Читать книгу Praxiskommentar VOB - Teile A und B - Susanne Roth - Страница 540

B.Voraussetzungen eines zwingenden Ausschlusses wegen rechtskräftiger Verurteilung nach § 6e EU Abs. 1 VOB/A I.Vorliegen einer rechtskräftigen Verurteilung oder eines rechtskräftigen Bußgeldbescheids (§ 6e EU Abs. 1 und 2 VOB/A)

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6§ 6e EU Abs. 1 VOB/A setzt Artikel 57 Absatz 1 der Richtlinie 2014/24/EU um, der den Ausschluss eines Wirtschaftsteilnehmers für den Fall vorsieht, dass der Auftraggeber Kenntnis von der rechtskräftigen Verurteilung „dieses Wirtschaftsteilnehmers“ hat. In Übereinstimmung mit der Richtlinie, die nicht nur auf eine strafgerichtliche Verurteilung abstellt, sowie dem höherrangingen § 123 GWB nennt auch die VOB/A seit der Überarbeitung im Jahr 2019 neben der Gerichtsentscheidung ausdrücklich noch eine zweite Konstellation, die einen Ausschluss des Teilnehmers aus dem Vergabeverfahren nach sich zieht: Zum einen greift § 6e EU Abs. 1 VOB/A ein, wenn eine natürliche Person, deren Verhalten dem Unternehmen zuzurechnen ist, wegen einer der aufgezählten Straftaten rechtskräftig verurteilt worden ist (zum Begriff der Zurechnung vgl. unten die Kommentierung zu § 6e EU Abs. 3 VOB/A). Zum anderen ist der Tatbestand auch erfüllt, wenn gegen das Unternehmen eine Geldbuße nach § 30 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten festgesetzt worden ist.2 Nicht ausreichen kann dagegen – schon aufgrund des Begriffes der „Verurteilung“ – das Urteil eines Zivil- oder Verwaltungsgerichtes, soweit darin ausnahmsweise Aussagen zu der Begehung einer der genannten Straftaten enthalten sind.

7Rechtskräftig ist eine Verurteilung oder ein Bußgeldbescheid immer dann, wenn entweder kein Rechtsmittel gegen die Entscheidung gegeben ist, wenn die Rechtsmittelfrist abgelaufen ist, ohne dass ein Rechtsmittel eingelegt wurde, wenn alle Parteien den Rechtsmittelverzicht erklärt haben oder alle eingelegten Rechtsmittel zurückgenommen wurden.

8Etwas unklar ist die Formulierung in § 6e EU Abs. 1 VOB/A dahingehend, dass sie den Ausschluss eines „Unternehmens“ vorsieht. Gleichwohl gilt die Regelung auch für Bewerber- bzw. Bietergemeinschaften, die sich an Vergabeverfahren beteiligen.3 Liegt ein zwingender Ausschlussgrund bei einem Mitglied einer Bewerber- oder Bietergemeinschaft vor, schließt der Auftraggeber die Bewerber-/Bietergemeinschaft als solche aus dem Vergabeverfahren aus. Diese Befugnis ergibt sich zwar nicht eindeutig aus dem Wortlaut, jedoch dürfte insoweit die alte Rechtsprechung fortgelten, nach der die Zuverlässigkeit bei jedem Mitglied einer Bietergemeinschaft gegeben sein muss und umgekehrt die Unzuverlässigkeit eines einzigen Mitglieds dazu führt, dass das Angebot als Ganzes nicht gewertet werden kann.4

9Art. 57 der Richtlinie und in der Umsetzung auch § 6e EU Abs. 1 VOB/A enthalten weiterhin einen Katalog von Straftaten, der abschließend ist. Im Falle einer rechtskräftigen Verurteilung aufgrund einer anderen Straftat kommt folglich ein Ausschluss nach § 6e EU Abs. 1 VOB/A nicht in Betracht; der Auftraggeber kann dann nur das Vorliegen eines fakultativen Ausschlussgrundes nach § 6e EU Abs. 6 VOB/A prüfen. Zusammenfassen lassen sich die aufgeführten Straftaten in etwa wie folgt: Auf der einen Seite sind Straftaten zu Lasten des Haushaltes der Europäischen Union (Betrug und Subventionsbetrug) und der Gesellschaft und Werte der Europäischen Union (Bildung krimineller und terroristischer Vereinigungen, Terrorismusfinanzierung) enthalten. Auf der anderen Seite sollen verschiedenste Formen der Korruption (Bestechung und Vorteilsannahme, Geldwäsche etc.) geahndet werden, da diese Straftaten zuvorderst gegen den fairen Wettbewerb gerichtet sind, den das GWB gewähren soll. Neu hinzugekommen durch die Richtlinie 2014/24/EU sind die Tatbestände der Finanzierung des Terrorismus und des Menschenhandels.

10Die Formulierung „zu jedem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens“ macht deutlich, dass es für die Kenntnis des Auftraggebers von einer Verurteilung nicht nur auf den Zeitpunkt der Eignungsprüfung ankommt. Vielmehr muss er ein Unternehmen auch dann ausschließen, wenn er erst im weiteren Verlauf des Verfahrens von der rechtskräftigen Verurteilung erfährt oder eine bereits früher erfolgte Verurteilung erst nach dem Abschluss der Eignungsprüfung rechtskräftig wird.5 Die zeitliche Grenze ist die Zuschlagserteilung. Nach erfolgter Zuschlagserteilung kommt ein Ausschluss nach § 6e EU VOB/A nicht mehr in Betracht; dann greift das Kündigungsrecht des Auftraggebers aus § 133 Abs. 1 Nr. 2 GWB.6

11Der Verurteilung durch ein deutsches Gericht bzw. eine deutsche Behörde stehen eine rechtskräftige Verurteilung oder die Festsetzung einer Geldbuße nach den vergleichbaren Vorschriften anderer Länder gleich (§ 6e EU Abs. 2 VOB/A). Insofern wird der Auftraggeber im Einzelfall prüfen müssen, welche ausländischen Vorschriften das Äquivalent zu dem Katalog der aufgezählten Tatbestände bilden.

Praxiskommentar VOB - Teile A und B

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