sodass es nunmehr in Angleichung an die übrigen Vergabeordnungen schlicht auf die fristgerechte Vorlage des Angebots beim Auftraggeber ankommt.

7Die Vorgaben zum Ausschluss verspäteter Angebote dienen einem unverfälschten Wettbewerb und damit insbesondere auch der Gleichbehandlung und Chancengleichheit; sie haben deshalb bieterschützende Wirkung.7 Ein Bieter, dessen Angebot rechtzeitig vorlag, hat also einen Anspruch darauf, dass unentschuldigt verspätet eingegangene Angebote auf der ersten Wertungsstufe ausgeschlossen und nicht in die Wertung auf der 4. Wertungsstufe einbezogen werden. Dies gilt auch für lediglich kurzzeitige Verspätungen von wenigen Minuten8 und einschränkungslos auch im Verhandlungsverfahren.9

8Entscheidend ist, dass das Angebot vor Schluss der Angebotsfrist beim Auftraggeber und zwar bei der von diesem angegebenen Stelle eingegangen ist;10 auf den Zeitpunkt der Angebotsöffnung kommt es nicht an.11 Der „Eingang“ ist mit einem „Zugang“ einer Willenserklärung nach § 130 BGB gleichzusetzen.12 Ein Angebot ist beim Auftraggeber eingegangen, wenn es derart in den Herrschaftsbereich des Auftraggebers übergegangen ist, dass er die Möglichkeit hat, hiervon unter normalen Umständen Kenntnis zu nehmen und gleichzeitig der Bieter keine Möglichkeit mehr hat, den Inhalt seines Angebots zu verändern.13

9Der Auftraggeber ist verpflichtet, die Fristwahrung effektiv zu überprüfen; verlangt er etwa die Einreichung von Angeboten über sein Postfach, so muss er das Postfach zum Fristablauf leeren.14 Bei der elektronischen Einreichung der Angebote erübrigt sich eine solche Kontrolle; denn die eingesetzte Software muss gewährleisten, dass Datum und Uhrzeit des Datenempfangs genau zu bestimmen sind (vgl. § 11a Abs. 4 VOB/A).

10Der Bieter trägt die Beweislast für die rechtzeitige Vorlage eines schriftlichen Angebots beim Auftraggeber, da die fristgerechte Angebotseinreichung in seinem Verantwortungsbereich liegt.15 Bei Einreichungen per Post kann der Auftraggeber nur feststellen, ob nach den Feststellungen seiner Mitarbeiter ein ­Angebot vor Schluss der Angebotsfrist bzw. im Bereich der VOB/A vor Angebotseröffnung vorgelegen hat. Wenn der Bieter demgegenüber einen rechtzeitigen Zugang behauptet, so muss er diesen auch beweisen. Nach allgemeinen Grundsätzen trägt prinzipiell der Erklärende die Beweislast für den rechtzeitigen Zugang einer Willenserklärung und damit auch eines Angebots.16

11Für den Bereich der elektronischen Angebotseinreichung muss allerdings nunmehr das vom Auftraggeber eingesetzte System nach § 11a Abs. 4 VOB/A den Zeitpunkt des Datenempfangs sicher bestimmbar machen. Setzt der Auftraggeber ein diesen Anforderungen genügendes System ein, so spricht eine widerlegbare Vermutung für die Richtigkeit des von dem System angegebenen Zeitpunkts des Eingangs. Weist das System einen rechtzeitigen Angebotseingang nach, so müsste also der Auftraggeber darlegen und beweisen, dass diese Angabe aufgrund eines Systemfehlers unzutreffend ist. Umgekehrt müsste der Bieter bei einem von dem System angegebenen verspäteten Eingang beweisen, dass sein Angebot tatsächlich rechtzeitig eingetroffen ist. Ein solcher Beweis wird in der Praxis nur in den seltensten Fällen gelingen. In der Regel hat der Bieter aber die Möglichkeit, die Empfangsdaten abzugleichen, da ihn das System über den Zeitpunkt des Eingangs informiert. Reicht ein Bieter beispielsweise am 29. Februar sein Angebot ein, wird ihm aber als Datum des Empfangs der 1. März angezeigt, so müsste er dies sogleich dokumentieren und dem Auftraggeber mitteilen.

12Enger als in den anderen Vergabeordnungen kann im Bereich der VOB/A eine Verspätung nur in dem Fall entschuldigt werden, dass das Angebot zwar in den Herrschaftsbereich des Auftraggebers gelangt ist, dem Verhandlungsleiter jedoch aus vom Bieter nicht zu vertretenden Gründen nicht zugeleitet wurde. Ein insoweit verspätetes Angebot ist nach §§ 16 Abs. 1 Nr. 1, 14 Abs. 6 VOB/A dann als rechtzeitig zugegangen zu betrachten. Aus Gründen der Manipulationsgefahren muss der Verschluss dieses Angebots unversehrt gewesen sein (vgl. etwa § 14 Abs. 5 Satz 3 VOB/A).

Im Gegensatz zu früheren Fassungen der VOB/A wird nicht mehr darauf abgestellt, dass das Angebot „bei Öffnung des ersten Angebots“ (vgl. § 16 Abs. 1 Nr. 1 lit. a VOB/A 2012) vorgelegen hat. Daher muss ein Angebot, das erst nach Angebotsöffnung in den Herrschaftsbereich des Auftraggebers gelangt, nicht mehr unabhängig davon ausgeschlossen werden, ob dieser verspätete Zugang vom Bieter zu vertreten ist oder nicht.

Praxiskommentar VOB - Teile A und B

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