Читать книгу Faith und Leathan - Ursula Tintelnot - Страница 10

Ka­pi­tel 2 Moor­wei­ber

Оглавление

In dem gro­ßen Raum, des­sen Fens­ter­tü­ren zum Park hin­aus führ­ten, lärm­ten die Dun­kel­al­ben Lea­thans.

Sie ge­nos­sen die ge­won­ne­ne Frei­heit. Kas­tor, ihr An­füh­rer, brüs­te­te sich da­mit, dass er mehr Wild­p­fer­de ein­ge­fan­gen hat­te, als je­der an­de­re der El­fen. Es wa­ren raue, im­mer in Schwa­rz ge­klei­de­te Ge­sel­len mit selt­sam to­ten Au­gen, gut aus­ge­bil­de­te El­fen, die sich ohne Skru­pel nah­men, was sie be­gehr­ten. Sie tran­ken mehr, als ih­nen gut tat. Aber ih­nen fehl­ten die Wei­ber.

Ma­ga­lie hat­te, au­ßer der Hexe Si­be­ria, kei­ne der Feen zum Stein­tod ver­dammt. Die Wei­ber wa­ren alle mit Na­than und Maia in die Fel­sen­burg zu­rück­ge­kehrt.

Die Feen wa­ren schön, ver­füh­re­risch, in­tri­gant und ver­wöhnt. Köst­li­che Be­loh­nung für die Män­ner, die nach der Jagd oder wäh­rend der durch­zech­ten Näch­te Ent­span­nung such­ten. Sie fehl­ten jetzt den Män­nern.

Ate­na über­flog die Um­ge­bung. Sie sah Wild­p­fer­de, die ein­ge­pfercht hin­ter dem Pa­last stan­den. So schön wie die durch­weg schwa­r­zen Pfer­de, die Lea­than nor­ma­le­r­wei­se be­vor­zug­te, wa­ren sie nicht. Ge­schieht euch recht, dach­te sie. Vier ge­lang­weil­te Wa­chen um­run­de­ten den Pferch.

Kei­ner nahm die wei­ße Eule wahr, die sich un­hör­bar auf ei­ner Mau­er im Park nie­der­ließ. Sie leg­te die Flü­gel an, trip­pel­te ein we­nig hin und her und leg­te den Kopf schief, um bes­ser in den hell er­leuch­te­ten Saal hin­ein­schau­en zu kön­nen. »War­um braucht ihr Fle­gel so viel Licht«, grum­mel­te sie. »Wäre bes­ser, man könn­te euch Ker­le gar nicht se­hen. Ver­bre­cher­vi­sa­gen.«

Aber ei­ner er­spür­te sie doch. Mu­rat lag un­ter Lea­thans Stuhl. Der graue Wolf ver­schmolz bei­na­he mit dem Stein des Bo­dens. In Lea­thans Ge­gen­wart mach­te er sich so un­auf­fäl­lig wie mög­lich. Sein Herr war un­be­re­chen­bar, jäh­zor­nig und grau­sam. Da drau­ßen war Ri­chard. Er hat­te ihn längst ge­wit­tert. Mu­rat be­ob­ach­te­te die Eule. Sie hüpf­te auf den Weg, dann war sie nicht mehr zu se­hen.

Das Licht aus den Fens­tern mal­te un­re­gel­mä­ßi­ge Mus­ter auf die von me­tal­le­nen Feu­er­kör­ben ge­säum­ten Wege, Kör­be, in de­nen dun­kel­ro­te Glut glomm. Das kleb­rig süße Pa­r­fum lack­schwa­r­zer Li­li­en ver­gif­te­te die Luft.

Der See lag still und dun­kel da. Eine di­cke Schicht fau­li­ger Blät­ter wa­ber­te auf dem Was­ser. Hier hat­te sich we­nig ver­än­dert. Sie er­kann­te, war­um die Moor­wei­ber auf ih­rem Weg hier­her nicht zu se­hen ge­we­sen wa­ren. In den Bü­schen rund um den See, im Wald da­hin­ter hör­te sie die neu­gie­ri­gen Wei­ber. Mit ih­ren Eu­le­noh­ren hör­te Ate­na je­des noch so lei­se Ge­räusch, und ihre scha­r­fen Au­gen er­kann­ten sie in ih­ren Ver­ste­cken. Sie wür­den sich an die El­fen her­an­ma­chen, wenn sie die Chan­ce dazu be­kä­men. Mit ih­rem zau­ber­haf­ten Aus­se­hen wür­den sie einen der Ker­le ver­füh­ren, einen gab es im­mer, der sich nicht be­herr­schen konn­te. Him­mel, wa­ren die­se Bur­schen dumm. Die Eule roll­te mit den Au­gen, wenn sie dar­an dach­te, wie scheuß­lich ob­szön die­se Schlam­pen aus­sa­hen, wenn sie tö­te­ten.

