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2.Bildung von Bietergemeinschaften

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37Immer wieder wird auch die Bildung einer Bietergemeinschaft unter dem Gesichtspunkt wettbewerbsbeschränkender Abreden kritisch betrachtet. Es wird empfohlen, bei Angeboten von Bietergemeinschaft stets ein „besonderes Augenmerk“ auf die Einhaltung des Wettbewerbsgrundsatzes zu legen.32 Die Bildung einer Bietergemeinschaft ist jedoch vergaberechtlich grundsätzlich zulässig und kann nur in Ausnahmefällen eine wettbewerbsbeschränkende Handlung darstellen.

38a) Grundsätzliche Zulässigkeit von Bietergemeinschaften. Übereinstimmend sehen Art. 19 Abs. 2 der Auftragsvergaberichtlinie, Art. 37 Abs. 2 der Sektorenvergaberichtlinie sowie Art. 26 Abs. 2 der Konzessionsvergaberichtlinie die Beteiligung von Bietergemeinschaften vor. Die Richtlinien enthalten weiterhin Regelungen zu Vorgaben an die Rechtsform von Bietergemeinschaften sowie zur Eignungsbewertung bei Beteiligung von Bietergemeinschaften. Das europäische Vergaberecht geht folglich von der prinzipiellen Zulässigkeit der Beteiligung von Bietergemeinschaften aus.

Auch die nationalen Vergabevorschriften sehen die Bietergemeinschaft ausdrücklich vor. So bestimmen § 43 Abs. 2 VgV, § 6 Abs. 2 VOB/A, § 6 EU Abs. 3 Nr. 2 VOB/A, § 50 Abs. 2 SektVO, § 24 Abs. 2 KonzVgV und § 21 Abs. 5 VSVgV übereinstimmend, dass Bietergemeinschaften Einzelbietern gleichzusetzen sind.

39b) Grundsätzlich keine Wettbewerbsbeschränkung. Die Bildung einer Bietergemeinschaft begründet grundsätzlich keine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung im Sinne des § 1 GWB33 und unterliegt daher nicht dem Generalverdacht der Kartellrechtswidrigkeit.34 Die Wertung des KG Berlin,35 wonach die Bildung einer Bietergemeinschaft ohne Weiteres eine wettbewerbsbeschränkende Handlung darstelle und nur im Ausnahmefall zulässig sei, steht in diametralem Widerspruch zu den vergaberechtlichen Vorgaben und verkehrt das Regel-Ausnahmeverhältnis einer zulässigen Beteiligung von Bietergemeinschaften unzulässig.

40Bietergemeinschaften sind nach zutreffender Auffassung nicht nur dann zulässig, wenn sich Unternehmen verschiedener Fachrichtungen zu einer Bietergemeinschaft zusammenschließen und die Mitglieder dementsprechend unterschiedliche, technisch abgrenzbare Teilleistungen des Auftrages erbringen (vertikale Ausrichtung); ebenso ist es auch zulässig, wenn sich mehrere Unternehmen einer Fachrichtung aus Kapazitätsgründen zusammenschließen, um die Leistung gemeinsam zu erbringen (horizontale Ausrichtung).36

41Der vertikale Zusammenschluss mehrerer Spezialunternehmen bedingt keine Wettbewerbsverkürzung, sondern schafft regelmäßig erst die Möglichkeit zur Beteiligung am Vergabeverfahren und führt so zu einer Stärkung des Wettbewerbs. Solche Zusammenschlüsse können deshalb grundsätzlich keine unzulässigen Wettbewerbsbeschränkungen bedingen.37

Auch horizontale Bietergemeinschaften aus mehreren Unternehmen einer Fachrichtung begründen grundsätzlich nicht den Verdacht einer Wettbewerbsbeschränkung. Solche Bietergemeinschaften sind problemlos dann zulässig, wenn die Mitgliedsunternehmen mangels ausreichender Kapazitäten und ausreichender Wirtschaftskraft nicht allein am Ausschreibungsverfahren teilnehmen könnten.38

42Ist eine alleinige Teilnahme am Verfahren wirtschaftlich nicht zweckmäßig oder kaufmännisch nicht vernünftig, so ist die Bietergemeinschaft selbst dann zulässig, wenn sich Großunternehmen zusammenschließen, deren Kapazitäten, technische Einrichtungen und fachliche Kenntnisse objektiv ausreichen würden, um den Auftrag eigenständig durchzuführen.39 Entscheidend ist damit die Zweckmäßigkeit des Zusammenschlusses im Einzelfall.40

