Читать книгу Praxiskommentar VOB - Teile A und B - Susanne Roth - Страница 77
Оглавление46Vielmehr ist entscheidend, wie er Risiken verteilen und die Kompetenz der ausführenden Unternehmen einbinden will. Soweit seine Entscheidung sachlich gerechtfertigt und nichtdiskriminierend ist, genießt der öffentliche Auftraggeber hier Entscheidungsfreiheit. Bei Tiefbauarbeiten sind unerwartete Baugrundverhältnisse mit Auswirkungen auf die auszuführenden Leistungen oder Mengenabweichungen nicht selten, sodass die nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 VOB/A vorgesehenen Voraussetzungen für den Abschluss eines Pauschalpreisvertrages regelmäßig nicht erfüllt sind.33 Ebenso dürften bei der Wasserhaltung in der Regel die Voraussetzungen nicht vorliegen.34
47Regelmäßig werden bei der Wahl des Global-Pauschalvertrages verschiedene Leistungen gebündelt. Soweit nach der Leistungsbestimmung des öffentlichen Auftraggebers eine Fach- und Teillosvergabe überhaupt noch möglich ist, erfordert die Losbündelung nach § 97 Abs. 4 GWB bzw. § 5 Abs. 2 VOB/A wirtschaftliche oder technische Gründe.
48Soweit nur teilweise die o. g. Voraussetzungen für einen Pauschalvertrag i. S. v. § 4 EU Abs. 1 Nr. 2 VOB/A vorliegen, etwa weil Risiken zu große Wagnisse für einzelne Leistungen begründen, können verschiedene Vergütungsvereinbarungen auch kombiniert werden. In dem Fall werden einzelne Leistungen zum Pauschalpreis und andere z. B. mit einem Einheitspreisvertrag vergeben (gemischter Vertrag).35
49Weitgehend unstreitig ist, was beim Pauschalvertrag eigentlich pauschaliert wird. Während nach Meinung der einen durch den Abschluss des Pauschalvertrages (nur) der in der Leistungsbeschreibung enthaltene Leistungsinhalt und der in den Vordersätzen des Leistungsverzeichnisses ausgewiesene Leistungsumfang pauschal isoliert werden, wird nach Meinung anderer durch den Pauschalvertrag (nur) der für die vereinbarte Leistung zu entrichtende Preis pauschaliert. Demgegenüber geht der wohl überwiegende Teil des Schrifttums davon aus, dass durch den Abschluss des Pauschalvertrages „zumindest gleichrangig“ sowohl die Leistung als auch der Preis pauschaliert werden, was sich zwangsläufig aus der Grundstruktur des Pauschalpreises, nämlich der prinzipiellen Loslösung gerade der Vergütung von den Einzelheiten der bei Vertragsschluss festgelegten zu erbringenden Leistungen ergeben soll.36
50Darin zum Ausdruck kommt die Grauzone einer exakten Bestimmung. Jedenfalls wird in erster Linie bei einem Pauschalvertrag der Preis pauschaliert. § 4 Abs. 1 VOB/A ist eine Bestimmung zur Vergütungsabrede und hat deshalb die Art und Weise der Vergütungsberechnung zum Gegenstand. Zur Ermittlung des Pauschalpreises bedarf es – anders als bei der Abrechnung nach Einheitspreisen – nach Ausführung der Leistung keines Aufmaßes und keiner spezifizierten Abrechnung.37 Allerdings ist zur Fälligkeit des Anspruchs auf den Restwerklohn (Schlusszahlung) auch beim Pauschalvertrag neben der Abnahme der Werkleistung die Erteilung einer prüffähigen Schlussrechnung über den Pauschalpreis erforderlich.
51Im Gegensatz zum Einheitspreisvertrag wird beim Pauschalvertrag die Leistung regelmäßig nur in dem Sinne pauschaliert, dass auf die genaue nachträgliche Bestimmung des quantitativen Leistungsumfangs verzichtet und kein Aufmaß genommen wird, sodass Massenverschiebungen grundsätzlich unberücksichtigt bleiben. Die Leistung wird also hinsichtlich der Massen = Mengen pauschaliert bei gleichzeitigem Ausschluss der Preisanpassungsmöglichkeit nach § 2 Nr. 3 VOB/B, die auf den Einheitspreisvertrag beschränkt ist. Dagegen bezieht sich die Pauschalierung im Normalfall nicht auf die qualitative Seite der Leistung, d. h. Leistungsinhalt und Leistung werden nicht pauschaliert. Die Pauschalierung der Leistung reicht also nur so weit, wie der dem Pauschalvertrag zugrunde liegende Leistungsgegenstand und die ausgeführte Leistung übereinstimmen und qualitativ identisch sind. Letzteres ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 4 Abs. 1 Nr. 2 VOB/A.