Ate­na dreh­te in der Nähe ei­ner ge­öff­ne­ten Tür den Kopf um hun­dert­acht­zig Grad. Sie woll­te hö­ren und se­hen, was Lea­than und sei­ne An­hän­ger aus­heck­ten. Aber vor­läu­fig hör­te sie nur ihr Ge­grö­le und das ty­pi­sche Ge­ha­be, mit dem ei­ner den an­de­ren über­trump­fen woll­te. Als ei­ner der El­fen die Tür schloss, um­gab sie eine un­heim­li­che Stil­le.

Sie frag­te sich, wo Si­be­ria war. Vor ihr muss­te sie sich in Acht neh­men. Die Hexe könn­te er­ken­nen, dass sie es nicht mit ei­ner ge­wöhn­li­chen Eule zu tun hat­te.

Plötz­lich wuchs ein Laut em­por, schwoll an zu ei­nem bes­ti­a­li­schen, ge­quäl­ten Schrei. Der Schrei ei­nes zu Tode ge­pei­nig­ten, ver­letz­ten Tie­res. Wer ihn hör­te, wür­de ihn nie mehr ver­ges­sen. Ate­na er­kann­te in ihm ein Fle­hen um Er­bar­men, um Er­lö­sung. Sie hat­te ge­hofft, ihn nie mehr wie­der zu hö­ren. Sie flog hoch und nahm Kurs in sei­ne Rich­tung.

Sie ahn­te, was ge­ra­de ge­sche­hen war.

Einen gab es im­mer, dach­te sie wie­der.

Sie schweb­te über dem Ge­he­ge der Wild­p­fer­de, das von den vier El­fen be­wacht wor­den war. Drei von ih­nen stan­den in ei­ner Art Schock­star­re und blick­ten hin­über zum Moor.

Sie lan­de­te in ei­nem Er­ker, als das Ei­sen­git­ter des Pa­las­tes sich äch­zend hob.

Si­be­ria war noch vor Lea­than und sei­nen Dun­kel­al­ben am Pferch.

»Sie wer­den dir nicht mehr nütz­lich sein«, sag­te sie. »Sie ha­ben zu viel ge­se­hen.«

Ri­chard hat­te ein Ver­steck ge­fun­den. Weit ge­nug ent­fernt, aber nah ge­nug, um das Ge­sche­hen vor dem Pa­last zu be­ob­ach­ten und zu be­lau­schen. In ei­ner grau­en Wol­ke er­schien sein Va­ter. Hin­ter ihm die El­fen. Sie sind alle wie­der da, dach­te er. Auch Kas­tor. Der bul­li­ge Kerl war nicht zu über­se­hen.

Drei­mal hin­ter­ein­an­der blitz­te es in der Dun­kel­heit auf. Drei­mal hob sich sil­ber­ner Staub. Lea­than wisch­te das Sti­lett an sei­nem Stie­fel ab, schob es zu­rück in sei­nen Gür­tel und wand­te sich zu den El­fen um.

»Du und ihr drei wer­det die Pfer­de be­wa­chen. Und wenn ihr so dumm seid, wie eure Kum­pa­ne«, er klopf­te ge­gen das sil­ber­ne Sti­lett, »wer­det ihr den glei­chen Weg ge­hen, wie die, die ge­ra­de von uns ge­gan­gen sind.«

Er ging da­von, ohne sich noch ein­mal um­zu­dre­hen. Aber Si­be­ria be­weg­te sich nicht. So geh doch, fleh­te Ri­chard in­ner­lich, bit­te geh! Er fürch­te­te ih­ren In­stinkt. End­lich dreh­te sie sich um und folg­te den an­de­ren. Sie hat­te in sei­ne Rich­tung ge­schaut. Hat­te sie ihn wahr­ge­nom­men? Wenn ja, war­um hat­te sie ihn nicht ver­ra­ten?

Sein Va­ter war zu al­lem fä­hig. Eine alte kind­li­che Furcht stieg in ihm hoch. Er hat­te ge­glaubt, sie über­wun­den zu ha­ben. Ohne zu zö­gern, hat­te Lea­than wie­der ge­tö­tet, mit die­ser von den Ar­ti­sa­nen her­ge­stell­ten Stich­waf­fe. Durch den Fluch der He­xen war sie zu ei­ner töd­li­chen Waf­fe ge­wor­den, für alle, au­ßer für die He­xen selbst.

Faith und Leathan

Подняться наверх