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FERMENTIEREN
ОглавлениеWas auf der einen Seite des kulinarischen Dreiecks das Garen durch Kochen und Schmoren ist, ist auf der anderen Seite der Prozess der Fermentation. Auch hier entfernt sich das Gemüse schrittweise von seinem Rohzustand und verändert sich in Textur, Aroma und Geschmack.
Fermentation und sauer Einlegen dienen traditionell der Haltbarmachung. Die Unterschiede zwischen beiden Methoden sind gravierend. Bei der Fermentation werden frische (ggf. blanchierte) Lebensmittel Mikroorganismen (meist Lactobakterien) ausgesetzt, die vorhandene Zucker in Milchsäure umwandeln. Dazu schneidet oder hobelt man roh essbare Gemüse in dünne Scheiben, salzt sie und verschweißt sie luftdicht in sous-vide-Garbeuteln. Danach legt man sie im Winter auf die Heizung, im Sommer in den Backofen bei eingeschalteter Beleuchtung, sodass die Temperatur um 30 °C liegt. Nach und nach bläht sich der Beutel auf, es bildet sich das Gärgas Kohlendioxid. Nach sechs bis acht Tagen ist das Gemüse fermentiert und schmeckt wunderbar milchsauer. Während dieses Prozesses wird der pH-Wert so weit gesenkt, dass eine Haltbarkeit erreicht ist. Bei pH-Werten von 4,5 bis 6 können die meisten Keime wie Hefe, Schimmel und Bakterien, die für den Verderb von Lebensmitteln verantwortlich sind, wachsen. Bei pH-Werten unter 4,0 nehmen die Wachstumsraten deutlich ab, mit Ausnahme der Milchsäurebakterien, die sich bis zu Werten um 3,0 noch vermehren kann. Ihre Aktivität senkt den pH-Wert weiter, solange Zucker (die enzymatisch in Glucose umgewandelt werden können) vorhanden sind. Schließlich wird die saure Umgebung selbst den Milchsäurebakterien zu unwirtlich, und sie stellen ihre Enzymproduktion ein. Die kritische Phase liegt in der ersten Zeit der Fermentation, wenn der pH-Wert noch über 3,5 liegt und pathogene Keime wachsen können. Das wird durch das beim Fermentieren zugegebene Salz verhindert, denn salztolerante Keime kommen in Lebensmittel (bei hinreichender Hygiene) selten vor. Ein ausreichend hoher Salzgehalt (2 bis 4 Prozent des Gemüsegewichts) ist beim Fermentieren bei Temperaturen um 30 °C ein wichtiger Faktor der Lebensmittelsicherheit.
Eine weitere Möglichkeit der Fermentation ist der Einsatz von Misopasten. Diese pilz- und enzymreichen Pasten erlauben auch einen enzymatischen Abbau von Kohlenhydraten und Proteinen. Nach längerer Fermentationszeit (mehr als 4 Wochen) verändert sich die Struktur merklich. Zugleich entstehen Aromen, die an Sojasauce erinnern und für einen weitgehenden Proteinabbau sprechen. Dieses „enzymatische Kochen“ ist die Grenze zwischen pseudoroh und vollkommen fermentiert. Trotz der Fermentationstemperatur unter 42 °C treten dann Prozesse auf, wie sie vom Kochen bekannt sind. Bei dieser Mischfermentation von Pilzen, Milchsäurebakterien und Hefen multiplizieren sich Nährstoffe, denen man eine positive gesundheitliche Wirkung zuschreibt.
Links: Das Wachstum von Keimen ist stark vom pH-Wert beeinflusst. Die meisten pathogenen Keime vermehren sich bei pH-Werten unter 4,0 deutlich verhaltener. Milchsäurebakterien sind mit die säuretolerantesten Keime im Lebensmittelbereich. Rechts: Das Salz verhindert Keimwachstum in der kritischen Phase, solange der pH-Wert über 3,5 liegt.
SAUER EINLEGEN Beim Sauereinlegen kommt die Säure von „außen“: Frische (ggf. blanchierte) Lebensmittel werden bei der Zugabe von Säure bei einem pH-Wert von etwa 3 heiß übergossen bzw. eingekocht. Der pH-Wert dieses Suds ist bereits so niedrig, dass eine Fermentation über Vermehrung von Keimen und damit einhergehender Enzymausschüttung nicht mehr in diesem Maße möglich ist. Meist werden einlegte Gemüse sterilisiert. Darüber hinaus werden beim Einmachen Temperaturen über 70 °C erreicht, dabei werden vorhandene Restkeime inaktiviert. Das Einlegen von Gemüse in einen sauren Sud hat daher nichts mit Fermentation zu tun. Beide Präparationen sind zwar „sauer“, aber mit unterschiedlichen Säuren. Auch der „Weg zur Säure“ ist vollkommen unterschiedlich. Beim Einlegen wird der saure Grundgeschmack durch die zugegebene Säure festgelegt (traditionellerweise Zitronen- und Essigsäure, in der modernen Küche aber auch andere). Diese hat gleichzeitig einen großen Einfluss auf die Textur, Farbentwicklung und den Flavoureindruck. Alle Veränderungen der Lebensmittel (z. B. saure Gurken, Mixed Pickles) werden durch die Inhaltsstoffe der Gemüse, des Suds und der dabei verwendeten Kräuter und Gewürze vorgegeben.