52Der Bieter soll nach dieser Vorschrift darauf vertrauen dürfen, dass bei der Vergabe eines Pauschalvertrages er den Leistungsgegenstand allein aus der Leistungsbeschreibung erfassen und den Preis somit auskömmlich kalkulieren kann. Im Oberschwellenbereich entfaltet diese Bestimmung als Teil des Kartellvergaberechts dann insofern bieterschützende Wirkung, als dass sich der unterlegene Bieter bei Verletzung im Nachprüfungsverfahren hierauf berufen kann.38 Bei der Vergabe im unterschwelligen Bereich kommt dieser Regelung zwar lediglich verwaltungsinterner Charakter zu, bei einem erheblichen Verstoß gegen den Vertrauensgrundsatz oder den Wettbewerbsgrundsatz ist diese Vorschrift als Rechtsgrundlage für einen Schadensersatzanspruch denkbar.
53Die unterschiedlichen Spielarten der Pauschalverträge werden in der VOB/A nicht genannt. Die Ausgestaltung soll auch weiterhin der Vertragsautonomie unterliegen. Dadurch dass Nr. 2 den speziellen Typus offenlässt, ist zu schließen, dass im Rahmen der Vergabe unterschiedliche Varianten vereinbart werden können.
54c) Arten des Pauschvertrages. Im Fall des Detail-Pauschalvertrages stammt die Planung und die Ausschreibung vom Auftraggeber. Die Ausschreibung erfolgt in der Form der Leistungsbeschreibung mit Leistungsverzeichnis und entspricht auch im Übrigen in Grundsätzen des § 7 VOB/A. Die Leistung selbst ist nach Ausführungsart und Umfang genau bestimmt; mit einer Änderung bei der Ausführung ist dann nicht zu rechnen. Der Auftragnehmer trägt nur das Risiko quantitativer Leistungsänderungen; seine Leistung ist, wie vorstehend erwähnt, nur hinsichtlich der Massen bzw. Mengen pauschaliert, im Übrigen jedoch nicht. Alle qualitativen Abweichungen von der dem Pauschalvertrag zugrunde liegenden Planung und Ausschreibung des Auftraggebers stellen sich dann als Änderungen bzw. zusätzliche Leistungen dar und begründen Mehrvergütungsansprüche nach § 2 Abs. 7 VOB/B.
55Beim sogenannten erweiterten Pauschalvertrag stellt der Auftraggeber die Planung bei, die Aufstellung der Leistungsbeschreibung samt Leistungsverzeichnis dagegen und die gesamte Leistungsermittlung bleibt dem Auftragnehmer überlassen. Wird dann ein Pauschalpreis vereinbart, wird auch die Leistungspflicht des Auftragnehmers wesentlich weiter gehen pauschaliert als beim Detail Pauschalvertrag. In diesen Fällen geht zusätzlich zum lediglich quantitativen Massen- bzw. Mengenrisiko das Risiko der Leistungsermittlung in qualitativer Hinsicht insoweit ebenfalls zulasten des Auftragnehmers. Er muss dafür einstehen, dass die Leistung qualitativ hinsichtlich Inhalt, Umfang und Gegenstand entsprechend der Planung des Auftraggebers richtig und vollständig ermittelt wird. Mit dem vereinbarten Pauschalpreis ist alles abgegolten, was zur Erreichung dieses Planungszieles erforderlich ist. Die Pauschalierung der Leistung gilt auch für Änderungen und Zusatzleistungen gegenüber der Leistungsermittlung des Auftragnehmers, die im Rahmen des durch die Planung des Auftraggebers vorgegebenen Leistung im Rahmen des durch die Planung des Auftraggebers vorgegebenen Leistungzieles liegen. Über den Pauschalpreis hinausgehende Mehrvergütungsansprüche gemäß § 2 Nr. 7 VOB/B sind hier nur insoweit gerechtfertigt, als sich die Planung des Auftraggebers ändert, d. h. hiervon abweichende oder gegenüber dieser Planung zusätzliche Leistungen erforderlich sind.
56Beim Global-Pauschalvertrag obliegt dem Auftragnehmer auch die Planung, also zum Beispiel eine Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm, wenn zusammen mit der Bauausführung auch der Entwurf für die Leistung dem Wettbewerb unterstellt wird. Dann hat der Auftragnehmer die gesamte Planung und Leistungsermittlung zu erstellen, wodurch bei Vereinbarung eines Pauschalpreises seine Leistungen noch weiter pauschaliert werden. In diesem Fall sind alle Unrichtigkeiten und Unvollständigkeiten der Planung und Leistungsermittlung das Risiko des Auftragnehmers und gehen zu seinen Lasten. Mit dem vereinbarten Pauschalpreis ist alles abgegolten, was zur Erfüllung der vom Auftraggeber gestellten Aufgabe in planungs- und leistungsmäßiger Hinsicht erforderlich ist. Die Möglichkeit des Auftragnehmers, Mehrvergütungsansprüche wegen Änderungs- und Zusatzleistungen geltend zu machen, reduziert sich auf die Fälle, in denen der Auftraggeber auch über den so erweiterten Leistungsbereich hinaus Mehrleistungen wünscht, also gegenüber der Planungs- und Leistungsermittlung des Auftragnehmers Änderungen und/oder Zusatzleistungen verlangt.