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IV.Vereinbarungen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken (§ 6e EU Abs. 6 Nr. 4 VOB/A) 1.Allgemeines

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44§ 6e EU Abs. 6 Nr. 4 VOB/A ersetzt seit der Vergaberechtsreform 2016 den alten § 16 EG Abs. 1 Nr. 1 lit. d VOB/A 2012 und setzt Art. 57 Abs. 4 lit. d der Richtlinie 2014/24/EU um. Er erlaubt dem öffentlichen Auftraggeber den Ausschluss eines Unternehmens, wenn er über hinreichende Anhaltspunkte dafür verfügt, dass das Unternehmen Vereinbarungen mit anderen Unternehmen getroffen oder Verhaltensweisen aufeinander abgestimmt hat, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken. Damit wurde der Tatbestand weiter gefasst als zuvor, indem bereits das Bezwecken einer Wettbewerbsverfälschung als ausreichend angesehen wird. Weder muss es tatsächlich zu einer Wettbewerbsbeschränkung gekommen sein noch ist als ­Resultat der Vereinbarung ein wirtschaftlicher Nachteil des Auftraggebers erforderlich. Erfasst werden nicht nur Fälle von wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen oder Verhaltensweisen im laufenden Verfahren, sondern der Auftraggeber kann einen Ausschluss gemäß § 6e EU Abs. 6 Nr. 4 VOB/A auch auf Verstöße in früheren Verfahren stützen.42 In zeitlicher Hinsicht gilt damit die Höchstgrenze des § 6f EU Abs. 3 Nr. 2 VOB/A.

45Der Begriff der wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung wird von der Rechtsprechung in Anbetracht der elementaren Bedeutung des Wettbewerbsgrundsatzes für das Vergaberecht sehr weit ausgelegt. Erforderlich soll demnach keine ausdrückliche Verständigung zwischen zwei Unternehmen darüber sein, wer welche Leistung zu welchem Preis anbietet. Vielmehr soll eine wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung in der Regel bereits dann angenommen werden, wenn ein Angebot in Kenntnis der Bedingungen des Konkurrenzangebots, zumindest aber wesentlicher Angebotsgrundlagen, erstellt wird.43 Zurecht gibt es hierzu in der Literatur verschiedene kritische Stimmen,44 wird auf diese Weise doch eine für die Bieter negative, grundrechtsrelevante Regelung deutlich über ihren Wortlaut hinaus ausgedehnt. Zwar liegt im Falle einer Angebotsabgabe in Kenntnis der Bedingungen eines Konkurrenzangebots unstreitig ein Verstoß gegen den Geheimwettbewerb vor. Von einer Vereinbarung, die der Wortbedeutung nach zumindest irgendeine Form des Zusammenwirkens erfordert, kann jedoch keine Rede sein.

46Dagegen sind die Voraussetzungen für einen Ausschluss nach § 6e EU Abs. 6 Nr. 4 VOB/A unzweifelhaft immer dann erfüllt, wenn zwei Unternehmen sich in irgendeiner Weise verständigen mit dem Ziel, den Wettbewerb einzuschränken. Dem Wortsinn nach ist dabei, wenn nicht die Erzielung einer Übereinkunft, so doch zumindest Kommunikation zwischen zwei Parteien zu fordern. Hierbei kann ein Bezug zu einem konkreten Vergabeverfahren bestehen, erforderlich ist dies nach dem Wortlaut jedoch nicht.

Mit der Überarbeitung der VOB/A 2019 wurde in § 6e EU Abs. 6 Nr. 4 VOB/A zusätzlich der Tatbestand „aufeinander abgestimmter Verhaltensweisen“ aufgenommen, der seit 2017 bereits in § 124 GWB enthalten war. Begründet wurde die Änderung des GWB damit, dass im Kartellrecht die Tatbestandsalternativen der Vereinbarung und der abgestimmten Verhaltensweise gleichwertig nebeneinanderstehen. Da bei kartellrechtlichen Ermittlungen in der Praxis häufig offen gelassen wird, welche Alternative verwirklicht wurde, soll durch die Neufassung ein Gleichklang zwischen den Rechtsgebieten hergestellt und dadurch auch die vergaberechtliche Prüfung vereinfacht werden.45

Praxiskommentar VOB - Teile A und B

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