Читать книгу Praxiskommentar VOB - Teile A und B - Susanne Roth - Страница 565

III.Technische, organisatorische und personelle Maßnahmen (§ 6f EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A)

Оглавление

13Als dritten Bestandteil der Selbstreinigung fordert § 6f EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A konkrete technische, organisatorische und personelle Maßnahmen, die geeignet sind, weitere Straftaten oder weiteres Fehlverhalten zu vermeiden.19 Damit wird den Maßnahmen der Nummern 1 und 2, die sich auf die Aufklärung und Wiedergutmachung der begangenen Taten beziehen, eine dritte, präventiv geprägte Komponente hinzugefügt. Denn Ziel des § 6f EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A ist nicht eine weitere Sanktion, sondern die Vermeidung von Straftaten oder sonstigem Fehlverhalten in der Zukunft.20 Erst dadurch wird der Auftraggeber in die Lage versetzt, eine positive Prognoseentscheidung dahingehend zu treffen, dass ein derartiges Fehlverhalten nicht erneut vorkommt. Entgegen dem etwas missverständlichen Wortlaut der Gesetzesbegründung kann von den Unternehmen nicht verlangt werden, durch die Maßnahmen sämtliches Fehlverhalten für die Zukunft vollständig auszuschließen. Dies ist schlechterdings für jedes Unternehmen unmöglich. Der Schwerpunkt der zu ergreifenden Maßnahmen muss daher darauf liegen, einer erneuten Begehung der gleichen Straftat bzw. des gleichen Fehlverhaltens entgegenzuwirken. Gleichzeitig sind, sofern derartiges noch nicht besteht, allgemeine Maßnahmen zu ergreifen, die zumindest bekannte Risiken minimieren und dadurch allgemein die Gefahr von Straftaten im Unternehmen reduzieren.21

14Welche Maßnahmen jeweils konkret geeignet sind, kann nicht pauschal beurteilt werden, sondern ist anhand der Umstände des Einzelfalls zu ermitteln. Die in Erwägungsgrund 102 der Richtlinie 2014/24/EU erläuterten Compliance-Maßnahmen können daher lediglich einen ersten Anhaltspunkt bilden und sind weder verbindlich noch abschließend. Beispielhaft genannt werden: Personal- und Organisationsmaßnahmen wie der Abbruch aller Verbindungen zu an dem Fehlverhalten beteiligten Personen oder Organisationen, geeignete Personalreorganisationsmaßnahmen, die Einführung von Berichts- und Kontrollsystemen, die Schaffung einer internen Audit-Struktur zur Überwachung der Compliance und die Einführung interner Haftungs- und Entschädigungsregelungen.

15Anerkannt wurde in der Vergangenheit bereits eine Gesamtheit von Maßnahmen, im Zuge derer die Tätigkeit der rechtskräftig verurteilten Mitarbeiter des Unternehmens für die Unternehmensgruppe beendet wurde und der rechtskräftig verurteilte Gesellschafter auf die Ausübung seiner Gesellschafterrechte unwiderruflich verzichtete, keinen Einfluss mehr auf Entscheidungen des Aufsichtsrates, der Geschäftsleitung oder sonstiger strategischer oder operativer Gremien der Unternehmensgruppe ausübte und zusagte, nicht mehr als Gesellschafter aufzutreten.22 In organisatorischer und präventiver Hinsicht wurden die Trennung von Verwaltung und operativem Bereich, die Einrichtung einer neuen Abteilung Revision/Compliance, die Einrichtung einer Clearingstelle, die sich mit der Angebots- und Auftragsstrategie befasst und diese hinterfragen soll, die künftige externe anwaltliche Prüfung externer Provisions- und Beraterverträge, die Einführung eines Wertemanagements in der Unternehmensgruppe sowie der Beitritt zum „Ethik-Management der Bauwirtschaft e. V.“ positiv bewertet.23 Ebenfalls bejaht wurde eine erfolgreiche Selbstreinigung nach Korruptionsvorwürfen durch die Trennung von sämtlichen beteiligten und der Mitwisserschaft verdächtigen Mitarbeitern, einer Neuordnung der Entscheiderstrukturen und der Umverteilung von Prokura und Handlungsvollmachten nur noch an über jeden Verdacht erhabene Mitarbeiter.24 Als grundsätzlich sinnvoll werden auch eine Ausweitung des 4-Augen-Prinzips25 und die Einsetzung eines Compliance-Beauftragten26 eingeschätzt.

16Bei personellen Maßnahmen gegen für das Unternehmen tätige Personen ist im Einzelfall zu entscheiden, welches Mittel das mildeste, geeignete und erforderliche ist, um das Fehlverhalten in der Zukunft zu vermeiden. Bei schwerem Fehlverhalten wird nur eine Kündigung oder ein Aufhebungsvertrag in Betracht kommen. In weniger gravieren Fällen können u. U. auch Abmahnungen27 oder eine Versetzung ausreichend sein.

Im Falle des Fehlverhaltens eines Gesellschafters ist es maßgeblich für eine erfolgreiche Selbstreinigung, dass sein Einfluss auf das operative Geschäft beendet oder jedenfalls derart beschränkt wird, dass er ein vergleichbares Fehlverhalten nicht mehr begehen kann.28 Dabei ist die formale Position zweitrangig, entscheidend sind die tatsächlichen Einflussnahmemöglichkeiten. So kann nicht von einer erfolgreichen Selbstreinigung ausgegangen werden, wenn ein Gesellschafter zwar seine Tätigkeit als Geschäftsführer formal niederlegt, etwa über stille Treuhandverträge aber weiterhin Einfluss auf die Entscheidungen des Unternehmens nimmt.29

Praxiskommentar VOB - Teile A und B

Подняться наверх