Eine Bietergemeinschaft ist somit zulässig

– wenn die Unternehmen objektiv nicht zur alleinigen Auftragsdurchführung in der Lage sind;

– wenn die Unternehmen eigentlich hierzu in der Lage sind, aber ihre Kapazitäten anderweitig gebunden haben und

– wenn die Unternehmen zwar eigentlich zur Auftragsdurchführung allein in der Lage wären, aber aus vernünftigen unternehmerischen Gründen eine Bietergemeinschaft gegründet haben.41

43Im Rahmen dieser Bewertung dürfen weder der Auftraggeber noch die Vergabenachprüfungsinstanzen die Überlegungen der beteiligten Unternehmen durch eigene „unternehmerische“ Erwägungen ersetzen.42 Vielmehr steht den Unternehmen eine Einschätzungsprärogative zu, im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens nur auf Vertretbarkeit zu überprüfen ist.43 Sie muss allerdings auf objektiven Anhaltspunkten beruhen, deren Vorliegen uneingeschränkt zu überprüfen ist, sodass die Entscheidung zur Eingehung der Bietergemeinschaft vertretbar erscheint.44

44c) Erforderlichkeit einer Prüfung. Da öffentliche Auftraggeber nicht primär mit der Prüfung kartellrechtlicher Vorgaben befasst sind, müssen sie nur naheliegende Verstöße einer Prüfung unterziehen.45 Liegt ein solcher Fall nicht vor, kann die Vergabestelle im Hinblick auf die grundsätzliche Zulässigkeit von Bietergemeinschaften von deren Zulässigkeit ausgehend auf eine Prüfung verzichten.46 Nur wenn es konkrete Anhaltspunkte für eine mögliche Unzulässigkeit der Bietergemeinschaft gibt, muss der öffentliche Auftraggeber die Gründe für den Zusammenschluss aufklären. Solche Anhaltspunkte nimmt die Rechtsprechung an, wenn die beteiligten Unternehmen auf demselben Markt tätige Wettbewerber sind und dem Auftraggeber nichts dafür bekannt ist, dass sie objektiv nicht in der Lage wären, unabhängig voneinander Angebote einzureichen.47 Ist der ausgeschriebene Auftrag von seinem Umfang und seinen Spezifikationen her für einzelne oder alle Mitglieder einer Bietergemeinschaft von ihrer Größe, technischen Kompetenz und Finanzkraft her ohne Weiteres alleine zu bewältigen, muss der öffentliche Auftraggeber sich daher die Gründe für den Zusammenschluss darlegen lassen. Eine bieterseitige Darlegung bereits mit Angebotsabgabe bzw. mit Einreichung eines Teilnahmeantrages ist nicht veranlasst.48

45Ein Ausschluss ohne Aufklärung ist weder zulässig noch veranlasst. Vielmehr ist hier eine Prüfung durch den Auftraggeber vorzunehmen und nach zutreffender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur darauf abzustellen, ob vernünftige unternehmerische Gründe für den Zusammenschluss angeführt werden können.49 Für den Zusammenschluss können etwa Aspekte der Risikobegrenzung, der Bindung vorhandener technischer, personeller oder finanzieller Ressourcen durch andere Projekte und sonstige nachvollziehbare unternehmerische Erwägungen sprechen.50

Kann die Bietergemeinschaft in solch einem Fall jedoch keine nachvollziehbaren Gründe für den Zusammenschluss darlegen und ist folglich von einer wettbewerbsbeschränkenden Abrede auszugehen, so ist der Auftraggeber verpflichtet, die Bietergemeinschaft auszuschließen.

46d) Besonderheiten bei konzernverbundenen Gesellschaften. Die vorgenannten Schranken gelten ausdrücklich nicht für die Bildung einer Bietergemeinschaft aus mehreren konzernverbundenen Gesellschaften. Besteht die Bietergemeinschaft aus Gesellschaften, die von einer gemeinsamen Muttergesellschaft zu 100 % beherrscht werden und könnte die Muttergesellschaft gesellschaftsrechtlich die Bildung einer Bietergemeinschaft anordnen, so ist die Vorschrift des § 1 GWB wegen des Konzernprivilegs bereits nicht tangiert und kann ein Angebot der Bietergemeinschaft nicht wegen wettbewerbsbeschränkender Handlungen ausgeschlossen werden.51

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