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1.Begehung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten

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86Eine schwere Verfehlung kann insbesondere dann vorliegen und die Integrität des Unternehmens infrage stellen, wenn sich Führungskräfte eines Unternehmens der Begehung von Straftaten schuldig gemacht oder schwere Ordnungswidrigkeiten begangen haben.94 Bedeutsam sind insoweit insbesondere Vermögens- und Eigentumsdelikte wie etwa Betrugsdelikte, Bestechung, Vorteilsgewährung oder Urkundenfälschung.95 Relevant sind ebenfalls Verstöße gegen Vorschriften des GWB, des UWG, des Umweltrechts, des Schwarzarbeitsgesetzes oder des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes.96

87Im Bereich europaweiter Vergaben ist bei rechtskräftiger Verurteilung wegen bestimmter Straftatbestände, insbesondere solcher zum Nachteil der Europäischen Union, sogar ein zwingender Ausschluss vorgegeben (im Sektorenbereich nach § 142 Nr. 2 GWB i. V. m. § 100 Abs. 1 GWB nur für öffentliche Auftraggeber nach § 99 Nr. 1–3 GWB, die eine Sektorentätigkeit ausüben), von welchem der Auftraggeber nur in eng begrenzten Fällen absehen kann (§ 123 Abs. 5 GWB). Ein Ausschluss ist in diesen Fällen nur dann entbehrlich, wenn das öffentliche Interesse dies zwingend erfordert, etwa weil andere Unternehmen die Leistung nicht erbringen können oder aber ein Ausschluss auch ohne Berücksichtigung von Selbstreinigungsmaßnahmen offensichtlich unverhältnismäßig wäre; hierfür darf durch die Verfehlung die Eignung des Unternehmens für den konkreten Auftrag nicht(mehr) in Zweifel stehen.

88Eine Verurteilung oder gar deren Rechtskraft sind für die „Nachweislichkeit“ der zum fakultativen Ausschluss berechtigenden Straftaten hingegen nicht erforderlich; es genügt ein konkreter und greifbarer Tatverdacht.97 Dieser ist insbesondere dann zu bejahen, wenn ein Haftbefehl wegen dringenden Tatverdachts beantragt und erlassen worden ist98 oder durch die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben wurde.99

89Der Auftraggeber ist auf die Feststellungen von Strafverfolgungsbehörden und Gerichten indes nicht angewiesen, sondern kann den Nachweis auch selbst führen. Hierbei reichen bloße Verdächtigungen und Vorwürfe indes nicht aus, sondern es müssen zumindest konkrete und belastbare Anhaltspunkte vorliegen, die sich aus Aufzeichnungen, Belegen oder sonstigen Urkunden aus seriösen Quellen ergeben.100 Wegen der Schwierigkeiten eines sicheren Nachweises wird den Auftraggebern ein zurückhaltender Umgang mit Ausschlüssen wegen Straftaten empfohlen, wenn die Schuld des Bieters nicht durch behördliche und/oder gerichtliche Feststellung dokumentiert ist.101

90Entscheidend für die Auswirkungen eines strafbewehrten Verhaltens ist neben Art und Schwere der Straftat auch der zeitliche Zusammenhang mit dem Auftrag. Eine Straftat wird umso eher zur Negierung der Zuverlässigkeit führen müssen, je kürzer der Zeitraum zwischen der Begehung und der formellen Angebotsprüfung im konkreten Vergabeverfahren ist.102

Praxiskommentar VOB - Teile A und B

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