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II.Aktive Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden und dem Auftraggeber (§ 6f EU Abs. 1 Nr. 2 VOB/A)

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10Gemäß § 6f EU Abs. 1 Nr. 2 VOB/A wird von dem Unternehmen erwartet, dass es die Tatsachen und Umstände, die mit der Straftat oder dem Fehlverhalten in Zusammenhang stehen, durch aktive Zusammenarbeit sowohl mit den Ermittlungsbehörden als auch mit dem öffentlichen Auftraggeber umfassend aufklärt.10

11Mit der Anforderung einer aktiven Zusammenarbeit auch mit dem Auftraggeber gehen die deutschen Verfasser des GWB und der VOB/A über den Wortlaut der Richtlinie hinaus, die lediglich von „Ermittlungsbehörden“ spricht. In der Gesetzesbegründung wird diese Erweiterung neben einem Verweis auf die bisherige Rechtsprechung mit dem Sinn und Zweck der Regelung sowie der englischen und französischen Sprachfassung der Richtlinie begründet.11 An diesem Verständnis der Richtlinie hat die Vergabekammer Südbayern in einer Entscheidung aus dem Frühjahr 201712 Zweifel geäußert und die Frage dem EuGH vorgelegt. Als Argument führt sie u. a. an, dass strengere nationale Regelungen grundsätzlich nur zur Schaffung von mehr Wettbewerb zulässig seien, nicht aber – wie hier – wettbewerbseinschränkend wirken dürfen. Die Regelung sollte daher nach Ansicht der VK zumindest einschränkend dahingehend zu verstehen sein, dass eine Zusammenarbeit mit dem Auftraggeber lediglich im Hinblick auf solche Umstände gefordert werden kann, die dieser für seine Eignungsprüfung benötigt.13

Auch der EuGH lässt in seinem Urteil erkennen, dass er die Doppelrolle sieht, in der sich z. B. ein kartellgeschädigter öffentlicher Auftraggeber befindet. Einerseits benötigt er Angaben von dem Bieter, um eine mögliche Selbstreinigung prüfen zu können. Andererseits kann er aus den Dokumenten des Bieters möglicherweise Informationen für eine eigene Schadensersatzklage entnehmen. Vor diesem Hintergrund hat der EuGH eine differenzierende Antwort gegeben. Da Deutschland es im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie dem öffentlichen Auftraggeber übertragen hat, das Vorliegen einer erfolgreichen Selbstreinigung zu prüfen und zu bewerten, muss der Bieter auch mit ihm zusammenarbeiten und die notwendigen Informationen aushändigen. Dabei soll die Pflicht zur Zusammenarbeit jedoch auf die Maßnahmen beschränkt bleiben, die für die Prüfung der Zuverlässigkeit des Wirtschaftsteilnehmers unbedingt erforderlich sind.14

Welche konkreten Handlungen nach diesem Maßstab von Seiten des Unternehmens erforderlich sind, lässt sich nur im Einzelfall beurteilen. Im Falle des Vorwurfs eines Kartellrechtsverstoßes gehört jedenfalls die Aushändigung der betreffenden Entscheidung der Wettbewerbsbehörde an den Auftraggeber dazu.15 Allgemein wird man verlangen müssen, dass die Bieter sämtliche Unterlagen und Informationen, die für die Prüfung relevante Informationen enthalten, zur Verfügung stellen. Zudem hat das betroffene Unternehmen auch intern Untersuchungen durchzuführen und die Verantwortlichkeiten zu klären, wobei auch die Beauftragung unabhängiger dritter Personen mit der Prüfung erforderlich sein kann.16

12Der grundsätzliche Zielkonflikt, der dem Teilnehmer an einem Vergabeverfahren durch die Erwartungshaltung einer aktiven Mitwirkung bei der Aufklärung auferlegt wird, ist – das wurde spätestens durch die EuGH-Entscheidung17 noch einmal klargestellt – zu akzeptieren. Jedem Unternehmen steht es frei, im Hinblick auf ein etwaiges laufendes Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren aus Verteidigungsgesichtspunkten Informationen zurückzuhalten und damit den Ausschluss aus einem Vergabeverfahren in Kauf zu nehmen. Möchte es dagegen den Zuschlag erhalten, wird berechtigterweise eine aktive Mitwirkung gefordert. Denn nur durch Aufklärung kann ähnliches Fehlverhalten in der Zukunft verhindert und eine positive Prognose für die Eignung des Bewerbers erreicht werden. Verlangt werden dürfen allerdings nur solche Unterstützungshandlungen, die für das Unternehmen möglich und unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zumutbar sind.18

Praxiskommentar VOB - Teile A und B

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