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D.Absehen vom Ausschluss aus Gründen des öffentlichen Interesses oder der Verhältnismäßigkeit (§ 6e EU Abs. 5 VOB/A)

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22§ 6e EU Abs. 5 VOB/A eröffnet dem öffentlichen Auftraggeber die Möglichkeit, in Ausnahmefällen von dem – eigentlich zwingenden – Ausschluss eines Unternehmens abzusehen. Dabei unterscheidet die VOB/A zwischen dem zwingenden Ausschluss nach Abs. 1 wegen einer rechtskräftigen Verurteilung und dem zwingenden Ausschluss nach Abs. 4.

23§ 6e EU Abs. 5 Satz 1 VOB/A lässt die Beauftragung eines Unternehmens, das gemäß § 6e EU Abs. 1 VOB/A auszuschließen wäre, zu, wenn zwingende Gründe des öffentlichen Interesses dies gebieten. Weder die VOB/A noch die Parallelvorschrift des § 123 GWB enthalten eine Konkretisierung des Begriffs der „zwingenden Gründe des öffentlichen Interesses“. Einziger Anhaltspunkt ist daher Erwägungsgrund 100 der Richtlinie 2012/24/EU, der dringend benötigte Impfstoffe oder Notfallausrüstungen erwähnt, die nur von einem einzigen Wirtschaftsteilnehmer geliefert werden können, der jedoch einen zwingenden Ausschlussgrund erfüllt. Daraus lässt sich ableiten, dass die Regelung – wie Ausnahmetatbestände grundsätzlich – sehr restriktiv auszulegen ist. Es muss eine konkrete Gefährdung bedeutender Rechtsgüter vorliegen, um den Tatbestand von § 6e EU Abs. 5 VOB/A zu erfüllen.

Auf Rechtsfolgenseite räumt die Vorschrift dem Auftraggeber Ermessen ein. Dieser kann von dem Ausschluss absehen, ein Anspruch auf eine Beauftragung von Seiten des Unternehmens besteht nicht.13

24Im Falle eines Ausschlussgrundes nach § 6e EU Abs. 4 VOB/A kann der Auftraggeber von einem Ausschluss absehen, wenn dies aus zwingenden Gründen des öffentlichen Interesses geboten ist oder ein Ausschluss offensichtlich unverhältnismäßig wäre. Dadurch soll verhindert werden, dass beispielsweise ein Unternehmen ausgeschlossen wird, dass nur geringfügige Beträge nicht gezahlt hat oder erst so spät über den genauen geschuldeten Betrag unterrichtet wurde, dass es nicht mehr möglich war, die Zahlung vor dem Ablauf der Teilnahme-/Angebotsfrist durchzuführen.14 Auch hier handelt es sich um eine Ermessensentscheidung des öffentlichen Auftraggebers.

25Gemäß § 6e EU Abs. 5 Satz 3 VOB/A bleiben die Regelungen zur Selbstreinigung in den § 6f EU Abs. 1 und 2 VOB/A unberührt. Dadurch wird klargestellt, dass den Unternehmen jederzeit die Möglichkeit offensteht, eine erfolgreiche Selbstreinigung nach den § 6f EU Abs. 1 und 2 VOB/A nachzuweisen. Ist ihnen dies gelungen, findet § 6e EU Abs. 5 VOB/A keine Anwendung. Der Auftraggeber muss in diesem Fall von dem Ausschluss des Unternehmens aufgrund des Ausschlussgrundes absehen; Ermessen steht ihm dabei keines zu.

26Auch wenn § 6e EU Abs. 5 VOB/A nicht ausdrücklich auf § 6f EU Abs. 3 VOB/A verweist, gilt gleichwohl auch die dort in Nr. 1 enthaltene Maximalfrist für einen Ausschluss nach § 6e EU Abs. 1–4 VOB/A. Das ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschrift, ohne dass ein ausdrücklicher Hinweis notwendig wäre. Denn gemäß § 6f EU Abs. 3 Nr. 1 VOB/A darf ein Unternehmen, bei dem ein Ausschlussgrund nach § 6e EU Abs. 1 bis 4 VOB/A vorliegt, höchstens für einen Zeitraum von fünf Jahren ab dem Tag der rechtskräftigen Verurteilung von der Teilnahme an Vergabeverfahren ausgeschlossen werden. Ist diese Frist abgelaufen, besteht für eine Ermessensentscheidung des Auftraggebers, ausnahmsweise von einem Ausschluss abzusehen, kein Raum mehr.

Praxiskommentar VOB - Teile A und B

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